Teil 2

„Amerikanisch oder Schotisch?“ – „Man wird es am fehlenden E erkennen.“

(Auftritt Risotto, Rauch und Die Ratte)

Risotto:    Im „E“ liegt der ganze Unterschied.

Rauch:     Die Aussprache ändert es kaum.

Ratte:       Wir müssen achtsam sein.

Risotto:    Aufgepasst.

Rauch:     Stimmt.

Ratte:       Der eine kommt aus Amerika.

Rauch:     Der andere aus Schottland.

Risotto:    Irland.

Ratte:       In der Farbe liegt keine Gefahr.

Risotto:    Ist sich gleich.

Rauch:     Ist kein Gift.

Ratte:       Kein Geschenk.

Risotto:    Ein Auftrag.

Rauch:     Wir müssen ihn ausführen.

Risotto:    Sorgfältig.

Ratte:       Das ist der Befehl

Ratte:       Geheim.

Risotto:    Niemand darf’s merken.

Rauch:     Darum agieren wir nicht laut.

Ratte:       Verschwiegen.

Risotto:    Und unbemerkt.

Rauch:     Leise.

Ratte:       Ruhig.

Risotto:    Ohne Ton.

Ratte:       Wohin streuen wir den Duft?

Rauch:     Auf den Tisch.

Risotto:    In den Tisch.

Ratte:       Unter den Tisch.

Risotto:    Auf dem Tisch klebt der Saft

Rauch:     Im Tisch entfaltet er sich nicht.

Ratte:       Unter dem Tisch riecht er nach Fuss.

Risotto:    Wir wickeln das Geschäft ab.

Rauch:     Wir setzen Lauren in die Bredouille.

Risotto:    Ich schütte den Saft auf den Boden.

Ratte:       Ich verteil‘ ihn mit meinem Schuh.

Rauch:     Ich zertret‘ ihn.

Risotto:    So dass man ihn nicht sieht.

Rauch:     Der Anschlag wird gelingen.

Ratte:       Lauren wird fallen.

Risotto:    Ans Werk.

Rauch:     Ans Werk.

Ratte:       Ans Werk.

Risotto:    Hier muss es sein.

Rauch:     Hier wird es sein.

Risotto:    Lauren hat’s verdient.

Rauch:     Das ist unser Verdienst.

Ratte:       Wir verdienen.

Rauch:     Der Auftrag wird hier erfüllt.

Risotto:    Wir haben ausgekundet.

Ratte:       Jetzt.

Risotto:    Nur wie weg.

Rauch;     Niemand hat’s gemerkt.

Risotto:    Jetzt still weg.

Rauch:     Weg.

Ratte:       Weg.

(Alle drei ab. Auftritt Choelia)

Choelia (begibt sich an ihren Arbeitsplatz):  Schau an, ich bin die Erste hier. Keine Zeit verlieren. Die Leute sollen sehen, dass ich arbeite. Ich habe noch etwas Zeit, um ins Web zu schauen. Dort finde ich immer gute Sprüche, die ich einflechten kann, wenn ich rede. ‚Es wird alles gut‘, ist ein solcher Spruch. Damit beruhige ich die Gemüter. Da ist noch einer. Auch das ist ein toller Satz. ‚Ich arbeite gern.‘ Den muss ich mir merken. Er macht Eindruck. Was lässt sich im Netz noch finden? Ich muss lediglich die richtigen Stichwörter eingeben. Etwa arbeiten, Arbeit, Begeisterung und schon finde ich, was ich hier im Geschäft sagen kann. Ich denke, dass sich das Wort Geld für den Ort hier nicht eignet.

Wenn ich das Wort ‚Geld? eintippe, könnten die Aussagen, die ich im Netz finde, in einem falschen Zusammenhang stehen zu dem, was hier geschieht. Geld hat einen schalen Beigeschmack. Entweder man hat es oder man hat es nicht. Das Wort ‚Arbeit‘ hingegen begeistert, ganz richtig: begeistert. Ich muss positiv denken. Darum muss ich weiter suchen. Ich muss geduldig sein.

Sobald die anderen kommen, muss ich aber auf dem Bildschirm flugs eine Seite von Senf und Seife laden. Ich habe noch Zeit. Ich füge meiner Stichwortliste noch den Begriff ’schön‘ bei. Zum Beispiel für einen Satz wie: Arbeit macht schön. Da ist was: ‚Im Café arbeitet es sich gut‘. Passt irgendwie nicht zu uns. Wir führen keinen Kaffee im Angebot. Das gilt nur für ein Restaurant. Dort verpflegen wir uns und das kostet. Ich schau mal weiter. Da ist wieder etwas: ‚Mit Leib und Seele bin ich an der Arbeit.‘ Den Spruch muss ich vor den anderen anbringen. Ich mache daraus: Mein ganzes Selbstheil lege ich in die Arbeit. Das tönt dann ganz so, als sei ich gebildet. Der Satz könnte auch ein Zitat sein. Ich muss ihn mir merken. Ich kann aber auch sagen, um auf meine Arbeitsbegeisterung zurück zu kommen: Ich lebe für das Geschäft. Oder: Das Geschäft ist mein Leben.

So etwas glaubt mir niemand. Ich habe ein Kind. Von den anderen hier haben einige weder Familie noch Kind. Diese können von sich sagen: Ich lebe für das Geschäft. Ich kann aber sagen: Das Geschäft bin ich. Das kann ich nicht sagen, aber denken. Würde ich diesen Gedanken in dieser Umgebung äussern, würde ich für eine solche Besitznahme abgestraft. Da ist noch ein Spruch. Er ist aber historisch schwer belastet. Aus dem Satz kann ich aber die Aussage bilden: Arbeit macht willig. Was heisst schon willig? Willig bin ich hier nicht bei der Arbeit, freiwillig, wie es schön heisst. Ich denke, dass vielmehr das Geld mich hier zurück hält. Das macht mich willig. Ich brauche das Geld für mein Kind. Das ist der Grund, warum ich arbeite oder vielmehr für das, was man Arbeit nennt. Ich muss das Geld mit schönen Worten erkaufen. Ich muss meine Arbeitszeit absitzen. Ich verrichte mein Arbeit. Das ist meine Aufgabe und diese leiste ich ordnungsgemäss.

(Josselin kommt herein.)

Josselin:   Sprichst du mit dir selber oder mit dem Computer.

Choelia:   Mit jenen, die mir zuhören.

Josselin:   Es ist niemand hier.

Choelia:   Mit jenen, die zuhören.

Josselin:   Wer hört dir schon zu? Dir fehlt es an Ideen. Du bist eine gute Bremserin aber keine gute Kraft gegen den Defaitismus. Deine Vorschläge führen Senf und Seife lediglich noch mehr in Sumpf.

Choelia:   Das stimmt nicht. Auch ich habe Ideen, und zwar gute.

Josselin:   Nur merkt man nichts davon.

Choelia:   Du bist nicht lieb zu mir.

Josselin:   Wir sind hier, um zu arbeiten, und auch, um miteinander nett zu sein. Anders ist es hier nicht auszuhalten. Wir bemühen uns alle, unsere Arbeit vorschriftsgemäss zu verrichten.

Choelia:   Du bist fast schlimmer als Jorun.

(Jorun tritt auf.)

Jorun:       Aha, die Rede ist von mir. Das kann nur Gutes bedeuten. Oder habe ich bereits etwas Schlimmes angestellt, bevor ich überhaupt hier war. Oder, Choelia, du äffst gegen mich. Hinter meinem Rücken. Stopp! Sag nichts. Wir kennen dich. Und wir werden uns heute nicht schon wieder über die Schönheit von Senf und Seife streiten auf dem Hintergrund, dass jedes Geschöpf dieser Erde Schönheit für etwas anderes hält als den gängigen Aspekt vollkommener und überzeugend eingängiger Ästhetik. Ich frage vielmehr: Was muss heute nicht gemacht werden? Und ich fang damit gleich schon mal an. Ich entspreche somit vorbildlich der hier gefrönten Arbeitsphilosophie. Es soll niemand behaupten, dass ich nicht brav und teamfähig bin.

(Sie arbeiten eine Zeitlang schweigend.)

Jorun:       Jetzt, da Can weg ist, muss er ersetzt werden. Er soll vor seinem Zusammenbruch gar nicht gut ausgesehen haben. Wir können davon ausgehen, dass er nicht so schnell zurück kommen und seine ursprüngliche Verantwortung noch länger nicht wahrnehmen wird. Mit ihm ist ein weiterer Held der Arbeit gefallen. So einer wie du und ich. Der brav seine Pflicht erfüllt, bis er fällt. Can muss ersetzt werden. Wie soll das vor sich gehen? Ich schlage vor, wie schaffen ein Darts-Spiel an.

Choelia:   Du schwatzest wieder viel, statt zu arbeiten.

Jorun:       Hör gut zu. Es geht um unsere Zukunft. Das von mir genannte Pfeilwurfvergnügen ist ein Geschicklichkeitsspiel. Schon die Länge des Wortes tönt an, wie schwierig es ist, mit den Darts den Mittelpunkt der Zielscheibe zu treffen, also Cans Herz, damit er endgültig weg ist und jemand anders auf das von ihm freigegebene Podium steigen kann. Die Auslese wird knallhart sein. Wir malen ins Zentrum der Zielscheibe Senf und Seife. Wir werden alle, Lin selbstverständlich ausgenommen, mit einem Pfeil auf das Herz der Scheibe schiessen müssen. Lin fällt weg, weil er, wenn er nicht die Mitte der Scheibe trifft, als Chef seine Verantwortung abgeben muss. So will es die Regel. Und wir wollen doch nicht unser geliebtes Haupt verlieren. Darum die Ausnahme. Die Person, die am besten trifft, wird Cans Nachfolge antreten.

Choelia:   Unsinn.

Jorun:       Wir könnten selbstverständlich, bevor geschossen wird, eine weitere Zielvorgabe einschieben. Vor dem Schuss muss jeder und jede klar erklären, was das Ziel des Wurfes ist: das Herz der Scheibe oder das Herz von Senf und Seife. Das wird von den verschiedenen Akteuren in diesem Haus ganz unterschiedlich gesehen.

Choelia:   Blödsinn.

