Teil 3

„Das fehlende E verrät uns.“ – „Eine nackte Flasche verrät uns nicht.“

(Auftritt Risotto, Rauch und Ratte.)d

Risotto :   Jetzt ist das was.

Rauch:     Wir sind aufgeboten.

Ratte:       Sind wir ausgehoben?

Risotto:    Wir wieder hier!

Rauch:     Deutet nichts Gutes.

Ratte:       Sah man uns,

Risotto:    Die Flasche verstecken?

Ratte:       Jetzt ist es aus.

Rauch:     Für uns.

Risotto:    Der Auftrag kost‘

Rauch:     Uns den Hals!

Ratte:       Den Auftrag

Risotto:    Nur

Rauch:     Haben wir erfüllt.

Ratte:       Mehr nicht.

Risotto:    Die Flasche steckt uns

Rauch:     Im Hals.

Ratte:       Wir werden daran

Risotto:    Ersticken.

Rauch:     Der Auftrag ist

Ratte:       Beschissen.

Risotto:    Was will er von uns ?

Ratte:       Zur Rede stellen.

Rauch:     Das wird eine Kacke werden.

Risotto:    Hätten wir nicht tun sollen.

Ratte:       Auftrag war nicht vom Chef.

Rauch:     Das ist unser Pech.

Risotto:    Hiess uns herkommen.

Ratte:       Wider

Rauch:     Willen

Risotto:    Wollen

Ratte:       Wir

Rauch:     Gekommen sein.

Risotto:    Die Flasche steckt

Ratte:       In der Lade.

Rauch:     Uns im Arsch.

Ratte:       Er kommt.

Risotto:    Schweigen wir?

Rauch:     Kein Wort.

Ratte:       Kein Gerede.

Rauch:     Keine Gebärde.

Risotto:    Keine falsche Vokabel

(Auftritt Lin.)

Lin:          Schön, dass ihr da seid.

Ratte:       Sind wir.

Lin:          Heute steigt hier ein grosses Fest. Ich muss wichtige Entscheide fällen.

Rauch:     Müssen wir.

Lin:          Ein grosser Tag ist also angesagt.

Risotto:    Ist er.

Lin:          Da muss alles zum Besten werden.

Ratte:       Wird er.

Lin:          Darum habe ich euch herbestellt.

Rauch:     Bestellt und abgeholt.

Lin:          Unterbrecht mich nicht die ganze Zeit. Denn es eilt. Da ist eine Sache, die mir gar nicht gefällt. In dem Raum ist ein fremder Geruch. Diesem muss ich auf den Grund gehen und ihr sollt mir dabei helfen. Vielleicht habt ihr es gemerkt: Die Luft ist nicht neutral. Mir ist, als nähme ich etwas Fremdes wahr. Hier riecht es nach Schnaps

Ratte:       Wi

Risotto:    Are

Rauch:     Are

Ratte:       Are

Rauch:     The

Risotto:    Champi

Ratte:       We Are Here einbestellt.

Risotto:    Nichts Champignons

Rauch:     Champions

Ratte:       Nichts da

Risotto::   Nichts Fabian.

Lin:          Was redet ihr da?

Rauch:     Wir hatten

Rauch:     Haben einen Auftrag zu erfüllen

Lin:          Das weiss ich. Dafür seid ihr da. Ich habe ihn noch gar nicht ausformuliert. Also hört mit eurem wirren Gerede auf.

Risotto:    Wir sind hier.

Rauch:     Was sollen wir tun?

Ratte:       Wir stehen bereit.

Lin:          Ja, jetzt Ruhe. Also, ihr seid da, um mir zu helfen. Hier riecht es nach etwas, das nicht hierher gehört. Ihr müsst dieser störenden Geruchsemmission auf den Grund gehen. Nichts mehr und nichts weniger. Hier muss sich irgendwo etwas mit Schnaps verbergen. Eure Aufgabe ist es, die Ursache zu finden. Hier stinkt es. Ich will aber klare Luft. Macht euch an die Arbeit und findet heraus, was da falsch in der Luft liegt. Senf und Seife sind es nicht. Etwas anderes mischt sich ein. Etwas Unstatthaftes liegt herum. Macht euch an die Arbeit und findet heraus, was es ist. Ich vertraue euch. Ihr macht immer gute Arbeit. Ich muss noch schnell hinüber und bin dann gleich zurück.

(Lin ab.)

Risotto:    Wir sollen finden,

Rauch:     Was wir versteckten,

Ratte:       Müssen,

Rauch:     Wir sitzen in der Patsche.

Ratte:       Tintenfrisch.

Risotto:    Wären selber gar fast

Rauch:     In den Topf gefallen.

Risotto:    Hät’sts fast gar aufs „E“ gebracht

Ratte:       Whiskey als Schnaps verkauft.

Rauch:     Whiskey und Whisky.

Ratte:       Stimmt.

Rauch:     Schreibt sich nicht gleich.

Risotto:    Den Patzer haben wir verpasst.

Rauch:     Er kam uns fast auf die Schliche.

Ratte:       Wegen dir.

Rauch:     Wegen mir?

Ratte:       Hät‘ noch gefehlt,

Rauch:     Dass wir

Risotto:    Wegen deinem Whisky

Ratte:       Auffliegen.

Risotto:    Das ging fast schief.

Rauch:     Wir reden zu viel.

Risotto:    Wir müssen handeln.

Ratte:       Die Flasche holen.

Rauch:     Brauchen nicht zu suchen.

Ratte:       Haben Sie gesetzt.

Risotto:    ‚S wird eine Feinarbeit.

Ratte:       Wer findet die Flasche?

Rauch:     Von uns dreien

Risotto:    Wird den Chef freuen,

Rauch:     Was wir gefunden haben,

Ratte:       In Laurens Garten.

Rauch:     Wird er uns glauben?

Risotto:    Trau’n dem, was wir sagen?

Ratte:       Stecken wir die Flasche

Rauch:     In eine andere Schublade?

Risotto:    Geht nicht,

Ratte:       Laurens Tisch riecht

Rauch:     Nach wi

Risotto:    Are

Rauch:     The

Risotto:    Woom woom

Ratte:       Schnaps

Rauch:     Am Boden.

Risotto:    Der Boden riecht.

Ratte:       Nach Schnaps.

Rauch:     Was sollen wir suchen,

Risotto:    Wo wir wissen,

Ratte:       Wo es ist?

Rauch:     Die Flasche hängt uns am Hals.

Risotto:    In der Schlinge haben wir den,

Ratte:       Wo wir wissen,

Rauch:     Der Finger

Ratte:       Abdruck

Risotto:    Auf dem

Rauch:     Flaschenhals wird uns

Risotto:    Verraten.

Rauch:     Erraten.

Risotto:    Was müssen wir tun?

Ratte:       Spurentilgung.

Rauch:     Was tun?

Risotto:    Wir schlagen die Flasche um.

Rauch:     Ersäufen DNA und Finger

Risotto:    Abdrücke

Ratte:       Im

Rauch:     Schnaps.

Risotto:    Du tust die Flasche um.

Rauch:     Dein Finger ist bereits drauf,

Risotto:    Verrät dich nicht,

Ratte:       Wenn du die Flasche nimmst.

Rauch:     Tu ich.

Ratte:       Ist die Flasche einmal genommen,

Risotto:    Wo stellen wir sie dann hin?

Ratte:       Wir alle drei sind Zeugen

Rauch:     Von der Lade,

Ratte:       In der wir die Flasche gefunden haben,

Risotto:    Versteckt haben.

Ratte:       Wir müssen den Beweis verstärken,

Rauch:     Noch mehr Schnaps ausschütten,

(Lin kommt.)

Lin:          Habt ihr den Schnaps gefunden?

Risotto:    Ja.

Ratte:       Haben wir.

Rauch:     Taten wir.

Lin:          Und, wo ist die Flasche?

Rauch:     In dieser Schublade.

Lin:          Dann macht sie schon auf.

Risotto:    Schieb sie auf.

Ratte:       Ich schieb sie auf und nehme sie.

(Er öffnet die Schublade. Lin blickt hinein)

Lin:          Hier ist gar nichts drin. Aber es stinkt gewaltig nach Schnaps.

Whiskey oder Whisky?“ – „Was ist unsere Identität?“

Risotto:    Wo ist die Flasche?

Ratte:       Verdampft.

Rauch:     Evaporiert.

Risotto:    Das ging daneben.

Lin:          Was ging daneben?

Rauch:     Der Griff in dir Schublade

Ratte:       Sie ist leer.

Rauch:     Die Flasche

Ratte:       Stinkt doch hier.

Risotto:    Wirt ragen mit.

Rauch:     Wir tragen mit

Ratte:       Fass

Risotto:    Fassung

Rauch:     Das Fass ist leer.

Ratte:       Die Lade

Risotto:    Schubst

Rauch:     Ist leer

Lin           Wo habt ihr eure Augen ?

Ratte:       Im Kopf.

Rauch:     Vorne.

