Teil 5

„Das mit der Flasche war wieder ein schlechter Scherz, der voll und ganz zu Senf und Seife passt.“

Lauren:    Ich will Gutes tun und scheitere an mir selber, weil es mir nicht gelingt, die Anderen von meiner guten Absicht zu überzeugen. Es bestehen Widerstände, gegen die ich anrenne. Ich komme nicht vom Fleck, Die unsichtbare Mauer zehrt an meinen Kräften. Nein, es handelt sich nicht um eine Mauer. Es ist krepierte Kakerlake, die breit in diesem Raum liegt. Falls es überhaupt etwas ist, das je gelebt hat. Es lastet schwer auf diesem Laden, das verruchte Logo. Nein, vielmehr ein Rochen, der durch das Meer schwebt und in eleganten Bewegungen durch das Wasser zieht. Nein! Wie ein Rochen, der verborgen im Sand steckt und nach Beute späht. Die Leute ins Visier nimmt, um ihnen als stumpfes Logo an den Kragen zu springen und sie als Platzblase darauf hinzuweisen – Nein! Daran zu erinnern, dass sie sich wieder einmal Senf und Seife vorknöpfen sollen.

Wenn dem nur so wäre! Das Logo verschlingt auf seinem Meeresgrund, wie ein schlecht genährter Vielfrass, der trotzdem seine Nahrung findet, Unmengen von Geldmitteln. Aus diesem Vielfrass wird aber nie ein Paradiesfisch werden. Das nimmersatte Logo taugt zu nichts anderem, als uns die Zeit zu stehlen, die wir dringend brauchen, um Senf und Seife wieder auf die Beine zu stellen. Taugt nicht dazu, um uns aus dem Dreck zu ziehen, in welchen uns der ganze Kampf um dieses Logo geführt hat.

Ein unnützes Gespräch an das andere haben wir geknüpft. Daraus entstand nicht ein Seil, aber ein Knoten, der sich zu einem kräftigen Verbund von Geldverschwendung geballt hat. Ach, wenn wir nur in fischreiche Gewässer gefunden hätten! Der Rochen hat alle Fische gefressen. Er ziert alle unsere Briefe als Logo, klebt als Fettfleck auf jeder Kiste und auch, unterdessen, auf unseren Shirts. Corporate Identity nennt sich der Fisch, der nun überschwer auf unserem Budget lastet.

Sein Hunger geht uns ans Fleisch, die Substanz wächst weg, frisst unser Geld auf. Und wir füttern diesen Fisch flott weiter. Solche Geldpolitik führt uns nicht weit. Dabei ist es doch ganz einfach, Fische zu zählen, wenn sie so übersichtlich und in so geringer Zahl im Teich liegen, den unser Geschäft bildet. Aber, der unersättliche Rachen, der nach Senf und Seife schnappt und als unser neues Logo modernisiert werden soll, so dass er noch mehr Geld verschlingt, macht die kollektiv geleistete Arbeit zunichte und unsere Anstrengungen obsolet.

Wie ein Alb liegt das Firmenemblem schwer auf und verrichtet rein nichts, produziert kein Gut, das Geld einbringt. Der Rochen kriecht vielmehr wie ein gefrässiger Molch durch unsere seichten Gewässer, in welchem keine taugliche Investition Fuss fasst, und nagt unentwegt die Wurzeln, das Geld, weg, das es braucht, um brauchbare Initiativen auf die Beine zu stellen.

Kaum bringt jemand von uns eine gute Idee vor, kriecht dieses Logo hervor und pocht auf seine Priorität, will, dass alle Kraft des Geschäfts, die in die Produktion geht, ihm zufliesst, will seinen Teil abkupfern, damit die Position der Stellvertreterin gestärkt wird, welche ihr Lin verschafft hat. Das Logo hat in deren beiden Geschrei absoluten Vorrang und bildet den vordersten Wagen in einem Zug, der ohne Lokomotive ist.

„Wir wollen niemanden vergiften und auch niemanden in einer Whisky-Falsche ertränken.“

(Auftritt Jorun)

Jorun:       Wie geht es unseren Logoleien? Legen sie endlich Eier, die ausgebrütet werden können? Wenn die Eier zu nichts taugen, dann müssen wir wohl selber in die Brutkasten steigen und Eier legen oder vielmehr diese aus den Brautkästen unerfüllten Liebesglückes nehmen und auf dem Wochenmarkt verkaufen, so dass die Eier, wenn sie schon keine Küken treiben, so doch etwas Kleingeld abwerfen, das wir zum Stopfen unserer Geldlücken im Zukunftsbarometer unser Geschäftes setzen können. Unser neues Logo soll darum die Bezeichnung tragen: Senf, Seife und ein zerplatztes Ei, eieieieiei! Die Ästhetik und Arithmetik unseres neuen Firmenzeichens muss, sofern ich mich nicht irre, die Struktur des auftraggebenden Namens übernehmen und veranschaulichen. Darum meine Frage an dich, Lauren, da Choelia im Moment aufgrund ihrer Absenz nicht zugänglich ist und ich die Logik des von ihr ausgetüftelten Brands nicht durchschaue: Müsste unser Geschäft dem Logo nach nicht Ei, Senf und Seife heissen? Oder ganz logisch: Senf, Ei und Seife? Wenn ich Choelias Logogeographie verstehen würde, dann hätte ich auf meine Fragen Antworten.

Lauren:    Was du wieder einmal meinst.

Jorun:       Es ist der Schwanengesang auf unser Geschäft.

Lauren:    Dann singe weiter. Mehr tut sich hier nicht mehr.

Jorun:       Da wir die Logographie zum Steckenpferd unserer stellvertretenden Chefin erklärt haben, deren Überlegungen niemand versteht, entwickelt sich dieses Logo zu einer luftigen Hängedeko, die als Luftschraube über unseren Köpfen schwebt und sich dreht: rumm, rumm, rumm! Im Kreise dreht es sich. Verdreht uns die Köpfe, bis wir nicht mehr wissen, wo der Kopf uns steht. Das entspricht fürwahr dem Sinn und Zweck des Logos: Es soll den Leuten den Kopf verdrehen, damit sie bei uns einkaufen. Am Klügsten ist, wir benennen unseren Laden nicht nach dem Ei, sondern nach dem Logo. In Zukunft sollen wir darum heissen: Senf, Seife und Logo. Oder, wie es Choelia nennen würde, weil sie keinen unserer Vorschläge für sich stehen lässt, sondern sich voran stellt: Logo, Seife und Senf. Die Autorität soll Vorrang vor dem Produkt haben. Jede andere Reihenfolge der Worte in unserer neuen Firmenbezeichnung wäre eine Infragestellung der Hierarchie.