Jorun:       Das Bekenntnis wird aber wohl wenig taugen. Denn die Worte werden bei der Gelegenheit wie immer etwas anderes äussern, als die Gedanken sind, die jeder und jede in sich trägt. In der Sache wissen wir alle bestens Bescheid. Darum bleiben wir auch hier. Wir alle wissen, dass der Nächste anders spricht, als er denkt. Die Erkenntnis ist nicht neu. Selbstverständlich schliesse ich in diesen Nächsten auch dich, Choelia, mit ein und mache darum aus dem Nächsten eine Nächste. Das erfordert der Anstand, den Männer Frauen zollen.

Choelia:   Du bist ein Scheusal. Ich bin ehrlich im Gegensatz zu dir.

Jorun:       Keine Angst, Choelia. Du riskierst nichts. Es ist nur ein Spiel. Auf dich habe ich es nicht abgesehen. Ich werde bei dem Spiel nicht dich ins Zentrum von Senf und Seife stellen und dich in der Mitte der Scheibe anvisieren.

Choelia:   Wen denn sonst

Jorun:       Ich werde auch nicht Selbstmord begehen.

Choelia:   Für einmal könntest du gegen einen deiner Vorsätze verstossen und den in die Tat umsetzen. Damit wäre Senf und Seife gut gedient. Du könntest deine Pfeile gegen deine eigenen Worte schiessen und dich zum Schweigen bringen.

Josselin:   Hört auf zu streiten. Solches verschieben wir auf bessere Zeiten.

Jorun:       Du hast recht. Wir sind alle im Stress. Wer von uns will eigentlich die Erfolgsleiter hinauf steigen und die Hühnersprosse einnehmen, die Can frei gemacht hat? Die Gut- und Schlechtwetterleiter hinauf und hinab hüpfen wie ein Frosch und ist er oben, dort seine Nase an der Nullbildung Lin anschlagen? Wer bringt diesen Eifer auf? Dieser Eierkopf braucht eine gute Schale, damit er alles überlebt, was der Chef auf ihn fallen lässt. Das will niemand von uns. Denn wir wollen am Ende des Monats lediglich unseren Klotz.

Josselin:   Sieh das nicht so schwarz, Jorun. Da ist doch schon noch etwas mehr, als der Klotz, der uns am Fuss hängt und den Tritt von Senf und Seife schwer macht. Wir verbringen, die Nacht eingerechnet, schier den halben Tag unseres Lebens in diesem Geschäft. Das heisst, wir bringen schon allein durch unsere physische Präsenz viel in dieses Unternehmen ein. Diese Anwesenheit, und darin sind wir uns alle einig, trägt massgeblich dazu bei, dass der Betrieb überhaupt besteht, existiert und überlebt. Unsere Gegenwart kann also nicht alles sein, was uns hier hält; kann nicht genügen, um diesen Laden flott zu halten. Vielmehr müssen Ideen eingebracht werden, die sich verwirklichen lassen und dazu beitragen, dass das Haus prosperiert. Nicht nur der Handel, sondern auch wir Angestellte, sodass wir, emsig wie die Bienen, unseren Beitrag für diese Firma leisten können, damit sie erstarkend wächst – auch wenn sie zurzeit stark schwächelnd schrumpft. Wenn ich nicht für meine zukunftsweisende Idee einstehe, dann leugne ich mich selbst. Neue Impulse braucht der Laden, frische Eingebungen bringen ihn weiter.

Jorun:       Josselin, du bist ein Träumer. Du bringst Ideen, Lin nimmt sie. Du ziehst keinen Profit aus ihnen, nicht weil du an deren Umsetzung nicht beteiligt bist, sondern weil sie Lin verkümmern lässt. Du bist somit das erste Opfer deiner gut gemeinten Vorschläge. Vermagst du das zu ändern, falls du die Nachfolge Cans antrittst, so dass Senf und Seife kurz-, mittel- und auch langfristig aus den Geschäften Profit schlagen und gedeihen kann? Kannst du das Blatt wenden?

(Auftritt Vania)

Vania:      Ja, die Sache mit Can hat es in sich. Er hat sich für das Geschäft verausgabt. Wen wird Lin wohl zu Cans Nachfolge wählen?

Jorun:       Den Untüchtigsten.

Vania:      Wen meinst du damit?

Josselin:   Wird es ein Mann sein? Das wissen die Eulen: Sie sagen am Tage nicht, was sie nachts sehen.

Josselin:   Jorun verbaut sich einmal mehr mit seinen sattfrechen Worten die eigene Laufbahn. Du kannst froh sein, dass Lin sie nicht hört

Choelia:   Es gibt Leute, die laufen gerne. Andere bahnen sich selber den Weg. Zu letzteren gehört Jorun nicht. Du wirst unten bleiben.

Jorun:       Unter deinem Schoss gefällt es mir nicht. Ich bleibe, wo ich bin.

Vania:      Was geschieht jetzt eigentlich mit diesen Schachteln. Sie wurden noch immer nicht weggeräumt.

Jorun:       Oh, lass sie stehen. Sie sind der Ausdruck unseres Aufschwungs. Dies nicht als Satire, weil sie sich nicht bewegen, sondern ihres Inhalts wegen, der sagt: Es ist neue Ware angekommen. Es ist Ware, die verkauft werden kann und in Zukunft, wie nah diese zeitlich liegt, das lasse ich offen, Geld einbringt. Lass die Schachteln stehen. Zudem dürfen wir sie nicht anrühren. Nur nichts bewegen, heisst die Devise unseres Geschäfts, ist zudem Chefs Sache.

(Lin tritt auf)

Lin:          Chefsache! Das bin ich. Worum geht’s?

Vania:      Diese Schachteln.

Lin:          Was ist mit ihnen?

Vania:      Die stehen immer noch hier.

Lin:          Das sehe ich.

Vania:      Etwas muss mit ihnen geschehen. Beim Metzgermeister sind sie nicht gut angekommen. Er hat sie komisch angeschaut.

Lin:          Red nicht von dem. Er hat mir meinen Tag verdorben.

Josselin:   Den Fakten muss man in die Augen schauen.

Lin:          Jetzt fängst du auch noch an.

Jorun:       Er hat recht, Salz und Seife muss endlich Pfeffer erhalten. Der Metzgermeister hat nicht ganz unrecht. In den Laden muss etwas Feuer rein. Hier muss sich etwas bewegen.

Lin:          Jorun, grosse Entscheide stehen an. Ich darf nichts überstürzen. Ich trage schliesslich die Verantwortung für das Geschäft.

Jorun:       Stimmt, diese ist dir angetragen.

Lin:          Jorun, lass deine dummen Sprüche. Die Situation ist ernst.

Jorun:       Das streite ich nicht ab.

Josselin:   Senf und Seife ist ein guter Name. Hinter einem Geschäft muss aber mehr stecken als ein guter Name. Sonst wird das Gut, das den Namen trägt, Opfer des Namens, der vielversprechend Senf und leider auch zu sehr Seife verspricht. Diese hat die Eigenart, dass sie, aufgeschäumt als flockiges Werbesujet, beim geringsten Schlechtwettereinfall im Nu weggeschwemmt ist, so dass im Bottich rein nichts von dem reinigenden Element als Rückstand bleibt. Einen Restposten könnte ich als ein auf Sauberkeit eingestellter Zeitgenosse zur Not aber brauchen, um damit meine schlechten Gedanken über Senf und Seife desinfizierend zu reinigen. Doch diese Gedanken wollen nicht weg. Uns gelingt es einfach nicht, mit klugen Entscheiden den Laden zu sanieren.

Lin:          Das sehe ich auch so. Die anstehenden Entscheide sind wegweisend. Ich muss in mich gehen. Sie bedürfen einer ausführlichen Erörterung. Ich werde mir kurz mal draussen die Beine vertreten.

Jorun:       Etwas frische Luft wird auch mir gut tun. Ich mache eine kurzen Spaziergang.

Vania:      Ich ziehe nach.

Lauren:    Ich mit.

(Lin, Choelia, Vania und Jorun ab)

Josselin:   Und weg sind sie. Tritt hier ein Problem auf, treten die Leute ab. Sie gehen davon. Sie gehen davon aus, dass sich die Probleme wie diese Schachteln selbst aus dem Weg räumen. Ich behalte mir vor, Augen und Ohren offen zu halten und beizeiten meinen Entscheid zu fällen, wie es mit mir hier weiter gehen soll. Jedenfalls bevor ich als Senf auf einer Speckschwarte lande, die mit Seife reingespült wird, um dann als ausrangierte Arbeitskraft in den Abort geführt zu werden.

(Josselin geht. Auftritt Naftalin und Jerekonde)

Naftalin:         Wir halten fest. Wir machen das Fest.

Jerekonde:      Das halten wir fest. Zur Stell sind wir.

Naftalin:         Das steht so fest. Was wird gefeiert

Jerekonde:      Die Rückkehr Cans? Er ist erst weg.

Naftalin:         Lin denkt praktisch, schnell.

Jerekonde:      Ersetzt den Can wie’s ihm gefällt.

Naftalin:         Igittegitte Kind!

Jerekonde:      Das wird ein Fest.

Naftalin:         Lin bestellt das Fest. Das halten wird fest.

Jerekonde:      Bestellt hat’s er. Lang ist’s her.

Naftalin:         Gäste will er. Die haben wir.

Jerekonde:      Poesie will er. Die machen wir.

Naftalin:         Weisst du, wer die Gäste sind?

Jerekonde:      Der Metzgermeister ist es und Co.

Naftalin:         Er meistert Lin, Lin meistert ihn.

Jerekonde:      Das wird ein Fest.

Naftalin:         Mit dem Fest hält sich Lin die Kunden.

Jerekonde:      Das gibt kein gross, grandioses Fest.

Naftalin:         Daran halten wir uns nicht.

Jerekonde:      Wir machen das Fest und richten den Laden.

Naftalin:         Fest muss am Fest gehalten werden.

Jerekonde:      Lin hält daran fest, dass’s wird ein Fest.

Naftalin:         Lassen wir Lins Fest werden, was es wird.

Jerekonde:      Wir gestalten das Fest und machen es gross.

Naftalin:         Das wird ein Fest.

Naftalin:         Den Tisch hier stellen wir wohin?

Jerekonde:      Die Stühle, die tu ich hierhin.

Naftalin:        Den Wein, wohin stellen wir ihn?

Jerekonde:      Gibt’s Wein und Bier zu Senf und Seife?

Naftalin:         Wein sagt Lin und Brot und Wurst.

Jerekonde:      Alles packen wir in diesen Raum.

Naftalin:         Zum Tanzen geben die Tische freien Raum.