Risotto:    Auf die

Ratte:       Schublade

Risotto:    Gerichtet.

Rauch:     Die Schublade,

Risotto:    Die untere,

Ratte:       Die Flasche

Risotto:    Steht

Ratte:       In der

Rauch:     Schublade

Risotto:    Dar unter

Ratte:       Darunter

(Lin öffnet die Schublade darunter)

Lin:          Das glaube ich ja nicht! Hier steht tatsächlich eine Schnapsflasche, geöffnet und angetrunken und etwas von der Flüssigkeit befindet sich auf dem Boden der Schublade. Das ist geradezu ungeheuerlich. Ich muss euch loben. Ihr habt gute Arbeit geleistet.

Ratte:       Ja.

Risotto:    Das haben wir.

Rauch:     Wir greifen wegen des Abdrucks,

Ratte:       Des Drucks

Risotto:    Der Finger,

Rauch:     Die Flasche gemeinsam heraus.

(Sie nehmen zu dritt die Flasche heraus und verschütten noch mehr Whisky.)

Rauch:     Wir haben den Auftrag erfüllt.

Ratte:       Wir sind des Lobes voll.

Risotto:    Des Stolzes voll.

Rauch:     Das ist toll.

Lin:          Was quatscht ihr da. Ihr redet einfach zu viel. Stellt die Flasche weg und geht.

Risotto:    Wir schieben davon.

Lin:          Ok geht.

(Rauch, Risotto und Ratte ab, nachdem sie die Falsche auf dem Tisch deponiert haben.)

Lin:          Ausgerechnet zu Lauren hat mich diese fürchterliche Bande geführt. Das hätte ich nie gedacht, ihr das nie zugetraut. Ich habe nichts bemerkt. Mich trifft es wie der Schlag aus heiterem Himmel. Wenn ich nur glauben könnte, dass es stimmt. Der Beweis steht aber auf dem Tisch. Der Tisch stinkt. Nun, für die Nachfolge habe ich bereits auf jemand anderen gesetzt. So ist das weiter nicht schlimm. Trotzdem, es tut weh. In meinem Laden trinken! Da ist ein Wurm drin, ich weiss gar nicht, was ich mit dieser Flasche beginnen soll. Sie stehen lassen? Putzen, die Spuren tilgen ? Jetzt kommen dann die Leute zum Fest. Ich werde Cans Nachfolger bekannt geben. Die Flasche muss –

(Jorun kommt rein)

Lin:          Die Flasche wurde hier gefunden.

Jorun :      Auf Laurens Pult.

Lin:          Im Pult.

Jorun:       Jemand wird sie dort vergessen haben.

Lin:          Sie war in Laurens Pult. Niemand wird sie dort vergessen haben.

(Vania tritt auf )

Vania:      Was ist denn hier los? Besäuft ihr euch vor dem Fest?

Jorun:       Die Flasche war in Laurens Box, sagt Lin.

Vania:      Das kann nicht sein.

Lin:          Sie war aber drin. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen.

Jorun:       Du hast zu viel Seife in den Augen. Der scharfe Senf, den wir nicht führen, verrät mir, dass an der Sache etwas faul ist; die stinkt, wie faule Eier, in den Himmel. Solche werden wir aber nicht in unser Sortiment aufnehmen, um die Sache zu klären.

Vania:      Das mit Lauren kann nicht stimmen. Dagegen spricht mein praktischer Sinn.

Lin:          Ich traue dem, was ich sehe.

Jorun:       Der Verstand war noch nie deine grosse Stärke. Wir wissen aber alle, dass du andere Qualitäten hast.

Vania:      Wir haben jetzt nicht die Zeit, Detektivspiele zu betreiben. Die Gäste werden bald kommen. Wir müssen den Raum herrichten. Am besten ist es, wenn wir die Flasche wegräumen und ich das Pult putze.

Lin:          Ihr zwei seid Zeuge, dass dieses Pult whiskyversehrt ist.

Jorun:       Ja, das will aber nichts heissen, was Lauren betrifft. Ich schlage darum vor, dass wir mit dem Waschlappen über die Sache fahren.

Vania:      Ich werde das Pult reinigen und die Flasche später wegschmeissen.

Lin:          Hier ist aber etwas gewesen. Diese Geschichte muss geklärt werden. Ich werde dem Fall nachgehen.

(Lin und Vania ab. Sie kommt zurück, reinigt den Tisch und Schublade und stellt die Flasche weit hinten auf einen Schrank. Jorun hilft dabei. Sie ändern die Aufstellung der Tische und schmücken sie zum Fest, während sie reden. Stellen auch etwas Aperitifgebäck bereit. Zudem Gläser und einige Flaschen mit Wasser und Fruchtsäfte in Getränkekartons.)

Jorun:       Das mit der Flasche war wieder ein schlechter Scherz, der voll und ganz zu Senf und Seife passt

Vania :     Ja, ein schlechter Bubenstreich und Lin macht ihn zu einer Majestätsangelegenheit.

Jorun:       Der Anschlag war gegen Lauren gerichtet. Sie trinkt nicht. Wir müssen nicht lange suchen, um herauszufinden, wer dahintersteckt. Die Sache trägt den Stempel des neuen Briefkopfs. Nur, wir müssen damit leben, dass Lin seine Zeit und Energie für überflüssige Nachforschungen und Aufwendungen vertut und die Augen vor der Wirklichkeit verschliesst. Das ist nichts Neues.

Vania:      Es ist wirklich überflüssig, was da passiert ist. Es glaubt ja kein Mensch, dass Lauren trinkt. Das ist genauso bescheuert wie die Verbesserung unseres Logos und Briefkopfes. Beides, auch zusammengenommen, werden den Verkauf nie ankurbeln. Es ist genauso verlorene Zeit wie die Sache mit der Aufklärung der Whiskyflasche. Es war alles inszeniert, und zwar schlecht. Das merkt man auf den ersten Blick. Es fehlt sogar das Glas, aus dem getrunken worden soll sein.

Jorun:       Es ist nicht das erste Mal, dass in diesem Laden ein solcher magischer Trick absolut versagt.

Vania:      Mit Seifenblasen kurbelt man kein Geschäft an. Die zerplatzen und hinterlassen keine Spur.

Jorun:       Du sagst es: Wir führen eine spurlose Buchhaltung. Alle Spuren, die einst als Konten angelegt wurden, lösen sich bei uns mit der Zeit wieder still und leise auf, als ob nichts gewesen wäre. Genauso wird es dem Whisky ergehen. Er wird sich brav zu jenen Ereignissen fügen, die ohne Nachwirkung bleiben.

Vania:      Mit Senf und Seife sind wir ausgerüstet. Damit lässt sich die bittere Vergangenheit nicht wegwischen. Es wird noch etwas dauern, bis sich hier etwas ändert. Dort kannst du noch einen Blumenstrauss hinsetzen.

Jorun:       Aus Plastik, wie immer.

Vania:      Der verdirbt nicht und kann wiederverwendet werden.

Jorun:       Einstweilen putzen wir beide die Spuren unseres Müssiggangs und die Zeichen der beständigen Verkaufsflaute weg, weil die Investitionen, die Senf und Seife tätigt, keinerlei Gewinn abwerfen. Mit der Qualität des Festes steht es nicht besser. Anstatt dass wir einen Cateringservice mit der Organisation des Festes beauftragen, legen wir, weil kein Gewinn vorhanden ist, selber Hand an und posten unsere Ware beim Discounter.

Vania:      Sparen ist angesichts des Zustands unserer Betriebskasse angebracht.

Jorun:       Wachstum würde uns gut bekommen. Wachs bietet sich an. Dieses hätte vermutlich sogar mehr Stehkraft als Senf und Seife.

Vania:      Die Stimmung im Geschäft wird dazu führen, dass Wachs nicht besser hält als Senf und Seife und angesichts unserer erhitzten Gespräche sehr schnell zerfliessen wird.

Jorun:       Du hast recht. Werden wir endgültig praktisch: Stimmt die Aufstellung der Tische?

Vania:      Es entspricht dem, was ich mir vorgestellt habe. Wir müssen den Schmuck auf den Tischen fertig verteilen. Die Gastgeschenke mit Senf und Seife sind im Schrank.

Jorun:       Wir müssen uns beeilen. Bald werden die ersten Gäste kommen. Wir können gespannt darauf sein, wer als erstes auftaucht: Angestellte oder Gäste?

Vania :     Sie werden alle kommen. Niemand will sich das Spektakel entgehen lassen, das zu erwarten ist.

Jorun:       Du sagst es. Wir sind ein spektakuläres Geschäft.

Vania:      Ich öffne schon mal die Tür, damit die Gäste hereinkommen können.

(Vania öffnet die Tür. Gast 1 und 2 kommen sehr bald herein.)

Gast 1:     Uns zur Ehre – der Rechnung der Firma zur Last! Das Geschäft zählt. Wir sind gekommen, die Einladung konnten wir nicht ausschlagen. Eine solche Einladung macht klar: Mit dem Betrieb geht es bergauf. Da wollen wir natürlich nicht hintan stehen, sondern wacker beim Aufstieg mithelfen, indem wir kräftig zugreifen.