Lauren:    Du hast gut lachen, Jorun. Die Situation ist nicht lustig. Das Logo frisst unsere finanziellen Reserven auf.

Jorun:       Ich habe mich lediglich in der rhetorischen Form eines Feststelltextes geäussert. Wer wüsste, wenn nicht ich, der die Finanzverwaltung unter mich habe, wie es wirklich um Senf und Seife und seinen Ressourcen steht?

Lauren:    Dann sag es Lin. Wie lange noch wird er unsere Löhne zahlen können?

Jorun:       So weit die Erbschaft reicht, könnte er antworten. Mit den Antworten ist er auf seine Art ehrlich. Er hält es mit dem Miststock: Er nimmt den Stock und geht und lässt den Mist zurück. Das sind wir. Was tut er mit dem Stock? Er schlägt nicht nach uns. Er benützt ihn nicht zum Wandern und geht auch nicht am Stock. Nein! Er geht vielmehr davon aus, er könne einen Stock höher steigen. Wenn es mit unserem Wirtschaften so weiter geht, wird er die Treppe mit dem Stocktakt nicht in die Höhe schlagen können, weil das Geld nicht reicht, um eine Treppe nach oben zu pflastern. Ich meine, Schicht für Schicht an Banknoten aufzutragen, so dass daraus eine Himmelsleiter entsteht und aus unserem Lin ein erfolgsreicher Geschäftsmann, der ohne Stock gehen kann. Lin geht vielmehr davon aus, dass sich der Mist, der er baut, sich zu einem Stock auftürmt, der ihn in die Höhe hebt und in den oberen Stock hinaufbringt. Auf diesem Stock kann er dann Choelia, die eifrig aus Diamanten Sand macht, sich zur Krönung seiner Erbsenlaufbahn auf den Kopf setzen. Ich meine selbstverständlich: seiner Laufbahn als Erbbezüger, dem das Geld zwischen den Fingern davon läuft, als würde es ihm aus Subvention oder Steuer endlos zufliessen.

Lauren:    Du hast das Elend dieses Geschäfts wunderbar beschrieben. Lin hat seinen Reichtum nicht erwirtschaftet. Es ist ihm zugefallen. Darum kann er verantwortungslos damit umgehen.

Jorun:       Nimm die Schläge nicht zu hart, die auf dich niederfallen. Ich kassiere nicht ein. An mir prallen Lins und Choelias Trödeleien ab.

„Stimmt. Jemand hat die Flasche ausgetrunken.“

(Auftritt Vania)

Vania:      Die elende Whiskyflasche steht noch immer auf dem Regal.

Jorun:       Stimmt. Jemand hat sie ausgetrunken. Sie ist leer.

Vania:      Die muss weg. Sie wirft ein schlechtes Licht auf unser Geschäft.

Jorun:       Auf unser Miteinander?

Vania:      Du willst Gegeneinander sagen.

Jorun:       Du sagst es.

Vania:      Hier herrscht eine schlechte Stimmung.

Jorun:       Es schmeckt nach Senf und Seife und Stunk. Die Leute, die Kunden und wir, sind unzufrieden. Choelias und Lins Liebesglück färbt nicht auf die übrige Belegschaft ab. Es ist, als würden sich Senf und Seife auf einmal gegenseitig abstossen.

Vania:      Das merke ich auch. Irgendwie geigt etwas nicht richtig.

Jorun:       Choelia nimmt uns die Kapazitäten weg, um das Orchester richtig zu stimmen.

Vania:      Ich weiss, dass sie nicht weiss, wie man den Taktstock richtig führt.

(Auftritt Josselin)

Josselin:   Der marode Haufen ist fast wieder beieinander. Es fehlen für den Untergang nur noch die beiden Tüpfchen auf dem i. Unter uns: Was sagen wir zum grandiosen Aufgang des neuen Logos?

Jorun:       Es stagniert und zieht Stalaktiten, welche die Erde beissen, statt nach oben zu streben, wo nicht das Grab liegt, sondern der Erfolg. Lin muss sich auf den Kopf stellen und den Kopfstand als Masswerkzeug einsetzen, wenn er eine Erfolgskurve sehen will, die von Fortuna gezeichnet ist.

Lauren:    Ich weiss gar nicht, was euch einfällt, wie ihr dazu kommt, euch derart lustig über unser Geschäft zu machen. Unsere Talfahrt ist gewaltig und ihr lacht.

Jorun:       Auf Seife will ich bei dieser Fahrt lieber nicht stehen, denn ich würde glatt ausrutschen. Und Seife will ich auch nicht verwenden, wenn ich mit meinem geistigen Auge auf unsere Bilanz schaue. Diese lässt sich mit keinem Reinigungsmittel beschönigen, auch nicht mit der Seife, die wir anbieten. Wir sind drunten.

Lauren:    Wie bringen wir das Lin bei. Er schwebt mit seiner Choelia im siebten Himmel.

Jorun:       Kein Problem! Dann kann er nur sieben Himmel runter fallen und sieben Rippen brechen. Jeder Mensch hat derer vierundzwanzig. Also bleiben ihm mehr als sechzehn zum Überleben.

(Auftritt Choelia)

Choelia:   Mit dem Logo verhält es sich bestens.

Jorun:       Was für ein Logo?

Choelia:   Unser Logo.

Josselin    Wen meinst du mit uns?

Choelia:   Das sind wir.

Josselin:   Wer sind wir?

Choelia:   Natürlich du und ich.

Vania:      Bin ich ausgenommen?

Choelia:   Welche Frage! Natürlich nein.

Jorun:       Und was ist mit mir? Bin ich bei Seite gestellt?

Choelia:   Niemand ist bei uns auf die Seite gestellt.

Jorun:       Du ausgenommen.

Choelia:   Ich gehöre dazu.

Jorun:       Zum Abfluss.

Choelia;   Was soll das heissen?

Jorun:       Das Abfliessen alles Geldes.

Choelia:   Ich verstehe dich nicht. Ich stehe für das Logo ein. Es wird uns weiter bringen.