Jerekonde:      Das wird ein Fest.

Naftalin:         Tische, Stühle, Ausschank, Wein,

Jerekonde:      Gut aufgeteilt in Raum und Zeit,

Naftalin:         Nennt sich unsere Aufgab‘ hier.

Jerekonde:      So klug wie unsere Verse klingen,

Naftalin:         Stellen wir die Stühle hin.

Jerekonde:      Lin wird sich am Gedicht erlaben

Naftalin:         Und der Stühle gesetzter Ordnung.

Jerekonde:      Hei, das wird ein Fest.

Naftalin:         Erst steht die Idee, die macht,

Jerekonde:      Dass der Tische Reih gut aufgestellt sei.

Naftalin:         Zusammen, getrennt oder im Rund?

Jerekonde:      Der Mauer entlang? Ins Zentrum gestellt?

Naftalin:         Sollen die Tische einen Kreis bilden?

Jerekonde:      In welchem alle zu allen sprechen.

Naftalin          Oder im Quadrat, wo alle anecken?

Jerekonde:      Uuh, das wird ein Fest.

Naftalin:         Bestellt ist die Ordnung der Tische

Jerekonde:      Zu den Tischen stellen wir die Stühle.

Naftalin:         Der Tische Ordnung bestimmt der Stühle

Jerekonde:      Stehen! Die Ordnung der Stühle steht

Naftalin:         Die Ordnung steht, mit ihr die Poesie.

Jerekonde:      Nur fehlen ihr die Worte noch.

Naftalin:         Die Lin zu den Stühlen geordert hat.

Jerekonde:      Das wird ein Fest.

Naftalin:         Niemand beherrscht besser als wir

Jerekonde:      Das Schmieden von Versen für’s Lied,

Naftalin:         Das Lin bestellt hat zum Feste.

Jerekonde:      Theater und Verse, die liefern wir.

Naftalin:         Mit minderem Anstand und musisch präzis

Jerekonde:      Geht Seifes Geschichte weiter, mit Senf

Naftalin:         Wird sie beschmiert. Wir spinnen sie weiter

Jerekonde:      Im Versmass fügen wir das verflixte „E“

Naftalin:         Graziös in die Geschichte ein. He!

Jerekonde:      Das wird ein Text!

Naftalin:         Wir teilen nun die Frauen und Männer ein.

Jerekonde:      Wir zwei und die Fünfe: Darunter

Naftalin:        Ist kein Paar. Die Gäste mitgezählt

Jerekonde:      Sind es mehr. Und noch immer kein Paar.

Naftalin:         Nur Singels. Wir setzen sie so zueinander

Jerekonde:      Dass sie sich verlieben oder toll

Naftalin:         Noch mehr verkrachen und Ränke schmieden.

Jerekonde:      Hei, das wird ein Fest.

Naftalin:         Seife werden wir auf die Bretter nicht,

Jerekonde:      Die das Leben deuten, schmieren.

Naftalin:         Das Theater wird die Wahrheit sprechen.

Jerekonde:      Wir werden ihnen, das Tanzen beibringen.

Naftalin:         Wir werden mit unserer Geschichte selber

Jerekonde:      Tanzen! Und brav den Leim reimen

Naftalin:         Der Senf und Seife hält oder fällt!

Jerekonde:      Hei, das wird ein Fest

Naftalin:         Es gibt, scheint’s, so eine Geschichte

Jerekonde:      Ganz richtig, die mit dem „E“.

Naftalin:         An dieses „E“ zurren wir unsere Verse.

Jerekonde:      Damit sie zum Feste feste Werte bilden.

Naftalin:         Es ist vom Fest das Vorfest schon das Fest.

Jerekonde:      Wir zieren uns nun, uns zu verziehen

Naftalin:         Das sei uns verziehen und auch die Poesie,

Jerekonde:      Die wir aus unserem Köcher ziehen.

(Naftalin und Jerekonde ab. Auftritt Lin)

Lin:          Ich habe das Fest angesagt. Alle haben zugesagt und die Einladung angenommen. Das Fest ist eines der Aushängeschilder unseres Unternehmens. Ich habe auch den Metzgermeister eingeladen. Das Fest muss die Kundschaft vom Erfolg von Senf und Seife überzeugen. Es muss gelingen. Nur die Sache mit Can musste nicht sein. Sie wirft einen Schatten auf Senf und Seife. Ich muss darum rechtzeitig auf diesen Termin die Nachfolge Cans bestimmen. Viel Zeit bleibt mir nicht, um den richtigen Namen zu bestimmen und mich selber zu schützen.

(Auftritt Vania)

Vania:      Müllertreu ist unten.

Lin:          Lass sie rein.

(Vania geht.)

Lin:          Was will die von mir. Sie bestellt wenig, hat aber immer das Maul weit offen. Sie gehört zu den Kundinnen, die man nicht gern sieht.

(Vania tritt mit Müllertreu ein.)

Vania:      Frau Müllertreu.

Lin:          Lass uns allein.

(Vania geht.)

Müllertreu:     Herr Lin, man hört schreckliche Sachen, die in dem Geschäft geschehen. Was mit Can passiert ist, das trifft mich schwer. Ich hätte das niemandem zugetraut. Ist das nicht schädlich für das Geschäft?

Lin:          Überarbeitet. Burnout, so kann man es auch nennen. Er wollte das Beste für Senf und Seife. Wir haben hier eben viel zu tun. Müssen ausliefern, rechtzeitig. Sonst ist die Kundschaft unzufrieden. Bestellen, nachbestellen, immer auf Draht sein. Sie kennen die Qualität unseres Services bestens und zeigen sich damit immer zufrieden, Frau Müllertreu.

Müllertreu:     Über die Qualität will ich nicht reden. Ich bin nicht hierhergekommen, um zu klagen. Es bereitet mir aber doch Sorgen, was mit Can geschehen ist. Draussen hört man vieles. Ich will damit nicht sagen, dass mit dem Geschäft etwas nicht stimmt.

Lin:          Hier ist alles in bester Ordnung. Davon können Sie überzeugt sein, Frau Müllertreu. Sie als unsere beste Kundin, ich versichere Sie meines Vertrauens.

Müllertreu:     Lomo beliefern Sie auch und er soll auch schon vorbeigekommen sein.

Lin:          Ganz richtig. Die Bestelleingänge und Liefertermine mussten abgeglichen werden. Das ist Bestandteil jedes Geschäfts.

Müllertreu:     Das will ich hoffen. Ich mache mich wieder auf den Weg und gehe davon aus, dass Sie pünktlich liefern werden.

(Müllertreu ab.)

Lin:          So ein Mist. Es ist bereits alles nach Draussen gedrungen. Das hätte nicht sein sollen. Das wirft ein ganz schlechtes Licht auf das Geschäft. Ich muss mich aus der Schusslinie halten. Ich muss jemanden zu Cans Nachfolger ernennen, den ich mir wie einen Hampelmann halten kann, den ich gegebenenfalls als williges Spielzeug vor mich her schieben kann. Fällt der Wicht, ernenne ich jemanden anderen. Can ist gegangen, andere werden gehen. Ich behalte meine Position. Dafür sorge ich. Nur dass dieses vermaledeite Weib um Can weiss, das ist nicht gut. Wenn sie etwas weiss, dann wissen es alle. Wie kam sie zur Info? Hat jemand von meinen Leuten geplaudert? Hat sie etwas gesehen? So ein Krankenwagen fällt auf. Nun, wenigstens war es kein Leichenwagen. Ich muss jedenfalls wachsam sein. Die Schachteln scheint sie nicht bemerkt zu haben. Wenigstens hat sie nichts gesagt. Was nichts heissen will.

(Auftritt Josselin. Er nimmt an seinem Pult Platz.)

Josselin: Chef, die Bestelleingänge stagnieren, nach wie vor, positiv ausgedrückt. Wir müssen etwas unternehmen, Gegensteuer geben. Uns muss etwas einfallen, damit die Rechnung wieder positiv in die Bilanz geht. Die meisten Kunden zahlten pünktlich ein. Und dennoch geht da etwas nicht auf. Es kommt einfach zu wenig rein, weil zu wenig raus geht. Unserer Schlussrechnung ist das überhaupt nicht bekömmlich. Wegen der festen Ausgaben leidet das Kapital. Damit lässt sich einfach nicht erfolgreich wirtschaften.

Lin:          Ich weiss, ich weiss. Warten wir ab, bis die anderen da sind. Dann werden wir die Angelegenheit begutachten und nach einer Lösung suchen. Nichts geht über Teamarbeit.

(Sie arbeiten schweigend. Auftritt Lauren.)

Lauren:    Heute werden die wenigen Lieferungen, die ausstehen, rechtzeitig ausgeliefert. Dieser Geschäftsteil von Senf und Seife wird somit erfolgreich abgewickelt. Auf die anderen Teile müssen wir unser Augenmerk richten. Die Auslieferung klappt. Doch wo nichts bestellt wird, kann nicht geliefert werden. Wir können nicht ins Leere liefern. Das wäre Schaumschlägerei. Es muss sich etwas ändern.

(Auftritt Jorun.)

Jorun:       Der Bus ist bei der Haltestelle rückwärts gefahren. Darum konnte ich nicht als erster hier sein.

(Auftritt Choelia:)

Choelia:   Ich musste doch etwas länger weg. Das ganz sicher nicht auf Kosten des Geschäfts. Ich musste etwas für mein Kind besorgen.

(Auftritt Vania.)

Vania:      Müllertreu hat sich vom Haus entfernt und ist über die Strasse weg gegangen.

Lauren:    Spioniert sie wieder herum?

Jorun:       Die Kuh streicht wieder einmal um das Haus herum. Ich denke, sie ist bestimmt herauf gekommen und hat irgendetwas reklamiert.

Lin:          Sie war hier und hat wortreich ihr Bestellung nicht erweitert, sondern lediglich ausgerichtet, dass sie immer eine pünktliche Lieferung wünscht. Als ob Lauren jemals etwas verspätet ausgeliefert hätte. Ich schätze deine Arbeit, Lauren. Die Lieferungen gehen pünktlich raus. Das ist eine sehr gute Leistung, ein sehr guter Leistungsausweis. Ich komme jetzt zum Hauptpunkt des Tages. Verschiedentlich wurde mir zugetragen, dass es mit Senf und Seife, dem Geschäft, schlecht vorwärts geht. Ich sehe, ihr schaut alle konsterniert rein. Aber diese Auffassung teile auch ich. Zum Beispiel diese Schachteln: Sie stehen noch immer hier. Wie ist das zu erklären?