Jorun:       Eine kräftige Hand können wir immer brauchen, besonders wenn sie beim Abräumen hilft, nicht der Konten selbstverständlich, sondern des Tafelgeschirrs, das wir nicht haben. Hätten wir es, dann würdet ihr uns auch noch dieses nehmen.

Gast 2:     Du bist dir gleich geblieben, Jorun, auch das ist ein gutes Zeichen für das Geschäft . Es zeigt, dass hier auch intelligente Gestalten überleben und nicht ausgewechselt werden.

Jorun:       Meine Aufgabe hier ist es bekanntlich zu verhindern, dass ihr uns alles stehlt.

Gast 1:     Wir holen uns nur, was uns zusteht.

Jorun:       So kann man es auch sagen, auch wenn es sich nicht mit der Wahrheit verträgt.

Gast 2:     Bei Senf und Seife und ihren Zudienern verhält es sich wie mit dem Unkraut und seinem Kompost. Eines liefert, das andere profitiert. Ich lasse die Frage offen, wer mit Unkraut gemeint ist und wer mit Kompost. Aus der Antwort aber leite ich die Erklärung ab, dass unser Verhältnis zu Senf und Seife absolut rechtens ist.

Jorun:       Viel gesagt in wenig Wahrheit. Von letzterer wird heute Abend nicht viel gesagt werden, auch wenn viele Gäste kommen.

Vania:      Greift schon mal zu und schwatzt euch nicht zu viel Geist an. Der Wein ist noch gar nicht aufgetischt

Gast 1:     Jetzt sind wir noch nüchtern und darum ehrlich. Sobald wir auf Ehren des Geschäfts genug aufgegossen haben, werden wir euer Haus ausführlich loben, damit der Herr des Gevierts uns noch mehr Wein serviert.

Vania:      Vorerst wird es Reden geben und danach ein Theaterstück und danach wird man sehen was für Senf und Seife noch drin liegt.

Jorun:       Wasser und Wein, wenn es gut liegt. Bei schlechter Post wird es heissen: Wasser oder Wein . Wobei das kürzere Wort den längeren zieht und gehen muss, auch wenn die Regel der Gastfreundschaft etwas anderes sagt. Senf und Seife folgt zuweilen merkwürdigen Gesetzen.

(Gast 3 Auftritt.)

Gast 3:     Gesetz des Falls, dass ich über diese Schwelle stolpere und mir dabei die Nase anstosse: Ist in dem Fall als Vorsehung bereits Seife auf den Boden geschmiert worden, sodass mein Nasenstoss gen Boden auf diesem abgleitet und mir hiermit keine Verletzung beibringt? Die trockenen Fliessen geben mir Antwort. Also schweigt. Ich heisse mich selber wie alle anderen herzlich willkommen, tu es selber, weil wir alle aufgrund unserer Anwesenheit unwillkommen sind. Solch garstiger Empfang ist bei Senf und Seife ehernes Gesetz. Auch heute Abend wollen wir es nicht zum Wanken bringen.

Jorun:       Das nenn ich einen guten Vorsatz. Wir bei Senf und Seife wissen deine Loyalität zu schätzen. Darum wurdest du übrigens auch eingeladen.

Gast 3:     Mehr habe ich gar nicht erwartet. Die Grosszügigkeit von Senf und Seife ist nicht klein zu kriegen. Was auswärts klein ist, wird hier gross. Die Seifenblase steht für die Grösse von Senf und Seife. Der Senf bringt es auf das richtige Niveau: eine Tellerbeigabe, die flach liegt und sich bestenfalls auf die Wurst streichen lässt. Nur gibt es in diesem Laden von dieser Wurst keine.

Jorun:       Nur nicht verzagt. Man kann sich überraschen lassen. Möglicherweise gibt es heute eine Wurst, auf die sich Seife streichen lässt. Senf und Seife ist für jede Innovation offen und, was sich für uns schickt, zu haben . Das für wenig Geld, wie ihr wisst.

(Auftritt Choelia )

Choelia:   Oh, ihr seid schon alle hier.

Gast 2:     Wir sind noch nicht alle. Es werden noch mehr kommen. Freut es dich ?

Choelia:   Wieso sollte es mich nicht freuen?

Gast 3:     Das ist eine Gegenfrage. Das verrät Klugheit. Du bist wortgewandt und zudem einfallsreich. Wir gehen vor dir wie immer in die Knie und schlagen sogar mit dem Kinn am Boden an.

Choelia:   Das nehmen ich euch nicht ab und verlange es gar nicht. Ihr seid jedenfalls willkommen. Hier ist schön eingerichtet, Vania.

Vania:      Jorun hat geholfen.

(Auftritt Kundin)

Müllertreu:     Eigentlich wollte ich gar nicht kommen und jetzt bin ich doch gekommen. Ich hätte es nicht tun sollen. Auch heute wird es mit euch nicht besser werden.

Jorun:       Heute wird nicht über das Geschäft gesprochen. Wir wollen feiern.

Müllertreu:     Was gibt es bei euch zu feiern ?

(Auftritt Josselin )

Josselin:   Hier läuft ja alles wie am Schnürchen. Das sieht sich gut an, echt. Und es ist schön, euch alle wieder zu sehen.

Gast 1:     Ja, fast wie ein Familienfest.

(Auftritt Lauren)

Gast 1:     Aha, der edle Geist von Senf und Seife hat seinen Auftritt.

Lauren:    Nur nicht übertreiben. Hier haben alle Geist.

Gast 2:     Nur ist nicht jeder Geist hier edel. Zuweilen und oftmals braucht es Edelstahl, um gegen Senf und Seife zu bestehen.

Jorun:       Hier wird nicht gepoltert und Seife zu Stahl und Senf zu edel gemacht.

Gast 1:     Edelstahl wäre ein Diamant in eurem Angebot.

Lauren:    Unser Senf ist bereits edel. Wir brauchen keinen neuen Diamanten. Diamanten sind zudem nicht fälschungssicher. Unser Senf aber schon.

Gast 1:     Na, siehst du, was habe ich gesagt: Hier beisst man auf Granit mit dem, was man sagt.

Gast 3:     Und ich stelle fest: Mit dem Wert der Metalle von Senf und Seife geht es rapide bergab.

Müllertreu:     Euch ist das Zeugs in den Kopf gestiegen. So hoch habt ihr die Preise angesetzt. Aber, wie man so über die Strasse hört, haben eure beiden Produkte die Bergab-Richtung eingenommen.

Jorun:       Nun, das hat es für sich. Seife besitzt nun einmal die sonderbare Eigenschaft, dass sie den Schüttstein hinab läuft, und Senf die Eigenart, dass er über die Speisen in den Magen hinab findet. Diese Eigenschaften vermag nicht einmal unser Unternehmen Senf und Seife bei den von uns vertriebenen Paradeprodukten zu ändern.

(Auftritt Lomo)

Lomo:      Hallo, ihr alle beisammen. Ich bin da – (wie zu sich selber:) Hier riecht es wirklich nach Whisky und das stark.– (Und wieder laut:) Habt ihr die Produktenpallette von Senf und Seife erweitert? Nein, das kann nicht sein. Das wäre, wie wenn man Wein in den Weltuntergang schütten würde. Der Wein wäre verloren und der Weltuntergang ginge mit. Abgesehen von diesem ganz poetischen Gedanken habe ich euch was ganz Vertrautes mitgebracht: einen ganzen Stapel nicht bezahlter Rechnungen für schlecht gelieferte Ware. Schlecht geliefert oder schlechte Ware – es kommt aufs Selbe heraus. Und das heisst: Ich bezahle diese Rechnungen nicht. Nun, habt keine Angst! Ich bin nicht da, um mit diesen Leuten abzurechnen. Das Zeugs habe ich sowieso bereits abgeschrieben. Ich meine damit nicht auf ein anderes Blatt. Solches tu ich nicht. Wenn was abgeschrieben ist, dann ist es endgültig die Spülung runter befördert. Nur in diesem Fall nicht. Denn ich habe die Blätter als Gastgeschenk für das heutige Fest mitgebracht. Ich habe den Stapel mitgenommen, weil ich ihn genau auf jenen Stuhl setzen werde, auf den ich mich setze. So dienen mir all die unbezahlten Rechnungen als weicher Sitz auf den harten Stühlen, die ihr uns vorsetzt. Auf diese Weise schone ich mein Sitzleder und ziehe gleichzeitig aus den buchhalterischen Aufzeichnungen von Senf und Seife einen Vorteil.

Müllertreu:     Sie können noch mehr aus dieser Scheisse ziehen als Vorteil. Die hier haben mich an einem Seil hinab gelassen in die finsteren Abgründe dieses Geschäfts. Es ist ein Skandal, wie die hier sich gegenüber treuen Kundinnen verhalten. Es ist ein Skandal!

