
„… und der Whisky ist der Senf dazu.“
(Grösserer Büroraum. Anwesend sind Josselin, Manu, Vania und Can. Can liegt am Boden und wird von den anderen festgehalten.)
Josselin: Verdammte Scheisse!
Manu: Was ist passiert?
Vania: Was tun wir?
Josselin: Wo ist das Telefon?
Manu: Rühr ihn nicht an.
Vania: Er muss kotzen.
Josselin: Lass ihn liegen
Manu: Er könnte um sich schlagen.
Vania: Er wird ersticken.
Josselin: Er muss kotzen.
Manu: Das hilft ihm nicht auf die Beine.
Vania: Wir brauchen einen Krankenwagen.
Josselin: Wer ruft an?
Manu: Was hat er?
Vania: Zusammengebrochen.
Josselin: Warum?
Manu: Zu viel Verantwortung.
Vania: Zu wenig Übersicht.
Josselin: Zu wenig geleistet.
Manu: Zu wenig delegiert.
Vania: Das hat er nun davon.
Josselin: Selber schuld.
Manu: Wir brauchen einen Arzt.
Vania: Wer ruft an?
Stimme von nebenan: Was ist bei euch los?
Josselin: Can ist zusammengebrochen.
Stimme von nebenan: Ist es schlimm?
Manu: Es ist schlimm.
Stimme von nebenan: Wir rufen an.
Vania: Macht aber schnell.
Josselin: Ich glaube, sie rufen von nebenan an.
Manu: Halt ihn fest.
Vania: Er schlägt mich!
Josselin: Er schlägt dich nicht.
Manu: Lass ihn los.
Vania: Er ist zu stark.
Manu: Ruft jetzt endlich jemand an?
Josselin: Ich glaube, sie haben angerufen.
Vania: Ich kann ihn nicht halten.
Josselin: Halt ihn fest.
Manu. Es wird jemand kommen.
Vania: Ich glaube, jemand von nebenan.
Stimme von nebenan: Wir haben angerufen. Was ist geschehen?
Josselin: Can ist zusammengebrochen.
Manu: Er hat ihm zu viel aufgebürdet.
Stimme von nebenan: Das war nicht gut. Er hätte nicht alles übernehmen sollen.
Vania: Hat er aber.
Josselin: Jetzt lässt es sich nicht mehr ändern.
Manu: Jetzt ist er zusammengebrochen.
Vania: Und das am frühen Morgen.
(Auftritt Choelia)
Choelia: Ich bin da. Hallo, guten Morgen. Einen schönen guten Morgen. Was ist denn hier los?
Josselin: Can ist zusammengebrochen.
Choelia: Zusammengebrochen? Warum das? Er hat Arbeit und verdient Geld.
Manu: Der Krankenwagen kommt.
Vania: Die von nebenan haben angerufen.
Josselin: Wir haben hier alle Hände voll zu tun.
Choelia: Ich hätte das auch so gemacht.
Manu: Was?
Choelia: Einfach das. Habt ihr die Situation im Griff?
Vania: Er wird kotzen.
Choelia: Wir haben einen Eimer, Lappen und Besen in der Ablage. Du kannst dies dann holen. Ihr macht jedenfalls eine gute Arbeit. Was ist ihm passiert?
Josselin: Das wissen wir nicht.
Manu: Er ist zusammengebrochen.
Vania: Überarbeitet.
Choelia: Oh! Es tut mir leid für ihn. Man soll einfach nicht zu viel arbeiten.
Josselin: Irgendjemand muss die Arbeit tun.
Manu: Sie erledigt sich nicht von selbst.
Vania: Wo bleibt der Wagen?
Choelia: Ihr leistet eine hervorragende Arbeit. Ihr seid wirklich Vorbilder. Ich werde euch bei Lin loben.
Josselin: Statt herum zu quatschen, könntest du uns helfen.
Manu: Du könntest ihn halten.
Vania: Aber pass auf! Er ist kräftig.
Choelia: Das haben manchmal Leute, die so sind wie er, so an sich. Ihr habt die Situation zum Glück im Griff. Ich brauche euch also nicht zu helfen.