Vania:      Für die Begutachtung der Lieferung und Klassifizierung war Can zuständig.

Lin:          Und weil Can nicht da ist, werden sie einfach nicht weggeräumt.

Jorun:       Es ist gute Sitte hier, dass niemand in den Zuständigkeitsbereich anderer greift. Klare Kompetenzen erleichtern den Workflow der Arbeiten, die zu verrichten sind. Can ist oder war, was weiss ich, was er heute ist, ein Vorgesetzter. Niemandem von uns würde es einfallen, den hierarchischen Aufbau der Verantwortlichkeiten in Senf und Seife zu untergraben

Lin:          Ich verstehe dieses Argument. Es wirft aber ein schlechtes Licht auf das Geschäft, wenn diese Schachteln den ganzen Tag herum stehen und niemand sich um sie kümmert. Herumstehen, als ob wir hier keine Ordnung hätten.

Jorun:       Eine Ordnung haben wir schon. Es fragt sich nur welche?

Lin:          Keine Spitzfindigkeiten.

Vania:      Was meinst du mit deiner Bemerkung, Jorun.

Jorun:       Bezüglich der Ordnung unterscheide ich in dem Fall zwischen jener, welche die Zuständigkeiten regelt, und jener, für welche die Raumpflegerin zuständig ist. Das ist im Zusammenhang mit den Schachteln die Frage, die nach der Ordnung gestellt werden muss.

Lin:          Nur keine dummen Bemerkungen. Die bringen die Schachteln auch nicht weg. Und sie müssen weg. Was ich hier sehe, ist nicht Ordnung.

Josselin:   Der Zuständigkeitsbereich Cans ist nicht neu geregelt.

Choelia:   Also, mich stören diese Schachteln nicht. Ich finde, sie sehen schön aus. Sie wirken niedlich. Auf so etwas sprechen Frauen an.

Jorun:       Immerhin befindet sich in diesen keine verderbliche Ware. Also etwas, das, sobald es verdirbt, Geruchsemissionen aussendet.

Lin:          Was willst du damit sagen?

Jorun:       Wir sind nicht unter Zeitdruck. Wir können ohne zu zögern, eine Arbeitsgruppe bilden und einsetzen, die sich der Angelegenheit annimmt und den richtigen Entscheid fällt, damit die Sache mit diesen Schachteln dann unverzüglich einer Lösung zugeführt werden kann.

Lin:          Das ist ein ausgezeichneter Vorschlag, der dem Teamgeist entspricht, den wir hier pflegen. Wir benötigen einen Gruppenchef. Ich werde aus dem Team die Mitglieder bestimmen, welche gemeinsam mit dem Gruppenchef die Sache mit den Schachteln voran treiben sollen.

Jorun:       Hand aufs Herz, Lin! Du glaubst dir selber nicht, indem du einer meiner Dummheiten aufsitzest. Wir haben für die Grösse unseres Unternehmens ungewöhnlich viele Arbeitsgruppen und Kommissionen. Die Sitzungen nehmen uns ungemein viel Zeit weg. Und jetzt schon wieder eine Arbeitsgruppe. Die Zeit, welche die neue Arbeitsgruppe beanspruchen wird, um sich in das Problem einzuarbeiten und dazu eine Lösung zu erarbeiten, können wir besser nutzen.

Lin:          Das hängt mit der Nachfolge Cans zusammen. Wie klar gesagt wurde: Er wäre aufgrund seiner Funktion für die Schachteln zuständig gewesen. Nun ist er aber nicht mehr hier. So einfach ist es. Wer soll sich seiner statt ihrer annehmen? So eine Nachfolgebestimmung ist etwas äusserst Heikles. So eine Nachfolge muss sorgfältig angegangen werden. Wenn eine Aufgabe gut gelöst wird, kann bei der Ausführung des Entscheids nichts schief gehen.

Josselin:   Dennoch, auch ich bin der Meinung: Eine weitere Arbeitsgruppe stiehlt uns zu viel Zeit.

Choelia:   Das mit der Kommission ist ein guter Vorschlag. Auf diese Weise kann das vorliegende Problem seriös angegangen werden. Und zudem ist es schön, wenn wir zusammensitzen und ich meine Meinung einbringen kann. Es ist klar, in einer Arbeitsgruppe oder einer Kommission nehmen nicht alle Einsitz, die zum Team gehören, sondern nur eine Auswahl. Würden wir alle zusammensitzen, dann würde dies eine Teamaussprache heissen. Das braucht es auch in Firmen. Das ist aber jetzt nicht das Thema, sondern die Schachteln. Wir wollen keine Zeit verlieren und sollten darum Joruns Vorschlag umgehend umsetzen.

Jorun:       Wenn hier nur Palmen herum liegen würden, die unsere Nerven reizen, weil sie sich nicht von selber wegbewegen wollen, dann liesse sich sagen: Die bringen uns auf die Palme. Es handelt sich aber tatsächlich um Schachteln, deren Inhalt wir noch nicht erkundet haben. Vielleicht befinden sich aber tatsächlich Palmen in diesen Schachteln, so dass ich wahrhaftig und angesichts der neuen Arbeitsgruppe, die geschaffen werden soll, verkünden kann: Die Schachteln bringen uns auf die Palme. Ich meine natürlich nicht die Palmen, die in unser Angebot neu aufgenommen werden könnten, sondern die Kommission, die illusionslos eingesetzt werden soll.

Lin:          Ich sehe, es gibt Widerstand gegen die neue Arbeitsgruppe. Ich schlage darum vor, dass wir eine Auszeit einbestellen und diese Bedenkzeit dazu nützen, uns Gedanken darüber zu machen, was uns weiterbringt. Ich habe einen Mediator bestellt. Das habe ich noch vor dem Zusammenbruch Cans bewerkstelligt und lange schon bevor die Sache mit diesen Schachteln zustande kam. Es bestehen also keine Zusammenhänge. Aber es passt sehr gut zur aktuellen Situation. Gegebenenfalls können wir die Sache mit den Schachteln mit dem Mediator angehen, obwohl ich ihn eigentlich her bestellt habe, um das Geschäftsklima noch mehr zu verbessern. Ich schlage vor, dass wir jetzt eine kleine Pause einlegen und uns zum gesetzten Termin mit dem Mediator wieder hier einfinden.

(Alle ab. Auftritt von Risotto, Rauch und Ratte)

Risotto:    Nein, es ist die ohne das „E“.

Rauch:     Das macht den Unterschied aus.

Ratte:       Original geblendet.

Risotto:    Du hast die Flasche dabei.

Rauch:     Du hast sie?

Ratte:       Ich habe sie.

Risotto:    Wo deponieren wir sie?

Rauch:     Am bestellen Ort.

Ratte:       Auf dem Tisch?

Risotto:    Unter dem Tisch?

Rauch:     Im Tisch?

Ratte:       Es ist ein Pult.

Risotto:    Eine Schublade!

Ratte:       Es hat eine.

Rauch:     Da muss er hinein.

Risotto:    Das fehlende „E“ ist verräterisch.

Ratte:       Amerikanisch oder schottisch?

Rauch:     Man wird uns am fehlenden „E“ erkennen.

Ratte:       Sind wir Schotten?

Rauch:     In Röcken?

Ratte:       Sind wir amerikanisch?

Risotto:    Das ist nicht die Frage.

Ratte:       Die Flasche muss weg.

Rauch:     Nur wohin?

Risotto:    In die Schublade.

Ratte:       Unbeschädigt?

Rauch:     Geöffnet.

Ratte:       Sie ist verschlossen.

Rauch:     Und kann nicht riechen.

Risotto:    Der Anschlag misslingt.

Ratte:       Sie muss geöffnet werden.

Rauch:     Die Etikette muss weg.

Risotto:    Das fehlende „E“ verrät uns.

Ratte:       Eine nackte Flasche verrät uns nicht.

Rauch:     Verrät unsere Vorliebe.

Risotto:    Whiskey oder Whisky?

Rauch:     Was ist unsere Identität?

Risotto:    Sie hängt am „E“.

Ratte:       Die Form der Flasche.

Rauch:     Man wird sie bei uns gesehen haben.

Ratte:       Wir zerschlagen sie.

Risotto:    Könne wir nicht.

Ratte:       Die Flasche bleibt ganz.

Risotto:    Angetrunken muss sie werden.

Rauch:     Und geöffnet auch.

Ratte:       Ob amerikanisch oder schottisch.

Rauch:     Whisky ist es.

Risotto:    Was wir ins Pult schütten.

Ratte:       Nur eine angetrunkene Flasche.

Rauch:     Verrät die Trinkerin.

Risotto:    Wir müssen trinken.

Ratte:       Nicht die ganze Flasche.

Rauch:     Die Flasche wird angetrunken.

Risotto:    Hurtig den Deckel weg.

Ratte:       Damit der Anschlag gelingt.

Rauch:     Die Alkoholikerin,

Risotto:    Die keine ist,

Ratte:       Wird durch uns,

Rauch:     Zur Trinkerin.

Risotto:    Erst getrunken.

Rauch:     Dann ins Pult.

(Sie öffnen die Flasche und jeder nimm einen Schluck,)

Ratte:       Das war ein Schluck.

Risotto:    Das war ein guter Schluck.

Rauch:     Ein ausgezeichneter Schluck.

Ratte:       Ich nehm noch einen.

Risotto:    Ich auch.

Rauch:     Ich auch.

(Sie trinken noch einmal.)

Rauch:     Der war echt.

Ratte:       Das tat gut.

Risotto:    Das gab warm.

Rauch:     Die Flasche halb leer.

Ratte:       Mehr dürfen wir nicht.

Risotto:    Ausgetrunken ist für uns.

Rauch:     Das ist gut.

Ratte:       Gut.

Ratte;       Die Flasche muss

Risotto:    Ihren Beweis stehen.

Rauch:     Wir stecken die Flasche

Ratte:       In die Lade

Risotto:    Und schieben sie zu.

Rauch:     Damit’s besser stinkt,

Ratte:       Leeren wir noch etwas aus.

Risotto:    Das Pult stinkt.

Rauch:     Der Raum stinkt.

Ratte:       Lin wird die Flasche finden.

Risotto:    Lauren lässt er liegen.

Rauch:     Der Anschlag ist gelungen.