Jorun:       Den Skandal können wir skandieren und dabei unsere Tatzen zum Tanzen takten. Der Tanz wird uns aber nicht dazu bringen, dass wir unsere Hühneraugen lieben werden. Die Urteile sind vorgefertigt und somit ist Senf und Seife abgefertigt und trotzdem starten wir ein Fest der Superlative, dass den Menschen in seiner tiefsten Tiefe packt.

Müllertreu:     Solange ihr nicht nach meiner Börse fasst, soll das Wort mit dem Feste gelten.

(Auftritt Lin)

Lin:          Aha, ein Spiegelbild der Gesellschaft hat sich hier versammelt. Senf und Seife findet sich überall, wo Menschen leben. Ohne Senf und Seife gibt es keinen Wohlstand. Versand und Verkauf tragen nicht nur zum Florieren der Gesellschaft bei, sondern selbstverständlich zu einem Geschäft, das blüht, wie das unsere. Mit jedem Senfbeutel, der unsere Gestelle verlässt, wächst Senf und Seife noch mehr. Seid mir darum alle herzlich willkommen, heute aber nicht zum Kaufen, sondern zum Feiern. Ihr seid auch alle hier, um unser ausserordentliches Geschäftsergebnis und natürlich das Neuste aus dem Hause Senf und Seife zu vernehmen.

Choelia:   Gut hast du das gesagt, Lin. Die Gäste sind gerührt.

Gast 2:     Ganz richtig, wie Seife, die zu Schaum geschlagen und anschliessend weggeblasen wird.

Jorun:       Heute ist ein grosser Tag. Wir müssen Lin brav zuhören. Er hat uns Wichtiges mitzuteilen.

Lin:          Nur nicht zu wild! Alles der Reihe nach. Als erstes muss ich, wie es sich gehört, die Gäste und die Mitarbeiter begrüssen. Vania, wie sieht das Programm aus?

Vania:      Als erstes die Begrüssung, dann das Theater und schliesslich die Bekanntmachung.

Lin:          Stimmt dieses Theater. Das kommt als Zweites. Ja, ein Theater ist angesagt. Es wird uns in das geheime Wirken von Senf und Seife einführen und ganz bestimmt unterhaltsam sein. Aber, zuerst, das ist ganz klar, muss die Begrüssung her. Für die sorge ich. Wie es so mein Naturell ist, werde ich mit meinen Begrüssungsworten nicht geizen –

Lomo:      Sondern sie zu einem riesigen Berg von Luftblasen aufbauschen, so dass nichts nach viel aussieht. Ich sage darum mit viel Bodenhaftung: Seid herzlich willkommen, meine lieben Freunde, Lin.

Lin:          Du hast mir meine Worte von den Lippen gelesen. Sie sollen für euch alle gelten. Die freundliche Scharmvorlage unseres liebsten Lomo hat mir das Willkommen vorweg genommen, das ich euch mit grosser Freude weiter leite. Ihr könnt euch, während ich weiter rede, bereits an unserem Buffet bedienen, das wir bereitgestellt haben.

(Gast 1 zu Gast 2)

Gast 1:     Das Senf und Seife-Extrakt sieht nicht gerade umwerfend aus. Es wurde vermutlich an Geist und Geld gespart.

Lin:          Derart gestärkt werdet ihr an unser Theater heran gehen können. Ich erhebe bereits mein Glas – Vania, ein Glas, bitte, ein volles, damit es nicht nach Nichts aussieht!

(Vania reicht Lin vom Buffet ein Glas.)

Lin:          Bedient euch. Hier herrscht heute Überfluss. Geistig und leiblich gestärkt werdet ihr das Theater, das hier aufgeführt werden wird, in seiner ganzen Tiefe und Dimension erfassen können. Ich stosse hiermit auf diesen erfreulichen Anlass an. Prost allerseits und Prost auf das Gelingen unseres Geschäfts, das wir alle miteinander eingegangen sind. Ich sage sogar: Pakt! Das wir gemeinsam angepackt haben! Es ist das beste, treffendste Wort für Geschäftsmodell, das uns alle verbindet. Es baut auf gegenseitigem Vertrauen auf.

(Gast 1 zu Gast 2)

Gast 1:     Er vertraut darauf, dass wir ihm nicht das ganze Buffet wegessen.

Gast 2:     Du hast recht. Er ist ein geschickter Geschäftsmann. Was wir übrig lassen, wird er uns anschliessend für teures Geld weiter verkaufen.

Lomo:      Ich bin zu Tränen gerührt, Lin. Ich gebe nach. Ich stelle meine unbezahlten Rechnungen zur Verfügung. Du kannst die aufs Buffet legen und sie als Servietten deinen Gästen zur Verfügung stellen. Sie sollen sich frei bedienen dürfen.

Lin:          Nicht doch, Lomo! Das Papier ist die Basis unseres Vertrauens in die Launen unserer Kunden. Darum stellen wir die Rechnungen schriftlich aus oder, wie das Sprichwort sagt, guter Freund: getrenntes Geld, die Freundschaft erhält – oder wie es sich sagt, nachdem ich die Worte durch die Mühlen meiner Hirnwindungen gedreht habe: Getrenntes Portemonnaie rettet die Freundschaft. Aus diesem guten Grund wickeln wir Budget und Bilanzen getrennt von den euren ab. Diese Praxis fördert auf beiden Seiten den Reichtum und bewirkt, dass wir hier alle mit strahlenden Gesichtern an dieser trauten Runde teilhaben können.

Choelia:   Du bist ein grosser Einschmeichler.

Gast 2:     Einseifer heisst das. Solches kann mit einer grossen Prise scharfen Senfs weggewischt werden.

Gast 3:     Nur führen sie hier keinen scharfen Senf. Das würde glatt das Geschäft zur Explosion bringen. Hier kochen sie lieber auf schwacher Flamme.

Lomo:      Etwas Pfeffer würde dem Laden aus der Halbflamme helfen.

Lauren:    Ihr seid eine ganz muntere Gesellschaft und an Ideen reich, wo wir künftig investieren sollen.

Lin:          Also, eben, ich komme zurück zur Begrüssung, die ich noch nicht abgeschlossen habe. Wie ich schon gesagt habe, ich wiederhole mich, ich heisse euch alle herzlich willkommen, aus ganzem Herzen und tiefster Überzeugung. Unsere Errungenschaften sind die gleichen wie vor einem Jahr. Aus diesem Grund will ich nicht an diesem Punkt verweilen, sondern vielmehr auf den Umstand hinweisen, dass es mit unserem Geschäft vorwärts geht. Davon zeugen die blühenden Gesichter der Angestellten.

Lomo:      Ja, Whisky-Gesichter scheinen mir die zu sein. Du sollst uns, Lin, endlich darüber aufklären, was es mit diesem penetranten Whiskygeschmack in eurem Laden auf sich hat.

Gast 1:     Metzgermeister, treib es nicht zu weit. Du deckst sonst noch die neuste Geheimwaffe von Senf und Seife auf, nämlich Whiskysenf. So etwas hat es noch nie gegeben.

Gast 2:     Der Welt stockt ab solcher Kühnheit der Atem.

Gast 3:     Und ich trag einen Klumpfuss davon. Das tönt ja ganz danach, als müsse ich mir in Zukunft mit Whisky in der Seife waschen. Hier werden sie es noch fertig bringen, dass man sich in Zukunft mit Whisky wäscht und Seife trinkt.

Choelia:   Was habt ihr nur mit dem Whisky? Wir wollen jetzt Lin anhören.

Lin:          So ist das. Ganz richtig. Ich befinde mich noch immer in der Begrüssungsansprache, zu deren Ende ich einfach nicht gelange, weil ich immer wieder von unserer begeisterten Kundschaft mit aufbauenden Vorschlägen unterbrochen werde. Ich weiss diese Äusserungen sehr zu schätzen und auch zu würdigen. Aber, bevor wir in die Zukunft blicken, müssen wir uns die Gegenwart vergegenwärtigen.

Lomo:      Mit fallen bei dieser Gelegenheit meine unbezahlten Rechnungen ein.

Lin:          Oh, Lomo, wir wollen uns jetzt nicht in Details verlieren. Ich denke im Moment vielmehr global und strategisch. Wenn wir aufgrund dieser, meiner Vorgabe in die Zukunft blicken, kann es mit Senf und Seife einfach nur noch vorwärts gehen.

Jorun:       Da bin ich ganz dieser Meinung. Unsere heutige Generalversammlung wird, so denke ich, ohne zu zögern, dem Antrag stattgeben, dass wir die Decke über uns einreissen, damit wir Spielraum gegen oben gewinnen. Das wird uns zu neuer Luft verhelfen. Und auf diese Weise kann es uns gelingen, die Leiter des Erfolgs zu erklimmen – und das über die Grenzen unseres Raums hinaus, weil wir im gegebenen Fall kein Dach mehr über dem Kopf haben, das uns auf den Kopf fallen kann.