Josselin: Du weisst gar nicht, wie du uns helfen könntest.
Choelia: Ich leistet wirklich vorzügliche Arbeit. Glaubt mir das.
Manu: Geh aus dem Weg.
Vania: Ja, etwas zur Seite.
Josselin: Da störst du auch weniger.
Choelia: Wie ist es genau passiert? Das sieht schrecklich aus.
Manu: Er sass an seinem Platz und auf einmal bekam er Krämpfe.
Vania: Es war schrecklich anzusehen.
Josselin: Er ging dann zu Boden.
Choelia: Nun, wenigstens ist er nicht auf Seite oder Senf ausgerutscht. Das hätte dem Ruf des Hauses erheblich geschadet.
Manu: Tut sich etwas auf der Strasse?
Vania: Wir warten schon lange.
Josselin: Wann kommt endlich dieser verdammte Krankenwagen?
Choelia: Diese Sprache ist bei Seife und Senf Grosshandel Ltd nicht angebracht. Es könnte uns jemand zuhören und das nach Draussen tragen. Das habe ich schon mehrmals gesagt.
Manu: Haben die nebenan wirklich angerufen?
Vania: Ich höre nichts von einem Krankenwagen.
Josselin: Halt ihn ruhig.
Manu: Ich kann ihn nicht mehr lange halten.
Vania: Seine Kraft hat etwas nachgelassen.
Josselin: Wir müssen aushalten.
Manu: Er wird uns unter den Händen weg sterben.
Choelia: Nur das nicht! Mit Seife können wir die Spuren weg wischen und mit Senf den Geruch überspielen.
Vania: Das ist ein ganz dummer Gedanke.
Josselin: Du Ungeheuer wirst noch sagen: Es tut sich ein neues Geschäftsfeld auf!
Manu: Dir traue ich das zu.
Vania: Wir sollten uns jetzt nicht streiten.
Josselin: Den Vorschlag kannst du Lin vorbringen. Er wird dir dafür danken.
Manu: Er wird dich befördern.
Vania: Halt ihn besser.
Josselin: Jetzt wo Can out ist.
Choelia: Wenn ich mit Lin spreche, sage ich nur Gutes über euch.
Manu: Hinterrücks.
Vania: Hinter den Türen.
Choelia: Ich glaube, ich höre den Krankenwagen.
Josselin: Drück dich in unserer Gegenwart etwas eloquenter aus: Ich höre das Martinshorn. Das würde nach etwas Bildung klingen. Aber: Ich höre den Krankenwagen, Hörst du seinen Motor? Die Bremsen? Merke dir das: das Martinshorn. Eine fremde Person wäre dann von der Bildung beeindruckt, über die du nicht verfügst.
Choelia: Ich habe studiert und verfüge über einen Abschluss.
Manu: Arschkriecherin.
(Man hört das Martinshorn.)
Vania: Endlich.
Josselin: Es wurde Zeit.
Manu: Loslassen können wir ihn nicht.
Vania: Seine Kraft hat noch etwas nachgelassen.
Josselin: Halt ihn trotzdem.
Manu: Er schlägt um sich.
Vania: Ich habe auch weniger Kraft.
Josselin: Halt ihn fest.
Manu: Wir werden es schaffen.
Vania: Die Sanitäter werden kommen.
Josselin: Sie werden ihm eine Spritze geben.
Manu: Das wird ihn beruhigen.
Vania: Sie werden ihn mitnehmen.
Josselin: Sie sind sicher schon im Haus.
Manu: Im Treppenhaus.
Vania: Im Gang.
Josselin: Vor der Tür.
Manu: Ich höre sie.
Vania: Choelia, geh und öffne die Tür.
Choelia: Die Tür ist nicht verriegelt. Jeder kommt herein.
Josselin: Ich halte ihn.
Manu: Ich mache die Tür auf.
(Manu öffnet die Tür. Die Sanitäter kommen herein, untersuchen Can, geben ihm eine Spritze, legen ihn auf eine Bahre und bringen ihn hinaus.)