Ratte:       Lauren ist Alkoholikerin.

(Nachdem sie etwas Flüssigkeit in die Schublade geschüttet haben, stecken sie auch diese hinein und schliessen die Schublade.)

Risotto:    Jetzt nichts wie ab.

Rauch:     Niemand soll uns sehen.

Ratte:       Niemand wird uns sehen.

Risotto:    Es wird so aussehen

Rauch:     Als wären wir nie da gewesen.

Ratte:       Die Tat ist vollbracht.

Risotto:    Uns ist der Lohn.

Rauch;:    Ist er nicht unser,

Ratte:       Verraten wir den Auftrag.

Risotto:    Der Anschlag ist gelungen.

Rauch:     Der Anschlag ist vollbracht.

Ratte:       Die Whisky-Flasche ist gesetzt.

Risotto:    Wir können gehen.

(Alle drei ab. Auftritt Vania und Eangiat.)

Vania:      Ich bin froh, dass Sie da sind. Kommen Sie bitte herein.

Eangiat:   Es ist immer wichtig, sich erst über die unmittelbaren Gegebenheiten, die äusseren und inneren Pole eines Geschäfts ins Bild zu setzen, bevor man sich den Menschen und ihren Problemen nähert. Die Räumlichkeiten, also das, was den Menschen umgibt, können Frustrationen auslösen. Mensch und Raum bilden eine Einheit, die in ihrer Bedeutung nicht unterschätzt werden darf. Wenn diese Einheit aus der Balance gerät, einen Bruch erfährt, kann dies zu Läsionen führen zwischen Arbeitsort und Arbeitnehmer. Dieser Riss kann sehr fein sein. Aber, empirisch belegt, wie fein er auch ist, kann er zu sehr schweren Dysfunktionen zwischen Arbeit und Ort führen. Darum ist es äusserst wichtig, sehr geehrte Frau Vania – ist das richtig? Das ist doch Ihr Name?

Vania:      Ja.

Eangiat:   Danke. Eben, wie ich eben sagte: Mensch und Tat gehören zusammen wie das Ei und das Huhn. Sie beschäftigen sich hier zwar nicht mit Hühnern. Sie sind vielmehr auf dem Spezialfeld Senf und Seife tätig. Möglicherweise bewegen Sie sich mit Ihrem Angebot auf einem heiklen Pflaster. Wenn ich schon von Pflaster sprechen darf. Denn es soll hier zu Wunden gekommen sein. Und was die Seife betrifft, so kann ich feststellen, dass dieses Produkt sorgfältig gehandhabt werden muss. Das kann zu Schwierigkeiten führen und darum bin ich hier, um diese auszumerzen. Auf einem eingeseiften Pflaster kann es zu Schwierigkeiten kommen. Die Rutschgefahr kann erheblich sein. Auf einem solchen Boden ist mancher schon ausgerutscht. Da nützt es nichts, der Seife Senf als Festigungsmittel beizufügen. Auch an einem scharfen Senf hat sich schon mancher den Gaumen verbrannt. Senf und Seife sind zwei gefährliche Produkte, wenn man sie nicht richtig zu handhaben weiss. Ich ignoriere natürlich, ob, wenn beides chemisch zueinander gefügt wird, daraus ein noch gefährlicheres Produkt entsteht, das sogar besonders gefährlich ist, wenn man es nicht zu handhaben weiss. Es ist ganz klar, in einem Geschäft muss die Chemie stimmen, damit der Laden läuft. Auch bei Senf und Seife, was das Produkt betrifft. Und selbstverständlich auch beim Personal. Darum bin ich hier. Es soll hier unter den Angestellten die Chemie nicht ganz stimmen. Können Sie mir einen Hinweis geben auf das, was hier nicht stimmt, Frau Vania?

Vania:      Ich habe Sie nicht hierher bestellt. Da müssen Sie sich schon an jene wenden, die Sie herbestellt haben.

Eangiat:   Da haben Sie recht. Er blieb aber auch vage.

(Auftritt Jorun.)

Jorun:       Aha, Sie werden wohl der Mediator sein. Steht der Ausdruck für Medium, Mediumator, Mittelmass? Wenn ja, dann passen Sie ausgezeichnet in unsere Runde. Mit dem Medium heben Sie sogar das intellektuelle Niveau unserer prosperen Gemeinschaft. Das ist doch ein Lob, das ich Ihnen erteile? Und somit sage ich nur: Herzlich willkommen.

Eangiat:   Danke für die freundlichen Worte und den warmen Empfang.

(Auftritt Lin.)

Lin:          Hallo willkommen. Wir sind schon fast vollzählig. Wir können schon mal die Stühle für unsere kleine Runde aufstellen. Vania, kannst du das schnell an die Hand nehmen.

Vania:      Natürlich, ich erledige das.

(Sie führt es aus. Auftritt Josselin.)

Josselin:   Hier tut sich was. Vania, du musst deine Arbeiten aufteilen. Warte, ich helfe dir bei den Stühlen.

Vania:      Es sind wenige. Tu aber nur mit.

Lin:          Jetzt, wo die Stühle stehen, können wir uns schon mal setzen.

Josselin:   Wir sollten warten, bis alle da sind.

Lin:          Ich denke, wir setzen uns schon mal. Ich schlage vor, dass Sie, Herr Eangiat, in der Mitte Platz nehmen. Ich setze mich hierhin, am Rand, so dass ich alles gut überblicke. Josselin, Vania und Jorun nehmen am besten dort Platz. Es fehlen nur noch zwei Personen. Ich schlage vor, dass wir sitzend auf diese warten. Lange wird es nicht dauern, bis sie kommen. Ich kann Sie, Herr Eangiat, in der Zwischenzeit schon mal über die neuste Entwicklung aufklären. Erschwerend zum aktuellen Treffen hinzu kommt, dass mein direkter Stellvertreter, Can, ausgefallen ist.

Eangiat:   Das kann vorkommen. Ich wusste aber nicht, dass Sie verschiedene Stellvertreter haben. Neben dem direkten noch einen anderen. Darüber haben Sie mich nicht unterrichtet.

Lin:          Das ist eine Sache. Die jetzige ist die Angelegenheit mit meinem direkten Stellvertreter, der ausgefallen ist.

Eangiat:   Was ist mit ihm geschehen?

Lin:          Er ist krank zusammengesackt und musste mit dem Krankenwagen weggebracht werden.

Eangiat:   Verstehe. Woran ist er zusammengebrochen?

(Eangiat blickt in die Runde. Niemand antwortet.)

Eangiat:   Verstehe. Weil in dem Geschäft die Chemie nicht stimmt. Ich rede nicht von der Zusammensetzung von Senf und Seife. Was ist denn geschehen?

(Niemand antwortet.)

Jorun:       Can wird sich überarbeitet haben.

Eangiat:   So etwas kommt nicht von ungefähr. Wie kam es dazu?

(Wieder schweigen.)

Eangiat:   Trug er zu viel Verantwortung?

(Wieder schweigen.)

Eangiat:   War er Opfer von Spannungen zwischen den Angestellten dieses Geschäftes? Interner Querelen?

(Wieder schweigen.)

Eangiat:   Kommt er zurück und in welcher Funktion.

Lin:          Der Ausfall soll total sein, wie man uns mitteilt.

(Wieder schweigen. Auftritt Lauren.)

Lauren:    Oh, bin ich zu spät?

Lin:          Nein, wir haben uns nur schon gesetzt und locker etwas geplaudert. Dies in Vorbereitung auf das Gespräch mit Herr Eangiat, den ich dir hiermit vorstelle.

Lauren:    Es freut mich, Sie kennen zu lernen.

Eangiat:   Ganz meinerseits. Der Direktor und Firmeninhaber von Senf und Seife hat uns aufgefordert, Platz zu nehmen. Was wir auch getan haben. Dieser Stuhl ist noch frei. Sie können sich hierher setzen. (Lauren nimmt Platz.)

Lin:          Wir sind fast vollzählig. Es kann sich nur noch um wenige Augenblicke handeln, bis auch Choelia hier sein wird. Bis dahin kann ich Sie, Herr Eangiat, darüber informieren, in welchem Handelsbereich wir genau tätig sind. Wie der Name Senf und Seife sagt, verkaufen wir diese beiden Produkte und geben jeweils ihre Produktion in Auftrag. Es würde aber sicher zu weit führen, wenn ich ihnen jetzt alles im Detail erklären und über die Verantwortlichkeiten aufklären würde, welche die verschiedenen Leute in diesem Geschäft wahrnehmen. Das wird sich im Gespräch mit Bestimmtheit ergeben, das wir führen werden, sobald auch Choelia da sein wird. Unsere beiden erlesenen Produkte Senf und Seife müssen sich in einem starken Konkurrenzkampf behaupten. Das bedeutet für unser Geschäft eine grosse Herausforderung und für alle, die hier arbeiten. Die Leistungen, welche die Ansprüche erfordern, müssen erbracht werden. An diesem Grundauftrag unseres Hauses kann nicht gerüttelt werden. Jeder Einzelne und jede Einzelne muss den vollen Einsatz leisten, damit das Geschäft halten kann, was es unseren vielen Kunden und Kundinnen an Service verspricht. Dessen sind wir uns hier alle bewusst: Das Versprechen wird eingelöst. Dementsprechend setzen sich alle selbstlos ein. Das Wort selbstlos darf ich getrost zurück nehmen. Denn hier sind wir alle Realisten. Wir setzen uns selbstredend mit all unseren Kräften gemäss der Fähigkeiten, die jeder von uns und jede von uns besitzt und bestens beherrscht, für unser gemeinsames Anliegen ein, das heisst: Senf und Seife. Ich nehme an, dass Choelia sofort da sein wird. Bei Senf und Seife handelt es sich um Produkte, welche die Grundbedürfnisse des Menschen abdecken. Sie sind somit Teil eines Geschäftszweigs, der, im Handel richtig eingesetzt, Gewinn abwirft und eine gewisse finanzielle Sicherheit verspricht, von der wir alle hier profitieren. Dessen sind wir uns alle vollkommen bewusst. Im Konkurrenzkampf müssen wir bestehen, sonst müssen wir gehen. Sonst drohen uns Konkurs und Untergang und das will hier niemand wollen. Schliesslich sorgen Senf und Seife dafür, dass uns der Lohn ausbezahlt wird, den niemand von uns missen will. Ah, da kommt Choelia. Wir sind vollzählig. Wir können beginnen.