Jorun:       Nicht weiter, als das Geld uns trägt.

Choelia:   Das Geld ist das eine, das Logo das andere.

Jorun:       Wir werden im Glanz des Logos untergehen.

Choelia:   Du als Geldmensch malst immer den Teufel an die Wand. Du solltest mehr positiv ausstrahlen.

Jorun:       Meine ganze Energie geht im neuen Logo auf, das nicht ausstrahlt, sondern fad wie ein finanziell gut aufgeschütteter, fetter Leib daher kommt und sich als Briefkopf auf einem Ruhekissen aufgepflastert hat. Das ist das Elend von Senf und Seife. Am Logo wird das Geschäft verrecken.

Lauren:    Du sagst es drastische und beschönigst nichts.

Vania:      Untergehen ist keine Option.

Josselin:   Aber eine Realität.

Choelia:   Bei uns nicht. Ich habe alles im Griff.

Josselin:   Das Logo als Mondscheibe, die ständig ihr Gesicht ändert, einmal von dieser Seite blickt, dann wieder von der anderen, sich versteckt, wenn widrige Umstände herrschen und ins Licht tritt, wenn gut Wetter ist und sie sich zur Schau stellen kann. Was unsere Sache angeht, kann der Mond mit seinem Zyklus der Wiederholung nicht weiterfahren. Er ist endgültig vom Himmel gefallen.

Jorun:       Ich lobe mir dein Bild vom Mond. Er ist als blasse Scheibe, die sich nicht selbst wärmt, das ideale Abbild des neuen Logos, das ohne Kraft die Geschicke von Senf und Seife in den Händen hält. Unser Mond ist eine Halbsichel, die ohne Schneide ist. Dieser Umstand gibt uns Hoffnung. Ist der Mond ohne Schneide, dann kann er unseren Kopf nicht vom Rumpf trennen. Senf und Seife hat aber eine schärfere Schneide. Diese wird uns den Kopf abhauen. Das ist kein Wunsch, das ist kein Orakelspruch, das ist ganz einfach ein Faktum. Dieses liest sich von den Zahlen ab, die ich als Säckelmeister jeden Tag vor mir habe und die unversöhnlich unseren Geschäftsverlauf beschreiben. Da richtet das Logo nichts mehr aus. Es eignet sich nicht mehr als Rettungsanker, an welchem wir uns klammern können. Wenn wir das tun, zieht uns der Befestigungshaken nur hinab die die ewigen Jagdgründe nichtgestandener Geschäfte. Das sage ich als Verantwortlicher der Buchhaltung. Und Choelia beschleunigt mit ihrem teuren Logo, dessen Produktion so viel Geld verschlingt, den Fall.

„Die Flasche wurde hier gefunden.“

(Auftritt Lin)

Lin:          Hallo alle miteinander! Gute Nachricht! Es geht aufwärts mit unserem Geschäft. Wir müssen nur zuversichtlich in die Zukunft schauen.

Jorun:       Und dann wird alles gut.

Lin:          Du siehst es absolut richtig und weist eine positive Einstellung auf, die wir uns alle zum Vorbild nehmen wollen.

Jorun:       Das ist klug geraten. Schön wäre es, wenn auch meine anderen Vorschläge solchen Anklang finden würden.

Lin:          Das tun sie. Tun sie zur richtigen Zeit. Zuerst habe ich ganz andere Neuigkeiten, die ich euch frisch und froh servieren kann. Im Grunde ist es nur eine. Die hat es aber in sich.

Jorun:       Uns bringt nichts mehr zu Fall.

Lin:          Ich habe entschieden, dass Choelia unsere Buchhaltung supervisiert.

Jorun:       Ich bin standfest.

Choelia:   Das Logo und auch das Geld!

Josselin:   Dieser Schuss geht hinten hinaus.

Lauren:    Lin, du weisst genau, dass Choelia keine Kompetenzen in diesem Aufgabenbereich aufweist.

Lin:          Ich habe volles Vertrauen in sie.

Vania:      Die Putzfrau wird zum Affen gemacht. Ich denke, dass das Sprichwort in der Art lautet.

Jorun:       So etwas nennt nicht sich Sprichwort, Vania, aber Lebensweisheit.

Vania:      Ja, schon. Ihr versteht aber ganz genau, was ich damit sagen will.

Josselin:   Tun wir.

Jorun:       Ich sag es mal in anderen Worten: Ist es das Logo, das das Geld fressen wird, oder ist es das Geld, das das Logo verschlingen will. Ich will damit nicht sagen, dass es bei dem einen wie bei dem anderen, positiv gedacht, nicht auf dasselbe rauskommt. Wenn das Geld das Logo frisst, bleibt uns beides erhalten, und zwar das Logo als unverdaubares Stück, das uns auf dem Magen liegt und uns niederdrücken wird. Nimmt hingegen das Logo uns das Geld, dann bleibt uns nichts anderes als ein fettes Ding, an welchem noch nie jemand satt geworden, geschweige denn ein ganzes Geschäft genesen ist. Das Logo wird satt, das Geld geht ab. Das ist der untrügliche Ausdruck schlechten Geschäftens, in welches wir nicht einsteigen sollten.

Lin:          Darüber können wir dann reden, wenn es so weit ist.

Lauren:    Wenn das Geld weg ist, gibt es keine Möglichkeit, es wieder zurück zu reden.

Choelia:   Ich weiss das mir gewährte Vertrauen zu schätzen und werde mich einsetzen.

Lauren:    Lin, dein Entscheid ist habakuk.

Lin:          Ich zähle auf Choelia.

Jorun:       Zähle mit dem Geld. Auf diese Weise wirst du weiter kommen.

Choelia:   Ihr seid immer alle gegen mich.

Jorun:       Das stimmt sicher nicht. Wir sind nicht gegen dich. Wir sind vielmehr nicht für dich. Man bemerke die kleine Nuance.

Lauren:    Lin, du weisst genau, dass du mit dem Entscheid Jorun desavouierst. Er macht seine Arbeit sehr gut, auch wenn er uns fortwährend vor den Folgen deiner nicht langfristig vorwärts ausgerichteten Ausgabestrategie warnt. Das mag für dich bemühend sein. Jorun hat aber recht.

Josselin:   Sachbezogen ist der Entscheid nicht.

Lauren:    Choelia hat keine Ahnung von Buchführung. Mit deinem Entscheid schadest du dem Geschäft.