Vania:      Heute ist keine Generalversammlung, sondern eine informelle Einladung. Merk dir das.

Lin:          Ich komme langsam zum Schluss meiner Ansprache. Ich denke, jetzt ist der geeignete, Moment, um meine Begrüssungsansprache zu beenden. Denn uns erwartet ein interessantes Programm. Vania, wo stehen wir in unserem Programm?

Vania:      Naftalin und Jerekonde kommen als nächste dran.

Müllertreu:     Was ist denn das? Sind das Medikamente?

Lomo:      Das ist recht kühn. Nach den Alkoholikern wagt sich Senf und Seife an den Pharamazeutikamarkt. Das ist ein guter Entscheid. Ich beginne für meine Rechnungen wieder zu hoffen.

Jorun:       Zwei Namen und schon sind wir gerettet. So einfach lebt es sich in der Schweinwelt von Senf und Seife, Soll und Haben.

Vania:      Bei Naftalin und Jerekonde handelt es sich um eine Theatertruppe.

Müllertreu:     Mein Gott! Was bedeutet denn das?

Lin:          Eine unterhaltsame Einlage für unseren Empfang.

Vania:      Lin hat angeordnet, dass ein Theater aufgeführt wird.

Jorun:       Selbstverständlich tut sich ein solcher kultureller Einschub in einem Geschäftsanlass immer gut. Wenn etwas Kunst eingekauft wird, hebt dies den geistigen Standard eines Unternehmens über die eigentliche Norm. Es ehrt das Haus und spiegelt Weltoffenheit vor. Ich weise darauf hin, dass niemand Senf und Seife einen Spiegel vorhalten kann. Das kann man erfolgreich nur bei sich selber bewerkstelligen. Diese Theatertruppe wird vermutlich auftreten, um uns selber zu zeigen, wer wir sind. Wobei ich anmerke, dass ich selber nicht weiss, wer mit diesem Uns gemeint ist. Jedenfalls begrüsse ich den Entscheid, dass die Theatertruppe uns ihr Können präsentieren kann, als eine gute Idee. Boshaftigkeit steckt nicht dahinter. Denn Senf und Seife will niemandem schaden. Nur sich selber.

Choelia:   Das stimmt sicher nicht.

Lauren:    Doch. Wir wollen niemand anderem schaden. Senf und Seife betreibt ein seriöses Geschäft.

Jorun:       Dieser Aussage widerspricht niemand. Das Theater wird nur Erfreuliches über Senf und Seif verbreiten. Davon gehen alle aus, auch unsere Kunden. Sie sind alle hier. Niemand hat unsere Einladung verschmäht.

Choelia:   Das ist doch ein gutes Ergebnis. Es schmeichelt unserer Geschäftsführung: Alle sind hier. Ihre Leistung wird honoriert.

Jorun:       Es ist ein ganz guter Entscheid, wenn wir jetzt das Theater auftreten lassen.

Vania:      Damit das Theater aufgeführt werden kann, müssen wir etwas Platz schaffen, und zwar im Zentrum des Büros.

Jorun:       Wir treten einfach zur Seite, dann ist es vollbracht.

Gast 3:     Sitzen sollen wir aber schon können während des Stückes.

Josselin:   Stühle haben wir genug. Ich schlage vor, wir stellen diese so auf, dass die Gäste in der ersten Reihe Platz nehmen können. Die Belegschaft nimmt mit Lin mit der zweiten Vorlieb.

Lomo:      Du hast im Organisieren ein Talent. Dir sollte die Ehre zukommen, Nachfolger Cans zu werden.

Josselin:   Bevor Can kam, herrschte in Senf und Seife eine rechte Tristesse. Er hat das Geschäft flott gemacht, soweit er konnte.

Jorun:       Er hat die Erbmillionen geadelt und Senf aus einem Geld gestützten Tiefschlaf gehoben. Das war ein Ding. Nun ist er ausgerutscht auf der Bahn, die ihn immer wieder an den Beginn zurückgeworfen hat. Das Geschäft mit Senf und Seife ist kein Honigschlecken. Unseren Produkten fehlt eine gewisse Süsse. Can lernte die bittere Seite von dem, was wir tun, kennen und dies bis in die letzte Konsequenz. Aber, wie es so schön heisst: Geschäft ist Geschäft. Ich denke, wir wollen ihm heute Abend kein Denkmal setzen. Die Zeit ist zu kostbar. Jeder hat sein Schicksal selber verdient, das er sich durch zu viel Geschäftstreue erwirkt hat.

Vania:      Das Künstlerpaar steht vor der Tür. Wir müssen unsere Terminvorgaben einhalten. Wir wollen unsere Gäste nicht verärgern.

Lin:          Ganz richtig. Der Vorschlag ist gültig.

Lauren:    Ja, machen wir vorwärts. Lasst uns die Stühle in die richtige Folge bringen: vorne die Gäste, hinten wir.

(Vania und Lauren stellen die Stühle um.)

Jorun:       Die Ordnung stimmt. So wollen wir uns doch setzen.

(Alle setzen sich. Die Gäste vorn, die Angestellten hinten, Lin in der Mitte.)

Lin           Das Schauspiel kann beginnen.

(Auftritt Naftalin und Jerekonde. Musik.)

.

Naftalin:         Der Mensch ist Dreck,

Jerekonde:      Solange er nicht am Stecken des Geldes hängt.

Naftalin:         Der Stecken lässt ihn aufrecht gehen,

Jerekonde:      Solange er nicht stürzt

Naftalin:         Und arm dann am Galgen der Menschheit hängt.

Jerekonde:      Wir dichten das Lied vom Spiel vom Stecken,

Naftalin:         Der in der Seife rührt.

Jerekonde:      Schaum aufschlägt und darin nicht stecken bleibt.

Naftalin:         Schaum hat nicht die Stärke vom Senf,

Jerekonde:      Den man sich hier erzählt.

Naftalin:         In dickem Senf stecken wir zwei nicht.

Jerekonde:      Wir gucken, was wahr war und

Naftalin:         Ist in dem Mist, den wir stechen.

Jerekonde:      Was wie Whisky juckt.

*

Naftalin:         Uns heisst man aufrecht gehen.

Jerekonde:      Des Chefs Auftrag Befriedung zu schaffen.

Naftalin:         Abstecken, was in Senf und Seife steckt.

Jerekonde:      Des‘ gegenwärtig tragen wir ins Jetzt was wahr,

Naftalin:         Holen aus Truhen, Schachteln und Schubladen,

Jerekonde:      Den Schub, der Senf und Seife vor sich her karrt.

Naftalin:         Reibkäse wäre unsere Botschaft.

Jerekonde:      Wenn es Käse gäbe.

Naftalin:         Senf und Seife verdienen jedoch Trunk,

Jerekonde:      Schabernack und Trug

Naftalin:         Den ganzen Tag.

*

Lomo:      Ich wusste doch, dass da etwas in der Luft liegt, das nicht nach Senf und Seife riecht.

Gast 2:     Der Laden verfügt über ein grösseres Angebot als das, was uns Lin einseift. Wir wollen weiter hören, was uns die lustigen Beiden zu sagen haben.

Naftalin:         Der Tag bricht an. Unser Tag

Jerekonde:      Nach lang durchforschter Nacht.

Naftalin:         Wir stiegen durch Schubladen,

Jerekonde:      Intrigen und Seifenlaugen.

Naftalin:         Unser Haar ist ganz

Jerekonde:      Nass! Und nicht rein und sauber kriegen wir es nicht.

Naftalin:         Wieviel Seife und Senf auch hinein wir schmieren.

Jerekonde:      Und kräftig unser Haar dann filtern und sieben.

Naftalin:         Es will nichts Ehrliches daraus werden.

Jerekonde:      Solange wir in Senf und Seife waten und staken

Naftalin:         weitet sich unser Topf, der Kropf,

Jerekonde:      Wächst weiter der Machenschaften Schrott.

Naftalin:         Weh weh Whisky.

*

Naftalin:         Die Nacht geht, das Tag’Licht leuchtet.

Jerekonde:      Wachsend, gemächlich die Wahrheit,

Naftalin:         Spärlich und allmählich dringt’s an den Tag,

Jerekonde:      Was Senf und Seife nicht sagen mag.

Naftalin          Mager klingt’s, was naseweis am Kunden

Jerekonde:      Vorbei! Als Talglicht heiter weiter leuchtet,

Naftalin:         Seifenblasen voll gestärkt, gewirkt als Spuk,

Jerekonde:      Als heiliges Versprechen, gewinndezimierend

Naftalin:         Harrt’s in der Flasche. Und, zur Eruption

Jerekonde:      Gebracht, alles versaut. Das Geschäft geht hops.

Naftalin:         Das Geschäft geht flopp und hopp

Jerekonde:      Und keiner hält das Schiffchen auf.

*

Naftalin:         Der Senf von der Geschichte, die wir erzählen,

Jerekonde:      Bleibt in der Seife stecken, die wir gerührt.