Choelia:   Ich bin nicht zu spät.

Lin:          Das habe ich nicht gesagt. Wir sind im Zeitplan.

Choelia:   Ich bis sogar eine Minute zu früh.

Lin:          Ich weiss das zu berücksichtigen. Meine Aufforderung, zu beginnen, enthält keineswegs einen Vorwurf. Vielmehr sind wir alle nun beieinander. Die Mediation kann beginnen. Ich überlasse Ihnen, Herr Eangiat, das Wort.

Eangiat:   Im Team, das dieses Geschäft trägt, ist es offenbar zu Spannungen gekommen. Das wurde mir so zugetragen und darum bin ich hier. Ist dieser Sachverhalt richtig?

Jorun:       Hier trägt niemand das Geschäft, so dass von Führung gesprochen werden kann. Darum schlittert das Geschäft dahin.

Lin:          So schlimm ist es nicht, wie ich bereits gesagt habe.

Lauren:    Was hast du bereits gesagt?

Lin:          Stimmt, du warst noch nicht hier.

Choelia:   Oh, Lin wird schon wissen, wie er es richtig macht. Er hat mein volles Vertrauen.

Lin:          Ich werde das, was ich bereits gesagt habe, noch einmal ausführen, damit das, was ich sage, für alle nachvollziehbar und vollständig ist. Ich habe Herrn Eangiat darauf hingewiesen, dass Can als mein Stellvertreter wegen seines Zusammenbruchs aus unserem Geschäft ausgeschieden ist. Ich habe diese Zusatzinformation geliefert.

Vania:      Jetzt ist er erst recht weg. Weg vom Fenster. Keine Möglichkeit, zurückzukommen.

Eangiat:   Ganz richtig. Ich meine nicht das mit Can, sondern das, was mir Herr Lin eben über Can gesagt hat. Can ist zusammengebrochen. Aufgrund dieser Entwicklung ist es richtig, dass ich hierher gerufen wurde. Es ist meine Aufgabe, dass ich bei bestehenden oder möglichen – ich betone: möglichen – Konflikten vermittle. Meine Vermittlungsarbeit wird hinfällig, wenn es sich aufgrund meines Einsatzes als Mediator herausstellt, dass gar kein Konflikt besteht. Das ist auch Teil meiner Aufgabe: Dass ich mich überflüssig mache. Gelingt mir dies, dann habe ich meine Aufgabe erfüllt. Ich gehe davon aus, dass dies auch hier der Fall sein wird. Ich will jetzt auf den konkreten Fall eingehen und frage darum frank und frei heraus, ganz so, wie ich mir die Antworten wünsche, in die Runde hinein: Gibt es Anzeichen dafür, dass im Team Spannungen bestehen?

Jorun:       Ja, sogar sichtbare. Can wurde ins Spital eingeliefert. Er fehlt uns nun sehr. Sein Ausfall hinterlässt Spuren im Geschäft – und zwar sehr manifest. Die Schachteln hier nämlich, die geliefert wurden, seither aber, darauf warten, dass sie weggeräumt werden.

Eangiat:   Fürwahr. Diese Schachteln fallen auf. Aber von solchen äusserlichen Zeichen dürfen wir uns nicht entmutigen oder beeinflussen lassen. Wir müssen tiefer graben. Das heisst also, die Schachteln erst einmal geistig wegräumen, bevor sie auch physisch auf die Seite gestellt werden. Denn mit der Chemie zwischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern stimmt in dem Geschäft etwas nicht, wie Sie mir sagten. Ist das richtig?

Lin:          Ja.

Eangiat:   Wenn dem so ist, dann werden wir dies mit der Periodentafel der Psychologie wieder hinkriegen. Möchte von euch jemand das Wort ergreifen und zu dieser chemikalen Defektion im Gefüge des funktionellen Zusammenwirkens des Teams etwas sagen? Sie vielleicht, Frau Vania? Ich kenne Sie am längsten, was die Mannschaft angeht. Sie haben mir eben die Tür geöffnet. Wollen Sie als erste das Wort ergreifen?

Vania:      Also, wir haben die Situation, als Can zusammenbrach, gut gemeistert.

Eangiat:   Das ist eine wichtige Beobachtung! Das Team funktioniert, wenn ein Notfall eintritt. Die dynamische Zusammensetzung des Teams ist nicht affiziert, zersetzt oder gar verrottet.

Josselin:   Es waren nicht alle vom Team zugegen, als das mit Can geschah und er weggebracht wurde.

Choelia:   Aber die Situation wurde gut bewältigt.

Eangiat:   Die Frau bestätigt meine Beobachtung.

Vania:      Sie kam später dazu, erst dann, als alles schon fast erledigt war. Sie kann den Ablauf des Hergangs nicht beurteilen.

Eangiat:   Ich bleibe dabei: Im Kern funktioniert das Team gut. An der Peripherie gibt es möglicherweise Reibungsflächen. Wer kann mir zu dieser Peripherie etwas sagen?

Jorun:       Die Dysfunktionalität der Analyse überrascht mich nicht, wo doch die Identität des Auftragsgebers bekannt ist. Eine Hand schafft in die andere. Das ist längst eine allgemeine Weisheit. Man hilft sich, wo man kann, und reicht sich die Hand. So ergibt sich das Eine in das Andere wie der Tropfen, der sich im Bach mit den anderen vereinigt und zu einer liquiden Symbiose seiner selbst wird. Das gilt auch für die psychologische Menschenbegleitung am Fliessband. Der Mensch will betreut werden. Bei den einen geht es über die Zunge, bei anderen über das Ohr. Also lasst uns weiter hören, was Herr Eangiat uns zu sagen hat.

Eangiat:   Ich danke für diese schmucken Worte.

Lin:          Jorun, ich weiss, dass du ausgezeichnete Arbeit leistest. Aber halte dich etwas zurück. Wir suchen hier keine guten Einfälle, sondern Informationen, die für Herr Eangiat hilfreich sein können.

Josselin:   Ganz richtig, wir müssen den Handlungsstrang, der den Ablauf des Betriebs leitet, genau analysieren.

Lauren:    Für einmal könntet ihr eure hochgeschraubten Worte sein lassen und eure Sprache auf ein allgemein verständliches Niveau schrauben. Wir sind nicht zur Belustigung hier.

Josselin:   Ich stehe auf einfache Worte, die genau beschreiben, was zu sagen ist.

Vania:      Ja, ihr habt immer das Maul zuvorderst.

Jorun:       Die etwas Lauteren unter uns sorgen dafür, dass der Laden nicht einschläft.

Choelia:   Die anderen denken auch mit, vergiss das nicht.

Jorun:       Ich vergesse nicht. Mein lauteres Anliegen lautet, dass Senf und Seife nicht Schaum schlägt, sondern blüht.

Lin:          Das ist unser aller Anliegen. Und darum ist Herr Eangiat hier. Er ist hier, um uns dabei zu helfen, dass das Team noch besser funktioniert.

Eangiat:   Nun, die Schachteln darf man nicht voreilig aus dem Weg räumen, so lange sie dastehen. Aber, ich sehe, dass ich ein dynamisches Team um mich habe. Das stimmt mich optimistisch. Das Geschäft befindet sich auf einem guten Weg. Es entwickelt sich vorwärts. Das Team vereinigt Hilfsbereitschaft und Dynamik. Das bildet die substantielle Basis für jede erfolgreiche, gemeinsame Aktion. Möglichweise möchte jemand dem, was ich sage, etwas beifügen, etwa etwas zu den Energien, die bewirken, dass das Geschäft seine Arbeit noch besser erfüllen kann. Die Evolution der Geschäftsentfaltung und der Firmenentwicklung spielt sich nicht nur an der Oberfläche ab. Vieles entwickelt sich im Verborgenen. Darum ist es wichtig, dass man auch über diese versteckten Kräfte spricht, auch wenn man sie nicht direkt anspricht. Im Gespräch jedoch können sie offenbar werden. Darum: Wer von euch will das Wort ergreifen?

Vania:      Also, ich arbeite gerne hier, weil ich weiss, dass ich auf die anderen zählen kann und die Arbeit gemacht wird.

Eangiat:   Das ist ein ganz wichtiges Element! Ich bin froh, dass diese Aussage gemacht worden ist. Möchte jemand die Erklärung kommentieren? Vielleich Sie, Herr-, Herr-

Josselin:   Josselin. Man nennt mich ganz allgemein Josselin. Ja, wenn sie mich derart direkt auffordern, werde ich wohl nicht darum herum kommen, Stellung zu nehmen. Ehrlich gesagt, für mich ist wichtig, dass ich eine ehrliche Antwort gebe. Alles andere wäre böswillige Schleimerei. Hier, im Geschäft hat so etwas keinen Bestand. Denn jede Kriecherei wird mit Seife schnell weggewischt. Darum, denke ich, dass mit der Ehrlichkeit ist ein grosses Ding. Ein Geschäft vermag ohne die Redlichkeit der Mitarbeiter nicht zu bestehen. Wie steht ihr zu dieser Aussage?

Choelia:   Ganz richtig. Davon muss man ausgehen können. Die Ehrlichkeit ist ein wichtiges Gut. Sie hält ein Geschäft zusammen. Der Einzelne kann nicht bestehen, wenn er nicht zum Team hält. Der Lohn ist alles. Er kann aber nicht alles sein, was den Antrieb liefert für ein gut funktionierendes Geschäft.

Vania:      Der Lohn muss auch sein. Ohne Lohn geht das nicht. Aber da bin ich mit dir einig, Choelia. Wenn jeder nur an das eigene Überleben denkt, dann ist das nicht gut. Wir müssen zusammen halten.

Josselin:   Und da ist gerade dieses Grundvertrauen in den Anderen massgebend. Wenn jemand dieses nicht hat, dann ist er hier fehl am Platz. Dann muss er sein eigenes Geschäft gründen, wo er sein eigener Chef ist. Das ist Ehrensache.

Jorun.       Wir gehen hier auch nicht davon aus, dass wir jemandem misstrauen sollen.

Lauren:    Obwohl, darüber müssen wir uns im Klaren sein: Jeder denkt zuerst an sich selbst. Dies auch im Geschäft. Er will sein Geld, seinen Lohn. Diesbezüglich müssen wir uns nichts vormachen. Das Vertrauen kommt erst danach. Diese Überlegung soll nicht überraschen. Sie entspricht einer Selbstverständlichkeit und gehört mit zum Arbeitsleben. Wir arbeiten schliesslich, um Geld zu verdienen. Wer das sagt, braucht sich nicht zu schämen.