Choelia:   Ich habe letzthin gegenüber einem Kellner darauf bestanden, dass er mir den Fünfer auszahlt, den ich ihm als Trinkgeld nicht zugedacht habe. Um ihn zu überzeugen, habe ich nur fünf Sekunden gebraucht.

Jorun:       Das ist eine tolle Leistung! Und dann was für ein Gewinn! Auf die Stunde hochgerechnet macht das dreitausendsechshundert Bitcoins, die du verdient hast, auch wenn sich in deinem Portmonee nach wie vor fünf Bitcoins befinden. Auf die Stunde hochgerechnet, heisst das, dass deinem Geldsäckel dreittausendfünfhundertfünfundneunzig Coins fehlen. So etwas bezeichnet sich als Verlust. Der ist erheblich, beträgt er das über Siebenhundertfache deines Einsatzes.

Lauren:    Mit den Kenntnissen zur Geldwirtschaft, die Choelia vorzuweisen hat, können wir auf ein rasches Ende von Senf und Seife gefasst sein.

Josselin:   Über den Entscheid Lins lässt sich selbstverständlich debattieren. Etwa über die Frage: Hat er klug oder dumm gehandelt? Ich will aber mit einer derartigen Diskussion nicht den ganzen Geschäftsablauf aufhalten. Ich schlage darum vor: Eine Münze soll das Urteil sprechen. Ich werfe diese in die Luft. Wenn sie auf gescheit fällt, machst du dich schuldig, Lin, weil du mit Absicht auf den Niedergang von Senf und Seife hinwirkst. Wenn die Münze hingegen auf die andere Seite fällt, dann ist es dumm. Ich muss dir dann verzeihen, weil du nichts dafür kannst, dass Senf und Seife zugrunde geht. In beiden Fällen stimmen jedoch die Resultate überein und darum muss ich dich also doch fragen: Was ist es für ein Spiel, das du treibst?

Lauren:    Lin, finde zu jener Zeit zurück, als du den Grundstein für Senf und Seife legtest. Was du jetzt tust, das bist nicht mehr du.

Lin:          Ich habe alles im Griff und vor allem meine Entscheide.

Jorun:       Mir ist, als würde ein Doppelgesicht seine Spielchen treiben.

Choelia:   Du meinst vermutlich das Janus-Gesicht.

Jorun:       Ganz richtig. Ich wollte dir mit meinem sprachlichen Zuspiel die Möglichkeit geben, auch einmal mit deinem Allgemeinwissen zu prahlen. Du erkennst jetzt natürlich, dass meine Grosszügigkeit von unendlicher Dimension ist. Ich hoffe, dass du dies zu schätzen weisst. Mir vorwerfen zu wollen, dass ich nicht frei und frank rede, das geht nicht an. Solches getraue ich aber nicht von dir zu behaupten. Ich gehe nämlich davon aus, dass du zwei Gesichter hast. Zeige sie uns!

(Die beiden Freundinnen tauchen auf.)

Freundin 1: Niemals!

Freundin 2: Tu es!

Choelia:   Welche Überraschung! Ihr seid beide hier!

Freundin 1:     Ja, gib es ihnen.

Freundin 2:     Nein, tu es nicht.

Choelia:   Was mache ich nun?

Freundin1:      Zerfleische sie.

Freundin 2:     Zeig Vernunft.

Choelia:   Wo führt ihr mich hin.

Freundin 1:     Ich will.

Freundin 2:     Krebs zurück.

Choelia:   Ich muss einen Weg finden.

Freundin 1:     Trau nur dir.

Freundin 2:     Trau den anderen.

Choelia:   Ich denke, ich glaube, dass ich die mir anvertraute, neue Aufgabe erfüllen kann – dass ich ihr gewachsen bin.

Freundin 1: Bist du!

Freundin 2: Nicht.

Choelia:   Meine Arbeitskollegen und Arbeitskolleginnen schauen mich alle so komisch an.

Freundin 2:     Unser Auftritt ist schebs.

Choelia:   Wir sind zu dritt.

Freundin 1:     Achte ihrer nicht.

Choelia:   Ach, ihr beiden, was soll ich mir raten? Mir selbst, denn ich weiss nicht, ob ich mich selber verrate oder die anderen.

Freundin 1:     Deine Laufbahn steht auf dem Spiel.

Freundin 2:     Deine Laufbahn steht auf dem Spiel.

Freundin 1:     Ich rate dir: Gibt nicht nach.

Freundin 2:     Ich rate dir: Nimm diesen Weg nicht.

Choelia:   Und doch! Ich will nicht, dass die Münze geworfen wird. Bisher war es so schön.

(Beide Freundinnen ab.)

Josselin:   Was war denn das?

Jorun:       Ein schöner Ausbruch aus Choelias Selbst.

Lauren:    Sie will nicht, dass die Münze geworfen wird.

Josselin:   Das war ein Auftritt, der uns ins Gesicht ging und das noch bevor ich die Münze auf dumm oder gescheit geworfen habe.

Jorun:       Ich schlucke leer.

Josselin:   Lin, wie ist dein Standpunkt?

Jorun:       Halt nicht mit deiner Meinung zurück, Lin. Das wäre an der falschen Stelle gespart.

Vania:      Choelia hat ihren Rachen gezeigt.

Jorun:       Was passt in diesen hinein? Wir alle.

Lauren:    Das gibt eine wunderbare Mahlzeit ab, für Choelia.

Josselin:   Lin, du gebierst eine Maus.

Jorun:       Und daraus wird ein Senfkorn wachsen, das vom Seifenwasser weggespült werden wird.

Lauren:    Bleiben wird nur eine Stelle. Das bist du, Lin. Du wirst das letzte Senfkorn wegwaschen dürfen.

Jorun:       Wir stecken fest im Dreck. So lautet die Bilanz. Keine Seife wird diese reinwaschen.

Choelia:   Ich werde Ordnung in dieses Geschäft bringen. Das ist mein fester Wille.

(Alle ab. Vania erscheint mit Eimer und Besen.)

Kakerlaken, Logo und keine fetten Fische. So lautet heute das Menü. Da gibt’s keine Suppe auszulöffeln. Die Teller sind leer. Will ich was zum Anrichten haben, so muss ich mich gleich selber auf die Platte legen. Ich bin dann die Fesche, die auf dem Plateau serviert wird, damit alle mit Messer und Gabel nach mir stechen können. Dann kann ich mich nur auf den Bauch drehen, um von dieser Welt nichts mehr zu sehen. Das ist meine Stimmung, jetzt. Da nützt es auch nichts, wenn ich den Boden aufnehme.