Choelia: So, das wäre geschafft. Wir können nun an die Arbeit gehen. Die Sache hat uns genug Zeit gekostet. Ich muss mein Pult vorbereiten. Das will genau geplant sein. Bleistift, Kugelschreiber, Radiergummi, Leuchtstift und Computermaus.
Vania: Wenn es ihm nur wieder gut geht.
Josselin: Das war eine harte Arbeit.
Manu: Ich brauche eine Abkühlung.
Vania: Und ich etwas frische Luft.
(Alle drei gehen.)
Choelia: Schreibblock bereitstellen und den Computer anschalten. Man weiss ja, wie lange es geht, bis er gestartet ist. In unserem Grossraumbüro kann ich keine Kaffeeflecken auf dem Pult ausstehen. Ein solcher Flecken verdirbt mir den ganzen Morgen.
(Choelia begibt sich in den hinteren Teil des Raumes. Zwei Spediteure treten auf und blicken sich um.)
Spediteur 1: Die spinnt.
Spediteur 2: Ist das Schätzchen vom Chef.
Spediteur 1: Warum nur?
Spediteur 2: Ihre Figur kann es nicht sein.
Spediteur 1: Was er nur an ihr gefressen hat?
Spediteur 2: Sie haben heute Can geholt.
Spediteur 1: Weisst du mehr?
Spediteur 2: Durchgedreht.
Spediteur 1: Ist das die richtige Adresse?
Spediteur 2: Das ist sie.
Spediteur 1: Komm, wir gehen und holen das Material.
(Sie gehen. Choelia begibt sich weiter nach hinten und verrichtet etwas. Risotto und Rauch treten auf.)
Risotto: Die Tür stand offen.
Rauch: Also sind wir herein gekommen.
Risotto: Ohne anzuklopfen.
Rauch: Das ist der Tisch.
Risotto: Sprich nicht zu laut.
Rauch: Niemand darf uns sehen,
Risotto: Es ist nicht möglich, dass man uns nicht sieht.
Rauch: Sie ist am Tisch.
Risotto: Wir sind hier, also sieht man uns,
Rauch: Du hast recht.
Risotto: Wir sagen einfach nichts.
Rauch: Dann weiss niemand nichts.
Risotto: Wir müsse uns nicht verstecken.
Rauch: Weil sie uns eh sieht.
Risotto: Warum sind wir hier?
Rauch: Wegen der Whisky-Flasche.
Risotto: Hier muss sie stehen.
Rauch: Merk dir das.
Risotto: Stimmt.
Rauch: Der Ort ist bestimmt.
Risotto: Auf dem Tisch von Lauren.
Rauch: Das ist schon was.
Risotto: Trinkt die so viel?
Rauch: Weiss ich das?
Risotto: Wir kommen später wieder.
(Risotto und Rauch gehen. Lauren kommt herein und sieht Cans Pult an.)
Lauren: Schon wieder ein derartiges Chaos. Was ist denn da geschehen? Wohin wird das nur führen. Senf und Seife muss wieder Grund und Boden finden. Den Namen Senf und Seife kann uns niemand nehmen. Darum ist es wichtig, dass wir diesem Namen alle Ehre erweisen und ihn wirklich durch Dick und Dünn verteidigen, wie schwer die Zeiten auch sind. Wir haben hier schon Schlimmes durchgemacht. Senf und Seife ist nicht unbedingt der beste Name für ein Geschäft, das sich auf dem Markt durchsetzen muss. Was hohl tönt, muss mit Inhalten gefüllt werden. Auch wenn es sich bei diesem Inhalt lediglich um Senf und Seife geht, die sich beim geringsten Wasserkontakt auflösen oder in eine ungeniessbare Masse verwandeln. Der Laden darf sich einfach nicht verwässern. Und was ist er? Ein Geschäft sollte es sein. Ein Kindergarten ist es. Wie kann es mir nur gelingen, all diesen Leuten hier das richtige Spielzeug in die Hände zu geben, so dass sie erwachsen werden und das Geschäft nicht nur aus einem ständigen Gezänk besteht. Als ob wir hier nichts zu verkaufen hätten. Der Laden ist eine Phrase, eine Maske. Wie gebe ich ihm ein Gesicht? Ein Gesicht, dem ich am Morgen im Spiegel in die Augen schauen kann. Nicht dass ich mich falsch verstehe: Ich will nicht Chefin sein, hier. Aber ein Gesicht, das mir erklärt, wofür ich einstehe und wofür ich schaffe, Geld verdiene. Ach, dieses Geld. Wofür? Steht für die meisten, die hier bei Senf und Seife arbeiten, dafür, dass sie am Monatsende ihren Zahltag auf das Konto überwiesen erhalten.