Naftalin:         Dick kommt die Lüge daher, dick wie eine Wand,

Jerekonde:      Durch welche nichts hindurchschaut auf die Wahrheit.

Naftalin:         Wer wie wo und warum Whisky verwerflich gedacht,

Jerekonde:      Zum Narren gemacht den Herren des Hauses.

Naftalin:         Kampf dem Grafen Lin!

Jerekonde:      Whisky olè

*

Lomo:      Na, das sag ich doch. Mit dem Whisky in der Luft stimmt irgendetwas nicht.

Müllertreu:     Und auch mit der Sprache, die die da reden.

Jorun:       Das ist Poesie.

Müllertreu:     Meinetwegen. Aber ich verstehe trotzdem nicht, was sie sagen wollen. Und dann sagen die noch etwas von Olé. Niemand versteht warum.

Lomo:      Ganz richtig: Whisky. Poesie. Diese Stichworte entsprechen ganz dem, was in dem Geschäft abgeht: Undurchsichtig, unverständlich und abstrus.

Lin:          Ich schlage vor, wir hören uns weiter an, was die Truppe sagen will.

Gast 2:     Wird auch ein Heidengeld gekostet haben.

Lin:          Wir hören weiter zu, auch wenn es einigen nicht passt. Das Stück ist bestellt und bezahlt. Führt bitte die Vorstellung weiter.

Naftalin:         Der Senf vom Geruch des Skandales frisst die Seife weg.

Jerekonde:      Die Seife vom Ruf des Senfs schmilzt steil bergab.

Naftalin:         Und Schicht für Schicht schlittert das Geld

Jerekonde:      Die Regale hinab. Die Lehren der leeren Regale

Naftalin:         Schiebt Lin vor sich her, verkehrt die Welt des Wirtschaftens:

Jerekonde:      Schlägt Schaum aus dem Senf und beizt die Seife

Naftalin:         Bläht auf seine Jurte, reinigt das Feld.

Jerekonde:      Und doch steht die Flasche, von Choelia gestellt,

Naftalin:         Noch immer an ihrem Platz.

Choelia:          Ich habe nichts gemacht.

Jerekonde:      Wicke, wick‘ den ausgeschütten‘ Whisky

Naftalin:         Wickle das Band der Wahrheit um die leere Flasche

Jerekonde:      Die reale Tat verwirkt der Realität Richtigkeit

Naftalin:         Davon geflossen ist das Nass, geblieben das Glas.

Jerekonde:      Whisky ade.

*

Jerekonde:      Geister gehen kauzig, krumm und kurz

Naftalin:         In dem Hause aus und ein und haschen

Jerekonde:      Nach der Flasche. Stellen Flaschen dort und hier und hin

Naftalin;         Lauren ist ein böses Weib. Hey, wie Choeliens Düfte

Jerekonde:      Senf und Seife schalkhaft niederziehen.

Naftalin:         Und wir tanzen, tanzen um die Whiskyflasche

Jerekonde:      Und jauchzen, jauchzen auf der Whiskybar.

Lin:          Das ist ein wunderschönes Stück. Aber übertreibt es nicht, sonst verliert es an Gehalt.

Jorun:       Ich denke, es ist in ganz würdiges Stück. Es hat viel Poesie und auch einen deutlichen Bezug zur Wirklichkeit.

Lomo:      Der Meinung bin ich auch. Es riecht hier einfach nach Whisky. Und das meine ich nicht poetisch.

Lauren:    Mich überrascht, dass ich in diesen Versen genannt werde.

Choelia:   Vom Anfang bis zum Ende ist das nichts anderes als eine Spintissiserei. Und der Wahrheitsgehalt ist mit zu viel Whisky gefüllt.

Gast 1:     Ich habe einmal gehört, dass die Wahrheit auf dem Grund der Gläser liegt. Ich schlage darum vor, dass wir das Glas leer trinken und das Stück zu Ende hören.

Lin:          Also, ich denke, dass wir uns noch eine weitere Strophe anhören. Das sollte genügen. Es war sehr unterhaltsam und alles bedarf eines würdigen Abschlusses. Und darum denke ich, braucht es noch eine Strophe, damit der Abschluss gelingt und das Stück würdig begraben werden kann. Das Grab diene als Sinnbild dafür, dass es einen angemessenen Abschluss gegeben hat. Bitte, ihr habt wieder das Wort.

Naftalin:  Wir werden ständig unterbrochen und können nicht richtig spielen.

Jerekonde:      So war das nicht vereinbart.

Lomo:      Ganz richtig. Ihr habt recht. Verträge müssen eingehalten werden. Lin soll für diese Unterbrüche zahlen. Er lässt die Unterbrüche zu und zerstört auf diese Weise das Kunstwerk, das ihr geschaffen habt. Dafür muss Lin zusätzlich zur Kasse gebeten werden. Es ist abscheulich! Lin will uns in der guten Tradition von Senf und Seife ein malträtiertes Epos servieren. Und so etwas soll ich goutieren. Es schmeckt wie Senf und Seife – nicht das, was ihr bietet, sondern was Lin vollbringt. An eurer statt würde ich das Stück weiterführen, denn es steht weit über Senf und Seife, auch wenn zu befürchten ist, dass es Senf und Seife nicht in den Schüttstein hinab schüttet, was in der Sprache der Finanzwelt heisst: Einen würdigen Konkurs erlaubt, damit in meinem Rechnungswesen endlich Klarheit herrscht und ich nicht mehr Schimären nachjagen muss. Ich glaube, wir sollten nicht weiter dahin reden, sondern sagen: Fahrt fort mit der Darbietung. Sie ist köstlich.

Naftalin:  Sofern man uns weiterspielen lässt.

Lin:          Dafür ist gesorgt. Ihr könnt weitermachen.

Naftalin:         Das ist schön.

Jerekonde:      An dem Ort verliert man ja ganz seine Seife, auf der man weiterglitschen kann.

Naftalin:         Wir sind da, um unseren Senf dazu zu geben.

Jerekonde:      Wir müssen den rechten Vers finden, der uns weiterführt.

Naftalin:        Und der heisst:

Naftalin:         Das Tafelgedeck steckt im Dreck, aus diesem hinaus

Jerekonde:      Führt eine lange Leitung. Wer hält das End‘ in der Hand?

Naftalin:         Leinen los! lässt Lin lustig verkünden.

Jerekonde:      Das Schiffchen Senf und Seife segelt davon,

Naftalin:         Hinan auf eine Klippe los. Die Landung ist garstig

Jerekonde:      Wir wischen mit Senf und Seife die Resten

Naftalin:         Von Senfseif von den Klippen ab, kappen die Leinen

Jerekonde:      Es sinkt das Schiff vom Riff und ruft:

Naftalin:         Whisky ahoi!

Lin:          Ja, das war wunderbar gereimt. Ich muss sagen: Kultur tut gut. Die Schauspieler verdienen Applaus und können dann gehen.

Gast 2:     Sie sehen nicht danach aus, als wollten sie sich von uns verabschieden.

Gast 1:     Stimmt, sie machen vor Lin keine Bücklinge.

Jorun:       Ich meine, dass sie eine Extension verdienen. Dazu braucht es keine Erlaubnis von irgendwo her. Die erweiterte Ausgestaltung eines Themas gehört zum Theater wie zu einem Konzert das Bis.

Vania:      Das hier ist kein Konzert.

Jorun:       Musik hat sie begleitet.

Müllertreu:     Es hat Musik.

Lomo:      Ich finde den Auftritt köstlich. Er wirkt bei mir im Verstand wie Senf, der die müden Zellen weckt.

Choelia:   Ich denke, die müssen enden.

Gast 3:     Ganz richtig, und zwar mit der nächsten Strophe. Wir Gäste gewähren ihnen diesen Bonus. Senf und Seife will, davon gehe ich aus, die Kundschaft nicht vergraulen wollen.

Jorun:       Wir wollen selbstverständlich keine Kunden verlieren. Es liegt darum im Geschäftsinteresse, dass die nächste Strophe vorgetragen wird.

Naftalin:         Die Stunde Null guckt aus Ritzen hervor,

Jerekonde:      Zwischen den Brettern, die Senf und Seife tragen.

Naftalin:         Nur nicht fragen! Nur nicht fragen, was die Bretter tragen.

Jerekonde:      Lug, Trug und Fug! Was unternehmen wir zwei?

Naftalin:         Wir singen eins, zwei, drei, die Leier gekonnter

Jerekonde:      Geschäftsführung! Verteilen Whiskyflaschen

Naftalin:         Bohnern mit Whisky den Boden

Jerekonde:    Mit dem Lügengetränk. Whisky on the Lie.

(Naftalin und Jerekonde ab)

Lomo:      Das ist ein gutes Geschäftsargument: Whisky on the Lie! Den finden wird heute überall in der Handelshäusern. Mich nimmt es aber doch wunder, welches die Bestandeile des Getränks sind, das hier so seltsam riecht und den Geist beflügelt. Kann es sich um einen Original-Whisky handeln, der missbraucht wurde?