Wenn ich schon von Fischen rede, dann zeige ich an, dass ich gar nicht wusste, dass ein Fisch auf der einen Seite stinken kann und auf der anderen nicht. Je nachdem wie er liegt, sieht man die Fläche, auf der er stinkt, nicht. Erst wenn man ihn dreht, sieht man die Stelle, auf der er riecht. Ich wusste nicht, dass Choelia eine Rückseite hat, mit der es sich genauso wie mit diesem Fisch verhält. Das hätte ich von ihr nie gedacht. Da nützt alles Schrubben nichts. Das putz ich nicht weg.

Dieser Fisch heisst, wenn ich ihn grammatikalisch richtig stemme, so dass aus ihm jene Spezies von Berufsleuten wird, die nach ihm die Angel werfen: Fischer. Von solchen, die im Trüben fischen, hat es in diesem Laden immer mehr, seit Choelia Stellvertreterin ist. Ich weiss gar nicht, was hier alles gefischt wird. Ihr Lager füllt bereits eine ganzes Regal an Fischen, ohne dass diese je überhaupt Futter geworden sind und auch nicht Geld, mit welchem ich für mich, Fisch, Futter kaufen kann.

Alles wird hier gefischt und zwar im Trüben, so dass eigentlich niemand weiss, was auf diesen Fischen steht und diese sich somit wie ein Fisch verhalten, der auf der einen Seite stinkt. Auch diese Fische stinken, da nützt alles putzen nichts. Da putz ich nicht weg. Mit keinem Besen. Ich bräuchte schon einen eisernen Besen, der die schlechte Stimmung, hier, wegkehrt.

Diese Stimmung! Diese schleckt keine Geis weg. Zu stark stinkt der Fisch, den uns Lin eingebrockt hat. Da nützt aller Senf und alle Seife nichts, um ihn weg zu stecken. Eigentlich müsste der Name unseres Ladens so etwas heissen wie Fischen und Stinken. Wir können aber den Namen nicht wechseln. Er ist nun mal am Logo festgemacht – aus dem aber nichts wird, weil ständig an ihm etwas geändert wird, damit es perfekt und somit noch professioneller wird und so an seiner Weiterentwicklung stirbt.

Das Logo verschlingt unsere Zeit und auch die Zeit, die ein Fisch im Aquarium steckt, seine Runden dreht und nicht weiterkommt. Das Logo gleicht dem stinkenden Fisch, der ständig von der einen auf die andere Seite gewendet wird in der Hoffnung, dass die jeweils andere Seite jene ist, die stinkt. Das hat es mit dem Fischen an sich, wie es in Senf und Seife betrieben wird. Das hat es mit den Fischen auf sich, die Lin uns eingebrockt hat. Die Leute, die hier arbeiten, sind schon ganz benommen, von dem wechselnden Gestank, der sich durch die Drehungen ergibt. Die Kunden, die kommen, merken, dass hier etwas faul ist, und zwar ganz gewaltig.

Kürzlich hatte der Metzgermeister seinen Einstand. Er hat nicht vom Whisky gesprochen, der als gallige Essenz noch in der Luft liegt, sondern tatsächlich vom Fisch. Als ob wir solchen verkaufen würden. Derart sind die Leute, die bei uns eintreffen, verwirrt, dass sie nicht einmal mehr wissen, was wir verkaufen.

Es muss bei euch irgendein Fisch unter den Tischen vor sich her faulen! So hat der Metzgermeister vom Fisch gesprochen. Ich gehe nicht davon aus, dass man uns den Fisch ansieht, der hier stinkt, so wenig wie die Whisky-Flasche, die noch immer auf dem Regal steht. Es ist schon seltsam, dass der Metzgermeister von Fisch gesprochen hat. Vermutlich denkt er, dass Schnaps mehr wert ist als Fisch. Also hat er Senf und Seife mit einer weiteren Bewertung versehen.

Es wäre natürlich falsch von mir zu sagen: Es stinkt in diesem Lokal wie in einer Fischhandlung. Frischer Fisch riecht nicht, wenn man ihn aus dem Wasser oder Meer nimmt. Und auch mit der Fischhandlung hat es etwas Wahres dran. Wenn ich aus der Fischhandlung den Fisch streiche, dann bleibt von der Fischhandlung die Handlung und an der fehlt es aufgrund der aktuellen Entwicklung gehört in dem Lokal, wo ich aktuell mangels gescheiter Entwicklungen den Besen schwinge und wo es danach aussieht, als ob wir keine Kunden mehr hätten.

Ich muss beifügen: So wie frischer Fisch nicht stinkt, stinkt Geld nicht. Nur riecht dies bei uns niemand. Weil es kein Geld mehr hat, das man riechen kann. Wir sind hier Fische wie vor einer Stromschnelle, die wir nicht überwinden können. Eine künstliche Stromschnelle, die wie das neue Logo unüberwindlich ist und zu deren Überwindung wir das Geld nicht haben, weil es vom Logo und seinen Produktionskosten vertilgt wurde. Aber das will hier niemand wahrhaben, obwohl es alle tun und daran zerbrechen.

Zuerst brach Can zusammen. Dann bricht das Geschäft zusammen und ich muss alles zusammenkehren und wegräumen. Das ist das Geschäft, das mir bleibt. Ein Besen und ein Eimer ist das, was vom einst stolzen Seife und Senf Grosshandel Ltd übrig bleibt. Die Seife reicht nicht einmal mehr dazu, um den Boden aufzuputzen. Darum bin nicht mit einem Schrubber, sondern einem Besen zum Eimer hierhergekommen.

So, jetzt ist nicht die Zeit für lange Monologe. Ich muss etwas tun und wenn es auch nur das ist: mich auf das Ende von Senf und Seife vorbereiten. Am besten ist es, ich setze mich auf einen Stuhl und warte auf das, was geschehen wird. Ich bin gespannt darauf, wie das Ende von Senf und Seife ausschauen wird. Es muss doch irgendwie ein Showdown geben. Einen Laden lässt man nicht so einfach sterben.

„Du sortierst -“ – „Whiskyflaschen.“ – „Hier hat’s nur eine.“

(Auftritt Jorun)

Vania:      Was trägst denn du da mit?