Man muss es einen ganzen Monat lang in diesem Geschäft aushalten! Ideenlos. Als ob sich Senf und Seife wie ein Stehaufmännchen immer wieder aufrichte und ohne Neuerung erfolgreich verkaufen liesse. Stagnation ist ein schlechter Ratgeber. Dem Stillstand müssen wir aus dem Weg gehen. Trägheit bedeutet Rückgang. Wenn dies in diesem Laden andere nur auch verstehen würden! Hier herrschen jedoch nicht dieselben Regeln wie in jener Welt, wo sich Ware gewinnbringend verkauft.
Lin hat zu viel Geld in die Hände erhalten, und das an einem Stück. Solches verdirbt den Geist. Der plötzliche massive Einfall des Geldes hat ihm keine nachhaltige Dynamik verliehen. Er setzt heute auf andere Werte, als damals, als er zum Aufbruch blies, und seine Erbschaft für den Start dieses Unternehmens verwendete. Jetzt setzt er es ein, um das Geschäft zu erhalten.
Wie mache ich im klar, dass Geld, das sich im Geist festsetzt, weil es zu gut fliesst, ein schlechter Ratgeber ist. Zu viel Geld auf Sicherheit verdirbt den Charakter. Lin achtet nur noch darauf, dass er an der Macht bleibt. Senf und Seife kommen an zweiter Stelle. Die Position im Fluss ist ihm wichtig, nicht das Wasser das fliesst.
Wie bringe ich ihn dazu, dass Senf und Seife wieder flott wird und er sich uneigennützig für das Weiterbestehen einsetzt? An jedem Tag, den ich hier verbringe, stelle ich mir diese immer gleiche Fragen. Mich zermürbt es, dass ich einfach keine Antwort auf meine Fragen und Anliegen kriege. Wie kann es sein, dass wir arbeiten, die Bürostunden munter dahin fliessen und der Gewinn ausbleibt. Kann es sein, dass unser Geschäft sich flussabwärts bewegt, statt aufwärts strebt? Fühlt sich Lin etwa schwach in seiner Position, so dass es ihm nicht gelingt, auf innovativen Kräften aufzubauen?
Heute ist wieder so ein Tag, an dem sich nichts bewegen wird. Senf und Seife gemäss Vorschrift und Reglement verkauft werden wird. Nach Plan, wie es heisst. Wir müssen aber nach neue Wegen gehen, damit wir frische Märkte öffnen können. Es ist Morgen. Ich werde beobachten, wie der Tag sich entwickelt. Ich bin die Erste nicht, die bereits hier ist und tut, als ob sie sehr beschäftigt sei. Seltsam ist es aber heute hier, als ob etwas geschehen wäre. Es ist eine eigenartige Atmosphäre – als ob etwas in der Luft liege. Ich begebe mich mal an meinen Arbeitsplatz und achte darauf, was geschieht.
(Lauren tritt hinter ihr Pult. Vania kommt.)
Vania: Hallo, Lauren.
(Vania begibt sich hinter ihr Pult. Choelia kommt wieder nach vorne.)
Choelia: Ist alles erledigt?
Vania: Es ist alles erledigt.
Choelia: Das hast du gut gemacht. Ich werde es Lin gegenüber lobend erwähnen.
(Die drei Frauen arbeiten. Lauren begibt sich zur Kaffeemaschine und bereitet eine Tasse zu.)
Lauren (zu Choelia): Nimmst du auch einen Kaffee?
Choelia: Nein danke. Nicht jetzt,
Lauren (zu Vania): Nimmst du einen Kaffee?