Gast 3:     Hut ab! Einen derart authentischen Lügenwhisky, wie er auf der Hand liegt und sich im drolligen Lustspiel zusätzlich selber enttarnt, kriegt man nicht jeden Tag serviert. Der Whisky hält im Grunde, was er als geistiges Getränk verspricht. Nur bei Senf und Seife erhält er jedoch einen süffig-fidelen Nebengeschmack, der ihn von seinen Brüdern kraftvoll unterscheidet, die an anderen Orten aufgetischt werden.

Gast 1:     Dieser Whiskyvariante müssen ganz schmackhafte Gewürze beigefügt worden sein, damit die von Senf und Seife auf diese Flasche herein gefallen sind und sie in das Angebot aufgenommen haben. Gerüche wie von Orchideen, die in grosser Schönheit ihre Fallen aufstellen, in welchen wir dann unsere Köpfe stecken, so dass wir sie dann verlieren. Das Gebräu wird uns als wirklicher Whisky verkauft. Was aber wirklich dahinter steckt, wissen wir nicht. Der Saft soll uns aber nur nicht zum Maiglöckchen werden, zur Herbstzeitlosen, die man uns als Bärlauch auftischt. Davor seid gewarnt, ihr hier von Senf und Seife.

Lin:          Wir wollen niemanden vergiften und auch niemanden in einer Whiskyflasche ertränken. Mir ist zudem überhaupt nicht klar, warum an diesem Anlass ständig von Whisky gesprochen wird. Dazu gibt es keinen Grund.

Lomo:      Wenn du, Lin, das sagst, dann hat es Hand und Fuss wie bei einer Schlange, die beides nicht braucht, um sich fort zu bewegen; hat es seinen Grund, den wir Kunden gar nicht wissen wollen, denn er ist gelogen. Aber, wenn du schon am Reden bist, dann verkünde uns den nächsten Programmpunkt, der voraussichtlich nichts mit Whisky zu tun hat. Auch wenn die Flasche brav ihren Beweis steht, ihren Geruch aussendet und unsere Geschmacksnerven anregt. Was kommt als Nächstes?

Lin:          Vania, bitte.

Vania:      Es folgt die Verkündigung der Nachfolge Cans. Anschliessend werden die Geschenke an die Gäste verteilt, und danach ist vorgesehen, dass sie gehen.

Lin:          Wunderbar. So will ich mich ans Werk machen und keine Zeit verlieren.

Gast 2:     Um den Namen zu erfahren, sind wir überhaupt her gekommen. Wir wollen doch die Zukunft von Senf und Seife nicht verpassen.

Gast 3:     Wir kennen unsere Pappenheimer. Senf und Seife wird nicht über seinen Schatten springen.

Gast 1:     Auch ich gehe nicht davon aus, dass es in diesem Geschäft einen Adrenalinschub geben wird, was die Geschäftstüchtigkeit betrifft.

Müllertau:       Herr Lin, nun sagen Sie schon, wer wird Cans Nachfolger?

Jorun:       Wer die Nachfolge Cans antritt, der wird ein schweres Los haben. Er wird nicht gegen die Konkurrenz anzukämpfen haben, sondern gegen das eigene Geschäft, Lin.

Lomo:      Ich will gar nicht in die Finessen dieser Firma eingeweiht werden. Ich bin nur zur Belustigung hierhergekommen. Die Wertpapiere, die ich mitgebracht habe und die nicht mehr wert sind, als Lins Seife und Sand, werde ich nicht als Pfand, sondern als Brautgabe an Cans Nachfolge weitergeben. Diese Person soll die Scheine in Altpapier verwandeln und entsorgen. Das gleiche wünsche ich Senf und Seife aus meinem Innersten. Das Geschäft soll zu Kompost prosperieren, der sich unter die Erde kehren lässt und als frischer Humus Neues wachsen lässt. Auf diese Weise würde Lins Erbe wenigstens auf diese Weise fruchtbar.

Lin:          Das ist von dir wie immer gut gesagt.

Lomo:      Ich denke, wir kommen jetzt zum nächsten Programmpunkt. Vania, wie hattest du soeben gesagt?

Vania:      Das ist bereits Traktandum drei. Nach der Begrüssung und dem Theater folgt die Bekanntgabe der Nachfolge Cans.

Lin:          Stimmt. Ich denke, dazu ist es sinnvoll, dass wir die Sitzordnung ändern. Ich denke, dass wir die Stühle auf diese Seite des Raumes gruppieren. Ich stehe dann drüben, gegenüber. Dies ergibt eine vertikale Struktur meines Auftritts und unterstreicht dessen Bedeutung. Ich stehe euch gegenüber. Auf diese Weise wird mein Autorität unterstrichen. Wir können natürlich Zeit gewinnen, indem wir schon gar nicht absitzen, sondern ich euch die Neuigkeit stehend verkünde.

Müllertreu:     Es ist mir völlig egal, wer die Nachfolge Cans antritt. Wenn nur die Ware, die ihr mir liefert, stimmt, bin ich zufrieden.

Gast 2:     Jaja, machen wir das kurz und bündig mit der Abfolge der Hierarchie und der Vertikalen von Senf und Seife. Da kannst du, Lin, noch so viele vertikale Befehlspflöcke in den Boden deines Geschäfts rammen, wie du willst: Die Befehlsstruktur, welche dazu führt, dass der Service des Ladens, der unter aller Hunde ist, auch wenn ihr keine Hunde verkauft, wird sich nicht verbessern. Das Geschäft braucht einen neuen Chef, nicht einen souveränen Unterbau. Angesichts der Qualität des Produkts musst du, Lin, klacksen und nicht in der Befehlsstruktur klecksen.

Lin:          All diese guten Ratschläge sind mir hochwillkommen. Aber um eine Hierarchie komme ich nicht herum. Es braucht eine klare Struktur. Sie dient auch den Kunden. Denn diese wissen, an wen sie sich gegebenenfalls wenden können. Klare Strukturen gehören mit zum umsichtigen Führen eines Geschäfts. Also, ich denke, dass wir nach diesem klärenden Gespräch umgehend zur Verkündigung der Nachfolge Cans schreiten können. Der Entscheid ist von hohem Wirkungsgrad.

Gast 1:     Bis jetzt aber ohne Wirkung, weil der Name noch nicht bekannt geworden ist.

Gast 3:     Ich bin auch der Meinung, dass er jetzt bekannt gegeben werden muss und dieser Senf und Seife nicht aus den Fundamenten lupft. Das Gebäude steht schon längst sehr wackelig.

Lin:          Meine Damen und Herren, keine Sorgen sollen uns plagen. Dafür stehe ich ein. Wir stehen fest auf dem Boden der Alchimie, die Senf und Seife nachhaltig zusammenfügt. Dafür sorge ich. Wir haben festen Grund, um im Kampf gegen die Konkurrenz zu bestehen. Ich kann auf die besten Leute zählen, die der Markt bereit hält. Diese habe ich bereits angestellt. Darum ist es nicht leicht, aus dieser erlesenen Auswahl die beste Kraft zu bestimmen. Aber ich weiss, dass ich allerseits ausgezeichnetes Vertrauern geniesse. Frischen Mutes und zuversichtlich habe ich mich darum dem Auswahlprozedere gestellt. Nicht das Angebot geeigneter Kandidatinnen und Kandidaten, sondern das Vertrauen, das ihr in mich setzt und das ich zu schätzen weiss, hat mich befähigt, den richtigen Entscheid zu fällen. Nach dieser kurzen Anrede komme ich nun zum bedeutendsten Moment dieser Zusammenkunft. Vania, kannst du mir ein Glas Wasser bereit stellen. Das viele Reden trocknet meine Kehle aus.

(Vania bringt das Glas. Lin wartet und trinkt dann.)

Gast 3:     Seifenwasser wäre dir besser bekommen. Das benamste Wasser würde dir wie Lauge durch die Kehle fliessen und diese von allen Unreinheit befreien.

Gast 2:     Dessen bin ich mir nicht so sicher. Schmierseife würde dazu führen, dass Lin auf seinen eigenen Worten ausrutscht und sein Senf auf einmal, tiefgefroren, ganz einfach zur Glatteis würde. Unser liebenswerter Senf und Seife-Meister läge auf einmal da, als ob er auf seinem Eis zu Fall gekommen wäre.

Lomo:      Darum musst du in den Salzhandel einsteigen. Salz schmilzt das Eis weg, das du dir selber legst.

Gast 2:     Tu es nicht, Lin! Salzwasser in deiner Kehle wird dich noch zusätzlich aus dem Konzept bringen. Gax endlich den Namen raus. Wir stehen unter Hochspannung.

Lin:          Salz und Wasser gibt es schon lange. Ich will nicht dem Meer zur Konkurrenz werden, sondern mich wirklich meiner Hauptaufgabe von heute zuwenden. Zuerst steht aber die Würdigung Cans an. Er hat wirklich alles gegeben für das Geschäft, alles.