Vania:      Das versteht sich von selbst. Du hast es nur besser gesagt als ich.

Choelia:   Wer will schon auf seinen Lohn verzichten? Davon kann nicht die Rede sein. Redlich verdienter Lohn ist ehrlich verdientes Geld. Den Lohn kann uns niemand vorenthalten.

Jorun:       Das tut niemand. Und deswegen wurden wir auch nicht zusammengerufen. Es geht ums Team und nicht ums Geld und das, was das Team zusammenhält und nicht trennt. Also um, wie es unser gesegneter Herr Eangiat bereits herausgefunden hat, um gegenseitige Hilfsbereitschaft und aufbauende Dynamik. Und jetzt, wie wir so frei miteinander reden, sind wir auf dem besten Weg, die nächste Handreichung zu geben, damit unser vermittelnder Schlichter das nächste notwendige Segment für das erfolgreiche Zusammenwirken benennt, das unser Team zusammen hält.

Lauren:    Seien wir alle ehrlich zueinander. Keiner kann hier alleine gehen. Überleben können wir in Senf und Seife nur gemeinsam. Und nur gemeinsam können wir das Geschäft auf Erfolg trimmen. Nur Ehrlichkeit, wie schon gesagt wurde, fördert das Fortkommen. Ränkespiele führen in die Abgrund. Wir müssen aufeinander bauen und niemandem Haken stellen. Anders geht das nicht.

Eangiat:   Das dritte Stichwort ist gefallen: Vertrauen. Das Wort wurde aus dem Team heraus geliefert. Das ist ein ganz funktionables Zeichen. Es darf nicht unterschätzt werden. Es stellt einen äusserst wertvollen Input für die Analyse der Lage des Unternehmens dar. Es stellt ein ganz bedeutendes Hoffnungszeichen dar. Das Unternehmen wird gedeihen. Darum ist meine Intervention eine absolut gute Investition. In unseren Diskussionen haben wir die drei Grundsätze erfolgreichen Unternehmertums herausgearbeitet. Damit lässt sich effektiv arbeiten und aufbauen und lassen sich Zukunftsperspektiven bestimmen. Mit Senf und Seife geht es weiter aufwärts. Davon bin ich überzeugt. Mit der Einstellung, welche das Team an den Tag legt, ist es nicht möglich, dass Senf und Seife untergeht. Das will ich als mein erstes Urteil in meinem Bericht festlegen. Der nächste Ausbau des Geschäfts liegt nun im Bereich des Möglichen. Er ist Realität. Jetzt gilt es zuzugreifen und einzusteigen. In die neue Zukunft, die sich nun auftut, muss investiert werden. Es gilt den Anschluss an die Entwicklung nicht zu verpassen. Dies werde ich als zweiten besonderen Punkt in meinem Bericht festhalten. Ich glaube, meine Arbeit ist hier getan. Ich habe dem Geschäft den Weg in die Zukunft gewiesen. Ich kann beruhigt gehen. Die Zeichen stehen auf Erfolg. Herr Lin, ich gratuliere Ihnen zu ihrem erfolgreichen Team. Die Zukunft gehört ihnen.

Lin:          Das ist wunderbar, was sie gesagt haben, Herr Eangiat. Ich kann beruhigt dem weiteren Verlauf dieses Tages in die Augen schauen und auch den nächsten Morgen in Angriff nehmen.

Eangiat:   Und ich wünsche Senf und Seife einen wunderbar glitschigen Boden, auf welchem das Geschäft erfolgreich weiter gleiten kann.

Lin:          Das sind schöne Worte. Sie haben uns sehr viel geholfen.

Eangiat:   Ich bin absolut zuversichtlich. Mit dem Geschäft geht es bergauf. Ich denke, die Probleme sind weggeräumt, die Schachteln können weggestellt werden.

(Eangiat erhebt sich und Lin auch.)

Eangiat:   Gut, dann mache ich mich wieder auf den Weg. Ich wünsche allerseits noch einen schönen Tag.

Lin:          Schicken Sie mir bitte noch den Bericht – der Form halber.

(Eangiat begibt sich zur Ausgangstür und sagt dort dann zu sich:)

Eangiat:   Irgendetwas liegt in der Luft. Hier riecht es nach Whiskey.

(Eangiat verlässt den Raum.)

Lin:          Wir sollten die Gelegenheit beim Schopf packen und miteinander darüber reden, was wir noch besser machen können, damit sich Herr Eangiats Worte nicht in Luft auflösen, sondern auch umgesetzt werden. Wir müssen uns jetzt die Zeit für ein Brainstorming nehmen und nach neuen Impulsen für Senf und Seife suchen. Wem gebe ich das Wort?

Choelia:   Das ist ein guter Vorschlag. Der Impuls, der ausgelöste wurde, muss in seinem Schwung gefördert werden. Ich bin der Meinung, dass wir uns auf den Weg machen, den wir bereits gehen und Verbesserungen anbringen. Ich denke, wir müssen uns des Briefkopfs annehmen, den wir auch für unsere Mails verwenden. Wir müssen ihn schön machen. Er muss schön sein. Ich denke, wenn wir in das Layout unserer Briefe und Mails investieren, schönere Rechnungen verschicken, dann ist das gut angelegtes Geld. Ich würde also vorschlagen, dass wir an unserer Corporate Identity feilen. Ein geordneter, schöner Auftritt wird uns weiter bringen.

Josselin:   Keiner unserer säumigen Zahler wird sich durch ein schöneres Layout unser Post aus dem Busch klopfen lassen.

Choelia:   Aber den Versuch ist es wert. Wir können nicht verlieren.

Jorun:       Gewinnen mit deinem Vorschlag eben so wenig. Es muss mehr dahinter stecken als ein aufgepeppter Auftritt mit schöneren Farben und Graphiken, die wir auf ein Blatt schmieren oder auf einem Bildschirm erscheinen lassen. Unsere Kreativität darf nicht in Richtung Papier und Tastatur gehen. Besseres Papier und bessere Tasten bringen uns nicht weiter. Da nutzt alles schrubben an deinem Vorschlag nichts, Choelia.

Choelia:   Ich weiss, es tönt ambitiös und passt darum nicht in unser Geschäft. Auch kompliziert, für euch. Wir müssen beim Kleinen anfangen. Wir dürfen uns nicht überfordern, sonst stossen wir bald an unsere Grenzen.

Jorun:       Das war sehr schön gesagt. Du hast deinem Projekt selber den Riegel vorgeschoben-

Josselin:   Ich denke, dass wir von unserem Einheitsangebot, auch wenn es aus zwei Produkten besteht, die im Namen Senf und Seife zusammengefasst sind, wegkommen müssen. Die Palette muss erweitert werden. Das Angebot muss quasi mehr Würze erhalten.

Choelia:   Der Ansicht bin ich nicht. Wir müssen Senf und Seife besser auswerten und präsentieren, die Schönheit des Senfs und der Seife besser anpreisen. Und das kann nur über neue Briefköpfe geschehen.

Jorun:       Zu deinem Spasstheater kannst du noch Sand in die Seife streuen. So etwas würde deinen Worten etwas mehr Halt geben, auch wenn der Sand das lauschige Firmenzeichen zerkratzen würde, das du aufpolieren willst. Darum sage ich: Zu guter Politik taugt deine Politur nicht.

Choelia:   Du verstehst nichts von Schönheit. Mit der Schönheit lässt sich Geld gewinnen.

Jorun:       Aber nicht, wenn sie mit Senf und Sand eingerieben ist. Dann sieht sie lädiert aus und folgt, wenn ich es so sagen darf, der Ästhetik, welche unser Geschäft bietet. Deine Schönheit sieht dann so angeschlagen aus, dass unser Metzgermeister mit deiner Schönheit seine Spässchen treiben kann.

Josselin:   Das mit der Schönheit will ich auch nicht unterstützen. Der Vorschlag taugt jedoch nicht, um die Richtung Vorwärts einzuschlagen.

Choelia:   Wir müssen die Schönheit von Senf und Seife herausstreichen und auf dieser unsere unternehmerische Identität aufbauen.

Vania:      Ja, wir kennen langsam das Lied: Auf verschiedenen Briefpapieren und Rechnungen das gemeinsame Label.

Lin:          Gut. Diesen Vorschlag haben wir jetzt gehört. Hat jemand einen besseren Vorschlag?

Jorun:       Wir müssen aus der Bude raus. Anders schaffen wir es nicht, dass wie mehr Einnahmen für das Haus generieren und somit eine Besserung unseres Geschäftsgangs erwirken.

Josselin:   Unsere Zukunft liegt ausserhalb dieser Mauern, und zwar nicht im Bereich der Papeterien, wo wir ein neues Log zeichnen können. Den Sand haben wir schon, der unser Bild zerkratzt. Jetzt fehlt nur noch, dass unsereins vorschlägt, uns draussen, als Ausgleich zum Sand, in Seide zu kleiden und diese auch zu verkaufen.

Jorun:       Und wir beim Schreiben von Rechnungen zwingend Seidengewänder anziehen müssen – auch die Männer. Es wäre natürlich vermessen von mir, mich in den Vorschlag zu versteigen, eine Raupenzucht anzulegen und aufzuziehen, damit wir nach dem Vorbild unserer Senf- und Seifeproduktion, die ausgelagert ist, erklären können: Unsere Seidenkleider produzieren wir selber. Das wäre eine Botschaft, die unsere Kundschaft höchst erheitern und den Absatz von Senf und Seife ganz sicher gehörig fördern würde.

Choelia:   Das ist Mist und all der Seriosität unseres Geschäfts abträglich.

Jorun:       Für einmal gebe ich dir recht, Choelia. Mein Vorschlag, der keiner ist, sondern nur der Unterhaltung unserer Kundschaft dienen soll, weil sonst von unserer Seite nichts Erheiterndes zu erwarten ist – dieser Vorschlag also ist wie Sand ins Mehl, das ich von meinen Kleidern abklopfe, auch wenn von Mehl nichts an meinen Kleidern haftet. Der Sand würde Kratzer an meinen Kleidern hinterlassen, täte ich ihn weg, und es käme mir nicht in den Sinn, das Image von Sand und Seife anzukratzen, noch einen Kratzer in den Senf zu ziehen, den wir verkaufen. So bin ich nun einmal. Keinen Kratzer versetze ich darum irgendjemandem, den keine Seife, auch wenn sie von der Qualität der unseren ist, zu tilgen vermag. Aber ich denke, unsere Runde hat sicher einen besseren Vorschlag zur erfolgreichen Fettung des Cashflows unseres Betriebs vorzubringen, so dass dieser besser fliesst als meine seidenen Gewänder, die, in ein raues Wasser geworfen, sich nur in winkeligen Ecken und auf ungeschliffenen Kanten verfangen

Lin:          Ich bin ganz Ohr und offen für weitere Vorschläge. Wer ergreift das Wort?