Jorun:       Die leere Kasse. Sie ist geschrumpft und trotzdem leer. Wenn ich mich von Senf und Seife schon absetzen muss, dann hätte ich mich lieber an einem prallen Inhalt gut getan. Damit wird nun nichts. Der Sekel ist leer. Die Kasse habe ich mal mitgebracht. Wir können sie mit unserem neuen Logo verzieren und sie dann als Warnung an alle, die das Lob der vollkommenen Verwaltung und ihrer graphischen Dienstbarkeit über den Wert der eigentlichen Produktion und zufriedener Kunden setzen, hinter einem Busch ablegen. Vielleicht findet eines Tages jemand das verzierte Kästchen und nimmt es mit. So hat Senf und Seife dann doch ganz unverhofft einen Ableger gefunden. Meine letzte Amtshandlung als Kassier von Senf und Seife wird es sein, diese Kasse endgültig los zu werden.

(Auftritt Lauren mit einem Koffer)

Vania:      Auch du machst auf Austritt?

Lauren:    Ich will keinen Koffer im Geschäft lassen.

Vania:      Hast du etwas eingepackt?

Lauren:    Leer ist er. Er entspricht dem, was ich fühle. Ich habe mein Herzblut für den Laden hingegeben.

(Auftritt Josselin)

Vania:      Was führst du mit?

Josselin:   Nichts. Das ist das Beste an diesem Seife und Senfladen.

Lauren:    Ich habe mich bemüht, alles getan, um Senf und Seife zu Ruhm und Erfolg zu verhelfen. Nun das. Lin hat sich über jede Vernunft hinweg gesetzt und sich mit Hilfe von Choelia das Grab geschaufelt. Er wusste, dass sie mit all ihrem Gerede von Qualität und Logo nichts anders als eine Luftblase produzierte.

Jorun:       Nun ja, manchmal tun Vorgesetzte ihre Blenden nicht auf und sind nicht empfänglich für das Licht, das ihren Geist erhellen könnte. Sie meinen, mit kleinster Blende hätten sie Tiefblick. Die Blende wird für sie zur grösseren Scheuklappe als ihre schlechtesten Mitarbeiter.

Vania:      Das Logo muss seinen Platz haben.

Josselin:   Tat es und nahm dabei zu viel Raum ein. Wir haben geduldet, dass die Geschäftsleitung auf Äusserlichkeiten setzte, weil das innere Feuer fehlte. Das führte dazu, dass schliesslich nicht das Logo aber die Kasse, die du bei dir hast, in den Vordergrund rückte und zwar endgültig, versehen mit der absoluten Aussage, dass wir jetzt auf der Strasse sind.

Jorun:       Das Leiden muss seinen Platz haben – und sei es auf der Strasse. Sonst ist das Arbeiten nicht lebenswert.

Vania:      Leiden schafft Leiden. Das hat es schon tausendmal geheissen in all den Zeiten, die hinter uns liegen. Seit Generationen. Ich habe vorher bereits ein Wort gewendet. Aus der Fischhandlung habe ich den Fisch genommen und festgestellt, dass hier nicht gehandelt wird und jetzt darum alles am Boden ist. So verhält es sich auch mit der Leidenschaft, die man für das Geschäft aufwendet.

Josselin: Das sagst du richtig. Nun nützt es niemand mehr etwas.

(Song)

Vania:      Ich sortiere

Josselin:   Klug gehandelt

Jorun:       Du sortierst

Vania:      Whiskyflaschen

Josselin:   Hier hat’s nur eine

Lauren:    Der Himmel hängt voller Whiskyflaschen

Jorun:       Eine ist hier hängen geblieben

Vania:      An dieser hängt

Jorun:       Eine geheime Botschaft

Josselin:   Eine Flaschenpost

Vania:      Die falsche Post

Jorun:       Geht ab

Lauren:    Whisky im Glas Geld im Eimer

Vania:      Das Glas ist leer

Jorun:       Niemand trank’s

Josselin:   Das leere Glas forciert

Vania:      Fade Schritte

Jorun:       Auf dem sinkenden Geschäft

Josselin:   Hätten wir doch ein Glas

Lauren:    Das Glas ist leer, das Glas ist leer

Vania:      Koffer Galgen Besen

Jorun:       Kehren den Whisky auf

Josselin:   Das Geschäft ist nun gewesen

Vania:      Das Glas schlagen wir

Josselin:   In den Eimer

Jorun:       Niemand hat’s getrunken

Lauren:    Nach der Whiskyflasche gehen auch wir ab

(Auftritt Lin)

Lin:          Mann! Habt ihr es hier lustig!

Jorun:       Das war das Requiem auf dein Geschäft.

Josselin:   Und auf deine Börse.

Lauren:    Brauchst du noch eine Strophe?

Lin:          Nein, das war schon gut.

Josselin:   Da kommt Choelia. Sie wird sie dir singen.

Choelia:   Ihr habt mich alle enttäuscht. Auch du Lin, der du dein Vertrauen in mich gesetzt hast. Du bist nicht zu mir gestanden. Du hast zu wenig Geld in mein Logo gesteckt. Das Logo ist nicht fertig geworden. Darum geriet Senf und Seife in eine Schieflage. Ihr alle habt mich enttäuscht. Ihr seid nicht zu mir gestanden. Ihr habt mich gefällt. Darum ist Senf und Seife gefallen und damit auch das teure Logo.

Jorun:       Ich bereue logischerweise nichts.

Choelia:   Ihr seid mir gegenüber alle Scheusale gewesen.

Vania:      Ich bin platt. Was du sagst, hat weder Hand noch Fuss.

Jorun:       Ich bedaure selbstverständlich, dass das Logo nicht zur Erhöhung deiner Gefühle beigetragen hat.

Lin:          Auch nicht zur Erhörung meines Ziels. Ich stehe in einem Scherbenhaufen.

Jorun:       Zum Scherben-Aufkehren haben wir ein Lied. Sollen wir es singen?

Lin:          Mir ist nicht nach Liedern.

Josselin:   Brauchst du künstliche Lider. Sie werden deine Tränen überdecken.

Lin:          Irgendetwas ist schiefgelaufen.

Lauren:    Die zwei Geschäfte, die Senf und Seife gegeneinander angetreten sind…

Choelia:   Was für Geschäfte?