Vania: Wenn du gerade dabei bist, kannst du mir einen rauslassen.
Lauren: Mit Zucker und Rahm?
Vania: Ja, beides.
(Lauren bringt Vania den Kaffee. Josselin kommt herein.)
Josselin: Guten Morgen.
Alle drei: Guten Morgen.
Josselin: Allerbestens!
Choelia: Alles bestens.
Josselin: Die Geschäfte florieren.
Choelia: Sie tun es.
Josselin: Wie viele Bestellungen kamen über die Nacht herein?
Choelia: Ich bin gerade am Nachschauen.
Josselin: Wie immer, wenn du den Bestelleingang kontrollieren musst. Es wird eine Bestellung mehr sein, als das Soll der Nacht vorsieht. Hast du überhaupt eine Bestellung erhalten?
Choelia: Du bist nicht lieb. Der Tag fängt erst an.
Josselin: Man wird schliesslich nachfragen dürfen. Es wäre einfach schön, wenn du ehrlich antworten würdest. Das würde mir die Arbeit erleichtern. Du musst mir keinen Senf auf die Lippen streichen und Seife auf meinen Weg schmieren. Ich muss einfach den Bestellungsstatus kennen, damit ich disponieren kann.
Choelia: Du darfst dich nicht über den Namen unseres Geschäftes lustig machen. Das ist unehrenhaft.
Josselin: Oh, meine liebe Choelia. Du mit deiner Ehre! Die lass nun einmal die Sache der Anderen sein. Wenn du dich dieser Angelegenheit annimmst, dann kannst du nur stolpern.
(Choelia antwortet nicht und blickt auf ihren Bildschirm. Josselin wendet sich an die anderen Beiden.)
Josselin: Bei Choelia ist heute Essig im Blutspiegel statt Cholesterin. Sie sagt nichts mehr. Wie ist es mit euch beiden?
Vania: Ich habe es schon gesagt: Hallo.
Josselin: Du bist heute recht kurz angebunden. Und du, Lauren, mobbst du mich auch?
Lauren: Nicht doch. Auch ich wünsche dir noch einmal einen schönen Morgen. Was stehen heute für Geschäfte an? Hast du schon Lieferungen bereitstehen?
Josselin: Oh, so weit bin ich noch gar nicht. Die Mails habe ich noch nicht abgefragt. Ich weiss nicht, ob mir Choelia etwas weitergeleitet hat. Möglicherweise ist aber bereits ein tolles Geschäft angesagt, das uns einen rechten Auftrieb gibt. Das können wir durchaus brauchen.
(Es klopft.)
Josselin: Wer wird es wohl sein?
Vania: Ich schau nach.
(Sie begibt sich zur Tür und öffnet.)
Vania: Ah, die Lieferung. Kommt herein. Die Schachteln könnt ihr hierher stellen. Wie viele sind es?
Spediteur 1: Zwölf.
Spediteur 2: Fünf mal Seife und sieben Mal Senf.
Josselin: Man könnte meinen, dass die Seife den Senf frisst und darum mehr von dem her muss. Am Geschäftsgang kann es nicht liegen, dass sich der Senf besser absetzt.
Spediteur 1: Das ist der Senf zum Tag. Die Würstchen dazu wurden nicht bestellt.
Spediteur 2: Ich seife dir dein Hirn ein, wenn du deine dummen Sprüche nicht sein lässt. Schliesslich sind die hier unsere Arbeitgeber, indem sie machen, dass wir liefern dürfen. Ohne solche Leute verdienen wir kein Geld. Also lass deinen Senf.
Spediteur 1: Zuvor wolltest du mir meinen Schädel einseifen. Jetzt schiebst du auch noch den Senf nach. Das ist etwas viel auf einmal. Besonders wenn du ihn aus diesen Schachteln nehmen musst.
Spediteur 2: Die Schachteln rühr ich nicht an. Sie gehören nicht uns.
Spediteur 1: Wenn du Senf und Seife nicht antatschen darfst, wie willst du sie mir dann verabreichen?