Josselin.   Ich denke wie Choelia nicht an eine Produkteerweiterung, einen Ausbau unseres Warenangebots. Das bringt nichts. Wenn wir Senf und Seife mit Essig, Gurken und Gewürzen auf den Ladentisch bringen, so wird dies kaum zur Vergrösserung unserer Kundschaft beitragen. Solches bringt uns keinen Schritt weiter. Solches zieht nur als Ballast unsere Dynamik zurück auf den Ausgangspunkt, an welchem wir uns gerade befinden, um nach Lösungen für unser besseres Vorwärtskommen zu suchen. Ich bin vielmehr der Meinung, dass wir unser Personal weiter aufstocken, das heisst ergänzen. Ich meine damit, dass wir Andere an unserem Geschäft beteiligen, und zwar so, dass sie aus dem, was wir erwirtschaften, Gewinn für sich selber schöpfen. Auch wir werden davon profitieren. Es geht also, ich wiederhole mich, nicht darum, weitere Produkte in unsere Angebotspallette einzufügen, sondern die Absatzmargen zu vergrössern, indem wir den Verkauf optimieren.

Choelia:   Wie soll das vor sich gehen?

Josselin:   Ganz einfach. Wir stellen Leute an, die für uns Senf und Seife verkaufen. Wir statten sie mit den nötigen Provisionen aus. Wenn die Damen und Herren unter die Leute gehen, wird unser Laden weitherum bekannt. Das fördert den Verkauf. Die beste Verbindung nach Draussen, die wir aktuell haben, ist die Werbung, die in unseren Briefkasten eingeworfen wird. Das muss sich ändern. Das muss sich wenden. Wenn wir selber schon nicht hinaus gehen, dann sollen es andere für uns tun und die Botschaft, die wir aussenden möchten, unter das Volk bringen. Dafür müssen wir unsere künftigen Werbeengel aber schon entlöhnen. Und zwar gut. Anders geht das nicht. Der Verkauf auf Provisionsbasis ist das beste Mittel, um Aufschwung in unsere Verkaufsbilanz zu bringen. Wir liefern, sobald jene ihre Bestellungen bei uns einbringen, Senf und Seife und rechnen dann ab. Das ist keine Hexerei. Unserer Verkäufer und Verkäuferinnen dürfen aber nicht unter den Preis gehen. Eigenverschuldetes Preisdumping können wir nicht tolerieren. Wir müssen ein ganzes Netz von Verkaufspersonal aufziehen. Ihre Menge wird den Absatz massiv vergrössern und den Gewinn mehren. Mehr will ich zurzeit gar nicht erreichen. Wenn wir diesen Schritt tun, sind wir schon einen weiten voraus.

Choelia:   Das tönt kompliziert.

Josselin:   So etwas nennt man erfolgreiches Wirtschaften. Mit unserem „in die Tür sitzen“ werden wir nie eine wunderbare Geldvermehrung erwirken, die uns den Schaum aufschlägt und so für ein weithin sichtbares Signal unseres Erfolgs sorgt. Ohne einen kräftigen Kick, eine herzhafte Investitionsspritze verbreitet sich der Ruhm unserer Verkaufsstelle nicht. Investition ist der Weg, den wir verfolgen müssen.

Choelia:   Naja, das tönt ausserordentlich schön. Es bedeutet aber auch einen enormen Aufwand. Ich wage zu bezweifeln, dass wir über genügend Kräfte verfügen, um diesen Aufschwung herbei führen zu können. Mein Vorschlag dünkt mir immer noch der bessere und realistischere. Wir müssen unser Image verbessern und das geschieht am besten, einfachsten und kostenfreundlichsten über den Wechsel unseres Briefkopfes.

Jorun:       Das Sitzleder gedeiht bei uns gut. Nur lässt es sich nicht verkaufen. Sonst sässen wir bald nicht auf unserem entblössten Hintern, sondern direkt blutig auf dem nackten Fleisch, das unsere Beckenknochen einfasst. Das ist kein Programm, das ich umsetzen möchte. Ein anderes gedeiht besser. Das Sitzleder wächst umgekehrt proportional zu unseren Verkaufszahlen. Das ist auch ein Prognose, die sich für unser Geschäft aufstellen lässt und sich wahrscheinlich als einzige bewahrheiten wird, was ich natürlich, da ich uns allen aus ganzem Herzen Prosperität wünsche, nicht als erstrebenswert erachte. Dort, wo das Leder wächst, kann es Prügel geben, denn dann ist der Hintern zäh. Um den versohlten Arsch zu pflegen, wird uns aber das Geld fehlen, wenn wir uns nicht aufraffen. Senf und Seife eignen sich nicht dazu, um unser Gesäss und auch das rein zu waschen, was wir im Geschäft verfehlt und als Narben in unseren Portemonnaies tragen.

Lin:          Das war brillant gesprochen. Wir haben aber deine Aussage trotzdem verstanden.

Lauren:    Etwas muss sich ändern. In die eine oder andere Richtung. Unsere Absatzzahlen stagnieren. So kommen wir nicht weit. Ich bezweifle, ob die Änderung unseres Briefkopfs wirklich das geeignete Mittel ist, um den Verkauf unserer beiden Produkte Senf und Seife anzukurbeln.

Choelia:   Es handelt sich nur um eine Modernisierung des Briefkopfes und nicht um eine Abänderung. Er wird lediglich an die Bedingungen der heutigen Geschäftswelt angepasst. Mehr nicht. Das bedeutet einen vernünftigen Arbeitsaufwand, der uns nicht an den Rand des finanziellen Ruins bringt.

Lin:          Die Gespräche haben uns weit voran gebracht. Ich werde mir die Vorschläge durch den Kopf gehen lassen und dann einen Entscheid fällen. Aber in Einem sind wir uns einig: Es muss etwas getan werden, um unsere geschäftliche Situation zu ändern. Ich schlage vor, dass wir, bevor wir die Arbeit aufnehmen, eine Pause einlegen. Die haben wir uns verdient. Es wird niemand etwas dagegen haben. Zudem kann ich ankündigen, dass wir ein kleines Fest zu feiern haben, das ich mit der Bekanntgabe des Namens für die Nachfolge Cans kröne.

Jorun:       Gut. So lasst uns eine Pause machen.

Lin:          Vania, kannst du noch einen Moment bleiben, damit wir den formellen Teil des Festes besprechen können.

(Alle anderen gehen ab.)

Lin:          Vania, kannst du den Metzgermeister und die Müllertreu einladen? Naftalin und Jerekonde bereiten zudem einen Auftritt vor. Dieser muss gut und würdig in das Programm eingebaut werden. Kannst du die Planung übernehmen? Und es steht für sich, dass unsere Gäste und wir mit unseren erlesenen Produkten Senf und Seife beschenkt werden. Aber ohne dass es zu viel Schaum aufwirft, also nicht übertrieben inszeniert und ohne dass der Senf die Schaumkrone ziert. Du weisst schon was ich meine. Du musst dir etwas anderes einfallen lassen.

Vania:      Das werde ich tun.

(Vania ab)

Lin:          Jetzt habe ich den Schlammassel. Die Frage stellt sich endgültig: Wie sichere ich meine Macht. Ich habe zwar das Geld und die Kontrolle. Es kann mir aber genommen werden. Der Entscheid über Cans Nachfolge muss vor dem Fest gefällt werden, Ich habe gesagt, ich verkünde dann den Namen. Ich kann nicht zurück. Die wollen einen neuen Aufbruch und gleichzeitig muss ich einen Stellvertreter bestimmen. Das ist etwas viel auf einmal. Ich hoffe, dass diese doppelte Neuerung Senf und Seife gut bekommt. Wir verkaufen Traditionsgüter und springen nicht, wie der Wind sich dreht, Wendehälsen nach, welche die Nase nach der Gunst der Stunde richten.

Unser Geschäft muss Tiefgang wahren, damit es in den Stürmen der Geschäftswelt besteht. Bis jetzt lief das Schiff flott, auch wenn es zwischendurch irgendwie in seichtere Gewässer geraten ist, wo es sich gewissermassen wenig bewegt. Aufs Grobe gesehen, ohne dass ich einige Details zu stark gewichte, muss ich aber festhalten: Wir sind trotzdem auf Fahrt. So muss es bleiben. Ich werde mit den richtigen Entscheiden dafür sorgen, dass wir auch weiterhin auf Kurs sind. Auch wenn meine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen einhellig der Meinung sind, dass Sand im Getriebe ist, so muss ich doch meiner Linie folgen.

Der Absatz von Senf und Seife muss verbessert werden. Das ist sicher. Darum komme ich nicht herum. Es wird Cans Nachfolge Aufgabe sein, das Steuer Richtung Zukunft zu richten. Ich bin zuversichtlich, dass dieser Neuanfang aufgrund des Entscheids, den ich fällen werde, gelingen wird. Aber zuvor muss ich, wie es mir als Chef verpflichtend zusteht, der Sache eingehend annehmen. Wobei ich einem ganz neuen Umstand Rechnung tragen muss. Eangiat stellte richtig fest, dass es hier nach Whisky riecht. Der Sache muss ich auf den Grund gehen. Es wird doch nicht so sein, dass hier jemand während der Arbeit Alkohol trinkt und das insgeheim.

Es wird doch kein Säufer unter uns weilen. Ich habe jedenfalls noch nichts derartiges festgestellt. Das würde zu einem höllischen Skandal führen. Alkohol passt wirklich nicht als Beilage oder Beigabe zu Senf und Seife. Jedenfalls würde die Ergänzung unseres Angebots mit Alkohol nicht zu einem Sprung nach vorn führen, der wegweisend für das Geschäft ist. Nur stellt sich für mich und meine Zukunft die Frage: Wem kann ich mich nur anvertrauen, um diese Angelegenheit ins Reine zu bringen? Ich werde die Haushandwerker kommen lassen.

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