Lauren:    Senf und Seife haben sich nicht verstanden. Die zwei Seiten von Gut und Böse sind sich im Weg gestanden. Du standest zwischen den beiden. Sie haben nicht zusammengefunden und vermochten darum nicht, ein fruchtbares Miteinander zu erwirken. Du standest den beiden vermutlich zu nah, so dass es ihnen nicht gelang, sich von deiner Anziehungskraft zu befreien.

Jorun:       Geld, das schlecht generiert wird, kann zuweilen kleben.

Lauren:    Die Dreiecksbeziehung ging nicht auf

Josselin:   Das tönt reichlich bitter.

Lauren:    Zwei Seelen beherbergt auch Lin in seiner Brust. Die eine war das Geschäft, die andere das Geld. Er vermochte nicht, beides zusammenzuführen. Indem er das Zweiergespinnst uneinsichtig in seinem Hirn walten liess, grub er selber das Grab, in welches er Senf und Seife führte. Du hast alle drei beerdigt: Den Senf, die Seife und das Erbe. Nun kannst du dir die leere Kopfhülse deiner Pläne in Form einer blanken Kasse über das Hirn ziehen.

Jorun:       Stülpen würde ich sagen. Über das Hirn stülpen. Als wärmenden Stulpen, der den abkühlenden Laden, als wär er eine Leiche, noch etwas wärmt, wenn nicht mit Nestwärme, so doch mit Restwärme.

Lauren: Hier hat sich nichts zum Guten bewegt. Nicht einmal die Schachteln wurden weggeräumt. Ich schlage vor, dass wir darauf verzichten, zu prüfen, ob sich überhaupt etwas in diesen befindet. Sie eignen sich aber dafür, um die dümmlich geplünderte Kasse darauf zu stellen. Sie wird dich, Lin, an auf alle Geschäfte hinweisen, die irgendwann und irgendwo gescheitert sind und als Bargeldruinen heimlich und verschämt in zahllosen Bürohochhäusern stehen, in welche niemand hineinsieht und bemerkt, wo der Konkurs Platz genommen hat.

Jorun:       Partielle Blindheit am Arbeitsplatz bietet grosse Vorteile. Meine lieben Leute, in den Büros ist nicht Leistung und Fachkenntnis gefragt. Am besten schlägst sich durch, wer ein Kunstgebilde aus inszeniertem Arbeitseifer und verkörperter Verantwortung um sich aufbaut. Merkt euch das für die nächste Anstellung.

Josselin:   Eine Firma ist heute eine Ding, das schnell vorbeizieht. Der Wechsel fördert den Austausch der Erfahrungen darüber, wie es in den verschiedenen Firmen zu und her geht. Auf der Strecke bleibt das Fachwissen, das sich während einer Beschäftigungsperiode aufbaut und zum Grundstock einer Kultur anreichert. Die Globalisierung schafft eine Einheit, die dem nivellierten Bürodasein allerorts ihren Stempel aufdruckt. Das Produkt ist Nebensache, auswechselbar; das Handwerk Show, die nicht besser taugt als Senf und Seife.

Lauren:    Jetzt ist gut reden. Wir sind ohne Job und Lohn. Lin ist pleite. Ich verabschiede mich von diesem Lin mit Verachtung. Das ist der Preis, den du dir errungen hast.

Jorun:       Aber meine liebe Lauren, du erteilst Lin zu viel Lob. Er hat den Galgen des Schweigens verdient. Dort soll er hängen. Dort soll er hängen, damit kein Geschäftsmann oder Investor auf ihn hereinfällt und zur Plünderung der Kasse anstellt.

Vania:      Lin ist der Gehängte. Was ist mit Choelia?

Jorun:       Sie ist die gewöhnlich Büroangestellte – und hiesse sie Choelius, dann wäre er der gewöhnliche Büroangestellte, der etwas auf sich hält und eine Laufbahn machen möchte. Mehr kann ich dazu nicht sagen.

Lauren:    Sie hat Senf und Seife verseucht, um auf der Karriereleiter eine Sprosse emporzusteigen.

Vania:      Die Kasse ist leer.

Jorun:       Schade, dass Senf und Seife nicht endlos durch eine Erbschaft subventioniert werde konnte. Diese Investmentwährung birgt einfach ein sehr grosses Klumpenrisiko. Ein Trost bleibt uns: Wir sind mit dem Leben davon gekommen. Das heisst, wir können unseren Lebenslauf in einem anderen Geschäft weiter führen. Ich verabschiede mich von dieser Bühne.

(Jorun ab)

Lauren:    Ich soll gehen. Auch. Das war nicht mein Plan. Nun ist er an einem Logo verbrannt. Ich wollte, dass Senf und Seife stark wird: Ich habe mich für das Geschäft eingesetzt und mit all meinen Kräften unterstützt.

Lin:          Das ist dir nicht gelungen. Geh.

(Lauren ab)

Josselin:   Von uns bleiben nicht viele übrig. Ihr wollt wissen, was ich zu Senf und Seife zu sagen habe? Ungefähr gleich viel wie jene, die bereits gegangen sind und ein Geschäft erlebt haben, das an sich selber untergegangen ist. Ich will gleichwohl anmerken, dass nicht jedes Geschäft, das untergeht, an sich selber zerbricht. Eine gewisse Verantwortung schwingt immer mit, auch wenn heute wirtschaftliche Gesetzesvorgaben auf das Wirtschaftsleben einwirken, die besagen. Es gibt eine Untergrenze für die Gewinnmarge. Ein Geschäft, das nicht genug Gewinn abwirft, wird abserviert. Das gilt nicht für Senf und Seife. Senf und Seife warf nicht einmal einen Minimalgewinn ab. Gewinn zu erwirtschaften, war offenbar nie das Ziel dieses Ladens. Darum sage auch ich: Ich gehe und suche anderswo mein Glück mit dem gleichen Zweck und Ziel, das mich im Grunde, aus tiefster Überzeugung und ohne dass ich es irgendjemandem sagte, die Zeit bei Senf und Seihe hindurch getragen hat: Selbstzweck ist die Münze, mit welcher der Angestellte seinen Lohn verdient.

(Josselin ab)

Vania:      Wir werden immer weniger. Wir sind noch drei. Wer übernimmt das Wort?

Choelia:   Ich verstehe von der ganzen Sache rein gar nichts. Aus meiner Sicht wurde bei Senf und Seife zu viel geredet und zu wenig gehandelt?