Spediteur 2: Ich kann nichts dafür, dass der Laden Senf und Seife heisst. Aber wenn man den Namen hört, dann weckt das einfach ganz bestimmte Assoziationen
Josselin So fertig geplaudert. Stellt die Schachteln dorthin.
Spediteur 2: Die Leute hier wollen arbeiten.
(Die beiden Arbeiter verschieben die Schachteln an den Ort, der ihnen von Josselin gewiesen worden ist und verlassen den Raum.)
Josselin: Wie viele Tage soll diese Lieferung hinhalten?
Vania: Das weiss Choelia.
Josselin: Choelia, wie lange reicht das Material?
Choelia. Du darfst nicht von Material sprechen. Das ist Senf und Seife.
Josselin: Du kannst auch sagen: Schall und Rauch! Beides verpufft schnell. Gib doch einfach eine klare Antwort. Dann wissen wir auch, wofür wir hier wo stehen.
Choelia: Der Senf und die Seife müssen erst einmal abgezählt werden, damit wir überprüfen können, ob die richtige Anzahl geliefert worden ist.
Choelia: Jedes Mal tönt die gleiche Leier. Nur damit du nicht zu antworten brauchst. Ob die Lieferung zahlenmässig stimmt? Noch nie stimmten in den genormten Schachteln die Anzahl der genormten Seife und das genormte Gewicht überein!
Choelia: Ich kontrolliere die Eingänge.
Josselin: Wunderbar! Und was ist mit den Mails? Ist etwas Vernünftiges darunter?
Choelia: Bei mir herrscht Ordnung. Ich kümmere mich erst um Senf und Seife. Vania, kannst du kontrollieren, ob die Lieferung stimmt.
Vania: Die Anzahl der Schachteln stimmt. Ich werde den Inhalt im Verlauf des Vormittags kontrollieren.
Choelia: Das ist ein vernünftiges Wort. Währenddessen überprüfe ich die eingegangenen Mails.
Josselin: Diese Kisten stehen hier im Weg und werden es noch lange tun, bis ihr sie kontrolliert habt. Wo stellen wir sie bis dahin hin, so dass sie uns nicht mehr im Wege stehen?
Vania: Die sollen erst einmal hier stehen bleiben. Das ist die Lieferung von heute. Sie sollen hier stehen bleiben. Dann wissen wir, was wir haben.
(Vania begibt sich zurück an ihren Platz.)
Josselin: Ja, das ist eine ganze Menge. Wohin sollen wir damit? Du hast recht, wohin sollen wir damit. Diese Frage stellt sich jedes Mal bei der Ankunft der Schachteln. Und wir wissen, was wir heute zu tun haben. Die Ware an den Mann bringen, das heisst also verkaufen, was noch nicht verkauft ist, Sind keine Einkünfte vorhanden, erhalten wie unseren Lohn nicht. Wo sich nichts verkauft, kommt kein Geld rein. Wir leben hier nicht von Subventionen. Auch weiss ich nicht, wie lange der Chef noch gut gepolstert auf seiner Reserve sitzt. Ich weiss nicht, wie lange wir den Keller noch mit Senf und Seife füllen können. Aber, ihr Lieben, auch ich begebe mich nun an meinen Arbeitsplatz. Und stört mich nur nicht beim Arbeiten. Es könnte meinem Ruf schlecht bekommen, wenn ich mich ablenken lasse.
(Alle sind vor ihrem Computer und bedienen diese. Es herrscht Ruhe. Lediglich die Tastaturen sind zu hören.)
(Lin tritt auf.)
Lin: Einen schönen guten Morgen.
Alle erwidern: Guten Morgen.
Lin: Ausgezeichnet. Wir sind alle wie immer gut gestimmt. Das ist ein wunderbarer Einstieg in den Tag und das Geschäft. Es floriert. Wir haben bereits einiges geleistet. Lasst euch nur nicht unterbrechen bei dem, was ist tut. Ich wünsche weiterhin frohes Schaffen. Alles, was wir für das Geschäft herein holen, dient der Förderung des Unternehmens.
(Lin begibt sich an sein Pult, startet seinen Computer und sagt dann:)
Lin: Was haben wir heute auf dem Programm?