Lomo:      Ja, ganz richtig: alles, wie die undisziplinierte Kundschaft bemerkt. Aufgrund seines Zusammenbruchs auch seinen Job. Sein Leben hat er uns aber nicht gelassen.

Müllertreu:     Was sagt er da?

Gast 3:     Er würdigt Can und uns Kunden.

Müllertreu:     Auf diese Würdigung kann ich verzichten.

Gast 2:     Er würdigt Can.

Müllertreu:     Wenn er das kann.

Lin:          Ich danke ihm für die hervorragende Arbeit, die er für Senf und Seife geleistet hat. Er wird mir, uns immer in guter Erinnerung bleiben.

Gast 1:     Hoffentlich nicht auf dem Sekel.

Müllertreu:     Nur das nicht. Das ginge garantiert zu unseren Lasten. Finanziell. Wir müssten noch mehr für den Senf zahlen, als wir es schon tun. Und die Seife gibt es auch nicht gratis.

Lin:          Die Würdigung Cans führt zu keiner Erhöhung des Preises von Senf und Seife.

Lomo:      Aber wohl die Einführung der Nachfolge Cans.

Lin:          So weit bin ich noch nicht. Ich meine, die Bekanntgabe der Nachfolge Cans, obwohl ich mich diesbezüglich bereits entschieden habe. Cans Leistungen habe ich bereits heraus gestrichen und mit bleibt nur noch, dem grossen Abwesenden ein weiteres Mal für die geleisteten Dienste zu danken. Herzlichen Dank. Nach reiflicher Überlegung und eingehender Prüfung bin ich zum Schluss gekommen, dass Cans Nachfolge umgehend zu bestellen ist. Senf und Seife erträgt es nicht lange, ohne eine gesunde Struktur da zu stehen, ohne eine überzeugende Führung.

Lomo: Lin, das ist ein Eingeständnis. Überzeuge uns, dass das Neue besser sein wird als das Alte.

Lin:          Ich habe mich darum mit meinem Entscheid beeilt, ohne es aber an der nötigen Sorgfalt fehlen zu lassen. Ich habe die Angelegenheit studiert. Der vertiefende Einblick in die Abgründe des durchgefeilten Organisationssystems des Unternehmens Senf und Seife verpflichtet mich geradezu , die Chance zu ergreifen und einen grossen Schritt zu tun. Mit der neuen Führung wird Senf und Seife vorwärts eilen und, ich will nicht sagen: die Grenzen des Herkömmlichen sprengen, aber doch im Rahmen des Möglichen neue Zeichen setzen. Ich will nun einen weiteren Eckpfeiler in die Erfolgsgeschichte von Senf und Seife einschlagen und nicht mit Worten die Zeit vertun, sondern klipp und klar erklären, warum ich den Entscheid, den ich noch kundtun werde, gefällt habe. Ich halte mich kurz. Angesichts der Umstände, dass die Lage nach schnellen Taten verlangt und keinen Aufschub gestattet, spricht es für sich, dass ich tranchieren muss, natürlich ohne dabei jemanden zu verletzen oder auch nur die Empfindlichkeit einer Empathie anzuritzen. Deswegen habe ich entschieden, dass ich sehr schnell zu einem Entscheid kommen muss angesichts der Tragweite, welche der Beschluss, den ich zu verkünden habe, mit sich bringt. Ein noch längeres Hinhalten der Bekanntgabe meiner Beschlussfassung rechtfertigt sich nicht und auch nicht aufgrund der Transparenz, welche Senf und Seife garantiert. Darum eilt es und ich darf mich nicht in weiteren Worten verlieren, mich in Erörterungen ergehen, warum ich gerade diesen Weg gehe, indem ich bestimme, wer die Nachfolge Cans antreten wird.

Müllertreu:     Das ist sehr viel geschwatzt. Ich muss noch dringend einkaufen gehen. Ich hoffe, dass es hier endlich zu einem Ende kommt. Also machen Sie ihre Worte schon mal dichter, damit etwas Konsistentes rauskommt, Herr Geschäftsführer.

Lin:          Ich –

Müllertreu:     Ich verliere meine Zeit hier. Vom Geld will ich schon gar nicht reden.

Lomo:      Wiege deine Worte nicht zu schwer auf Lin. Sie sind ohne Gewicht. Du könntest mit deinem Entscheid möglicherweise kein Gegengewicht zum Gewicht deiner Worte bilden und auf diese Weise den Ausgleich zwischen Bedarf und Schaumschlag schaffen.

Gast 2:     Ich bin auch der Meinung, dass es mit dem dummen Gerede zu einem Ende kommen muss.

Lin:          Ich will die Geduld meiner Gäste nicht strapazieren und verkünde hiermit einfach frisch und frei den Namen Choelias. Die Wahl ist auf sie gefallen.

Jorun:       Oh du mein Gewürg. Das Eigelb ist neben das Eiweiss gefallen.

Gast 1:     Darum ging es so lange, bis du den Namen hinaus gegackst hast.

Gast 3:     Die lange Rede gebar einen kurzen Sinn.

Müllertreu:     Ich muss gehen, die Geschäfte rufen. Wenn etwas nicht geliefert wurde, trug der Auftrag immer den Namen dieser Dame.

(Müllertreu will gehen.)

Vania:      Einen Moment noch, Frau Müllertreu. Sie erhalten ein Geschenk.

(Müllertreu wartet an der Tür.)

Lomo:      So weit ich den Einblick in den Laden habe, muss ich sagen, dass du den Entscheid gefällt hast, ohne an die Zukunft zu denken. Das heisst, ohne es an der mangelnden Sorgfalt fehlen zu lassen. Ich muss gehen. Ich habe anderweitig zu tun.

Lin:          Nur einen kleinen Moment noch. Es gibt ein Geschenk. Vania, wie heisst der Programmpunkt vier – oder fünf?

Vania:      Geschenkübergabe und Verabschiedung der Gäste.

Gast 3      Da braucht es keine Verabschiedung. Die verabschieden sich von selbst.

Lin:          Stimmt genau. Das mit dem Programmpunkt. Vania hat einen schönen Geschenksack bereit gestellt. Für jeden unserer Gäste einen. Ich denke, du gibst mal einen Frau Müllertreu. Sie hat es besonders eilig. Sie muss noch Einkäufe erledigen.

(Vania holt die Säcke hinter einem Pult hervor, übergibt einen Frau Müllertreu.)

Vania:      Bitte, es macht uns grosse Freude, Ihnen diesen Geschenksack zu übergeben.

Müllertreu:     Ich nehme den Sack. Es wird sich sehr wahrscheinlich Wegwerfware darin befinden.

(Müllertreu blickt in den Sack.)

Müllertreu:     Stimmt, Senf und Seife vom Vorjahr, die nicht ausgeliefert wurden. Wenigstens kostet es nichts, wenn ich den Sack entgegen nehme.

(Müllertreu ab.)

Vania:      Herr Metzgermeister, auch für Sie habe ich einen Sack.

Lomo:      Es wurde Zeit, dass ich gehen kann. Ich hoffe, dass es da drin nichts Scharfes hat, wie ein Getränk, das hier im Raum schwebt und uns vermutlich das Hirn vernebeln soll; das in der Kehle brennt, wenn ich es schlucken muss.

(Lomo blickt in den Sack.)

Lomo:      Ich guck in den Sack und stelle fest: Es ist, als ob eine Bank ihren treuen Kunden Banknoten schenkt, die nicht mehr von Wert sind.

(Lomo ab.)

Vania:      Es bleiben mir noch drei Geschenktüten. Die übergebe ich euch.

Lin:          Ich danke vielmals fürs Kommen.

Gast 1:     Was soll ich machen? Ich muss das Geschenk entgegen nehmen. Ein Trostpreis. Hier verdient keiner Geld, von dem ich profitieren kann.

Gast 2:     Wenn es sonst nichts gibt, dann gibt es doch etwas, was sich möglicherweise verwenden lässt. Am Senf wird es liegen, dass er zum Geschenk wurde. Das Verfalldatum trägt vermutlich die Schuld daran, dass er nicht weiter in den Geschäftsregalen seines Schicksals harren darf.

Gast 3:     Wir Gäste dienen dem Geschäft als Entsorger der nicht mehr verkäuflichen Ware. Das ist gut gedacht von Lin. Er wird noch zum erfolgreichen Geschäftsmann. Er erspart sich die Entsorgung. Diese wird seine Verwaltung als Gewinn verbuchen, obwohl sie ihm keinen Heller eingebracht hat. Und doch! Lagerraum kostet. Die Ware, die nicht verkauft werden kann, verstopft den Warenfluss.

Gast 1:     Lin ist ein kluger Mann. Das, was nichts eingebracht hat, wird weggeschenkt. Über den simulierten Cashflow muss dann nur solcherart Buch geführt werden, dass er guten Gewissens nicht als Soll, sondern als Haben in Lins wunderbarer Buchhaltung Eingang findet.

(Alle ab.)

***

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