Lin:          Wem verkündest du das?

Choelia:   Ich habe heute ein grosses Publikum.

Lin:          Willst du dieses ins Verderben schicken, weil dir sonst niemand zuhört?

Vania:      Das ist eine späte Einsicht. Niemand wird dir zuhören. Du bist abgestempelt. Du trägst dein Logo auf der Stirn.

Lin:          Unser ganzes Material wurde gepfändet. Wir sind Konkurs.

Choelia:   Wie eine Bank, die über kein Kapital mehr verfügt. Die sich übernommen hat.

Vania:      Oder aus Unkenntnis ohne Sachverstand handelt.

Lin:          Jetzt mischt auch du noch deine Karten in die Kritik auf, Vania.

Vania:      Da wo es nichts gibt, kann auch nichts gemischt werden. Ich habe mich entschieden. Ich habe Besen und Eimer genommen. Ich weiss, was ich damit tun muss.

Choelia:   Grosse Worte, die es nicht sind.

Vania:      Deine Bosheit beisst auch noch dann, wenn sie keine Nahrung mehr kriegt.

Choelia:   Wenn du schon von Eimer sprichst, dann kann ich nur sagen, dass wir alle im Kübel sitzen.

Vania:      Meine Aufgabe ist es, diesen auszuschütten.

Choelia:   Dazu bist du bestens ausgerüstet.

Lin:          Ihr redet von Kübel, ich von Gefängnis, in welchem ich sitze. Ich fühle mich wirklich, als sässe ich in so einem Kasten, der um mich gezogen wäre.

Vania:      Den hast du selber um dich gezogen.

Lin:          Habe ich dich gefragt, was du denkst?

Vania:      Die Zeit, in der du Fragen stellen kannst, ist vorbei.

Choelia:   Du darfst Lin nicht unterbrechen.

Lin:          Dumme Kuh! Wegen dir ist alles gescheitert. Weil ich auf dich gehört habe.

Choelia:   Du wolltest nicht auf mich hören. Daran ist alles gescheitert.

Lin:          Die Analyse spielt keine Rolle mehr. Mit dir stehe ich hier und höre an, was man mir sagt. Zwei Bänke stehen uns zur Verfügung, die aus Verpackungsmaterial bestehen, auf welche wir uns setzen können, wenn wir wollen. Das Material wurde noch immer nicht abgeholt.

Vania:      Sag vielmehr: Das nicht geleert wurde, als Senf und Seife noch bestand. Das tut jetzt nichts mehr zur Sache. An der Lage ändert es nichts. Setzt euch auf die nicht weggeräumten Bänke. Ich werde euch zum Abschluss der Geschichte ein Liedchen singen. Und unterbrecht mich nur nicht. Meinem Liedchen soll nicht das Schicksal von Senf und Seife blühen. Es soll erfolgreich zu Ende geführt werden. Ich habe einen Besen und einen Eimer dabei. Diese schlagen zum Lied den Takt. Gleichzeitig wird der Boden sauber, den ich aufwische – und so wird gleichzeitig jede Spur von Senf und Seife getilgt.

(Vania singt und wischt. Musik)

Das Leben ist ein Schrank

Voller Geschäfte

Und die Bretter brechen weg

Und die Leute fallen runter

Auf die Strasse

Schon wieder ging ein Laden

Unter

Gespiesst auf den Splittern

Einer Whiskyflasche

Wie auf den Spriessen des

Gebrochenen Bretts

Bist du nach dem Fall

Der Lade selber

Platt

Du rackerst dich ab

mit viel Elan

Du spürst den Dorn

In Rücken und Brust

Und spornst du dich an

Bricht das Brett

Weg

Im Trott der Taten Drang

Schaffst du flott

Du bist dir selber Gott

Schlammasselst im Wirkungsbereich

Deiner Lohnklasse

Bricht das Brett bist du

Tillt

Das war meine Geschichte

Erzählt in wenigen Versen

Und Akten ohne Glanz

Ich denke das Beste ist’s

Ich putz den ganzen Schmeiss einfach

Weg

Das Leben ist ein Schrank

Gespiesst auf den Splittern

Du rackerst dich ab

Im Trott der Taten Drang

Meine Geschichte endet

hier

Mit dem Wegwischen von Staub

Ist das Putzen nicht getan

Also endet mein Gedankengang

Nicht bei diesem Besen

Und auch nicht bei

Dieser Schaufel

Hier

Senf und Seife spül ich wohlgelaunt

einfach in den Spülstein

Und lass alle Geschäfte die

Niedergehen hochleben

Ein fester Tritt dazu

In den Hintern aller Geschäftstüchtigkeit

Fei !

Wenn ich kaputt gehen soll

Dann reiss ich den Laden mit

Arbeitslos und ohne Lohn

Vogelfrei und auf die Seite gestellt

Stellt sich mir die Frage:

Was wisch ich den Dreck hier

Weg

In der Wirtschaftswelt denkt

Jeder nur an sich selbst

Ob im Büro oder im Geschäft

Schwätz’s sich gut

Mein Schwatz bei Senf und Seife

War, das steh ich mir zu

Klug

Ich werfe Eimer und Besen weg

Und schau nach einem neuen Laden aus

Dessen Ziel mir Kacke ist

Solange der Lohn nur stimmt

Ich bring mich ein und halt mich raus

Getrimmt auf das was mir

Nützt

Die Zuversicht treibt mich

In das nächste Universum

Das ich Unternehmen nenne

Dort werd ich mich aufbahren

Wie ich es brav

Bei Senf und Seife

Tat

Das Leben ist ein Schrank

Geniess die Splitter in den Hintern

Du rackerst dich ab

Im Trott der Taten Drang

Wischst Staub weg und Senf

Und Seif auch dein Leben

Lang

Wenn ich kaputt gehen soll

Und die Wirtschaftswelt denkt

Ich werfe Eimer und Besen weg

Dann geh ich flott voran

Was geht mich das alles an

Auch wenn ich mir sage

Schon wieder ging ein Laden

Dicht

Wer schwach wird

Geht unter

Das schreib ich mir

Hinter die Ohren

Wer überleben will killt

Den Nächsten ohne Not

Das ist das freie Handeln

Des Freihandels Gebot

*

„Der Himmel hängt voller Whiskyflaschen.“ „Eine ist hier hängengeblieben.“

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