Choelia: Wir haben viele Anfragen.
Lin: Wundervoll. Der Tag beginnt ausgezeichnet. Wir werden diese an unserer Sitzung behandeln. Wir sind alle gut gestimmt. Das ist ein optimaler Einstieg in den Tag, wie immer. Ich sehe, dass bereits fleissig gearbeitet wird.
(Alle arbeiten schweigend. Nach einiger Zeit:)
Lin: Gibt es etwas Besonderes zu vermelden, was für Senf und Seife von Belang ist?
Josselin: Senf und Seife entwickelt sich gemäss der planmässigen Vorgaben. Uns steht nichts im Weg. Wir bewegen uns vorwärts. Für Personalwechsel ist gesorgt und somit für Blutauffrischung. Das ist einem dynamischen Geschäft absolut bekömmlich.
Lin: Was meinst du damit?
(Auftritt Jorun)
Josselin: Ich bezeichne damit nur solches, was unser Geschäft fördert. Schmetterlinge also, die mit ihrem Geflatter unseren Geist wecken und mit ihrer Buntheit dafür sorgen, dass wir einen Kopf voller Ideen haben. Schmetterlinge sind aber, und darum müssen wir uns in Acht nehmen, zarte Wesen. Wenn man unbedacht in ihre Flügel greift, verletzt man diese, und es droht ihnen der Absturz. Das will niemand hier für Senf und Seife. Den schlechten Flügelschlag eines Schmetterlings würde hier niemand überleben. Darum bin ich der Meinung, an diesem frühen Morgen, dass wir die Schmetterlinge fliegen lassen und uns nicht an ihnen vergreifen, den neuen Ideen.
Lin: Du hast sehr präzise gesprochen. Die Botschaft habe ich dennoch nicht verstanden.
Josselin: Das liegt in der Weisheit von Senf und Seife letztem Schluss. Wir machen vorwärts und blicken nicht zurück. Der Blick zurück bremst nur wie eine schlecht geölte Deichselachse. Wir wollen nicht, dass es knirscht in unserem Haus. Das ist mein Rat für den Tag. Jeden Morgen gebe ich diesen ab. Er ändert sich nicht. Mit uns geht es vorwärts.
Lin: Ja, ich habe kapiert.
Jorun: Senf und Seife müssen meiner Meinung nach wirklich einen grossen Sprung nach vorne tun. Sonst sind wir ganz einfach, ich sage es deutlich, böse eingeseift. Niemand weiss besser als wir von Senf und Seife, welche Heimtücke in der Seife stecken kann. Bereits ein sanfter Wasserstrahl vermag die Seife, auch wenn sie mächtig zu Schaum aufgeschlagen wird, ganz einfach wegzuspülen. Wir können dann auch noch unseren Senf dazu beitragen. Das nützt aber nichts. Die Seife ist weg und damit die Hälfte unserer Existenz. Das heisst, ganz nüchtern betrachtet: Die Hälfte von uns wird geschädigt. Darum müssen wir vertieft darüber nachdenken: Was können wir aus Senf und Seife besser herausholen. Ich habe eine Idee und keine Frage. Wo ist eigentlich Can? Er ist in der Regel zuverlässig. Huch, ich weiche von meinem Thema ab. Meine Idee ist: Wir fügen unseren beiden Verkaufsschlagern Wasser bei. Das wird die Konkurrenz überraschen und auch die Kunden. Wasser, ganz einfach Wasser. Wasser kostet nichts und ist aus dem Wasserhahn erhältlich. Niemand wird uns den Wasserhahn streitig machen oder ihn gar abdrehen. Wasser zu haben, ist ein Menschenrecht, ganz so wie – Senf und Seife zu haben. Ich schlage vor, dass wir unsere Produkte wasserweich machen, oder besser: sie als wasserweich verkaufen. Dies isotonisch, antiseptisch, biologisch, antispezistisch und dazu auch noch vegan, alles in einem zu haben! Die Idee ist alles. Unser Marketing liefert den Rest. Das bist du, Josselin. Auf diese Weise erzielen wir einen Mehrwert, der die Kasse erfreut. Für die bin ich zuständig, also erfreut’s auch mich. Can ist aber wirklich nicht hier. Was ist mit ihm? Doch noch schnell zurück zum Mehrwert: Mit diesem erzielen wir Gewinn – und wir sind wieder für ein paar Tage über die Runden. Das ist mein Vorschlag. Ich gehe davon aus, dass bei Senf und Seife im Augenblick niemand einen besseren Vorschlag vorbringt, sich aber alle klar darüber sind, dass wir die Kasse besser füllen müssen, als dies bisher der Fall ist. Hat Can heute einen freien Tag? Immer diese abweichenden Fragen, wenn es ums Geld geht. Das Geld ist jedoch wichtig! Ist davon nicht genug oder bis gar nichts vorhanden, droht der Bankrott. Denn wir sind weder quersubventioniert noch überhaupt fremdsubventioniert. Wir können uns kein Quer wie auch keine Leerläufe leisten. Unsere Reserven sind, wie wir alle wissen, begrenzt und bauen sich gleichzeitig ab. Sie wachsen quasi aus dem Geschäft selber heraus. Ganz und gar schlimm wird es dann werden, wenn die Wurzeln keine Nahrung mehr erhalten. Darum, das mit dem Wasser und seiner Weiche ist etwas, das uns sicherlich weiter bringt.
Lin: Das hast du gut gesagt. Deine Idee zeugt von Talent. Solches benötigen wir, damit das Geschäft floriert. Nur, das mit dem Subventionieren, da geb ich dir recht. Wer Subventionen erhält, der kann sich Leerläufe erlauben, nutzlos Geld in Investitionen führen. Wenn jener Schiffbruch erleidet, dann decken das die Investoren ab. Da hast du recht: Mit Subventionen könnten wir in Senf und Seife falsch investieren und darum Bankrott gehen. Es wäre darum absolut gedankenlos, wenn wir, um auf deinen Wasservorschlag zurückzukommen, mit einem Swimmingpool werben würden, der mit Senf und Seife gefüllt ist. Subventioniert, täten wir solches! Nämlich in eine gedankenlose Zukunft. Wir hätten das Geld verschleudert und in eine sinnlose Initiative investiert. Würde man uns dieses Geld geben, wir würden es solcherart ganz einfach nur verlochen. Wir werden aber leider nicht subventioniert und müssen darum Ideen aufnehmen und umsetzen, die nicht einfach Geld verschlingen, sondern solches generieren. Darum finde ich deinen Vorschlag gut.
Choelia: Gefühlsmässig meine ich, dass Wasser zu nahe an Senf und Seife ist und darum wenig dazu beiträgt, unser Geschäft aufzuwerten.
Lin: Hat sonst noch jemand eine Meinung zu Joruns Vorschlag. Es muss kein Vorderlader oder Zweihänder sein. Eine gut vorgetragener, schicker Rat dient unserem Geschäft auch.
Josselin: Ich meine, wenn wir schon beim Vorschlag Wasser sind, dann wären Wassermelonen bestens dazu geeignet, unser Warensortiment zu vergrössern. Wassermelonen haben verglichen mit Senf und Seife den grossen Vorteil, dass sie schnell verderben. Der dadurch verursachte Druck auf unser Geschäft nötigte uns, die Dynamik in unserem Arbeitsablauf zu verbessern, nötigte uns, auch selber effizienter an unsere Aufgaben heran zu gehen, damit die Melonen verkauft werden können, bevor sie verderben. Darum denke ich, dass die Wassermelonen nicht den Wasserkopf unseres Unternehmen bilden, sondern dieses mit der Leichtigkeit einer Gazellen vorantreiben würden. Das ist mein Vorschlag.
Lin: Das ist ein guter Vorschlag. Choelia, willst du dazu etwas sagen?
Choelia: Das kann ich nicht. Ich kenne den Tagespreis der Melonen nicht.
Lin: Du hast gut geantwortet. Damit lässt sich im Handel etwas aufbauen. Ich blicke zuversichtlich in die Zukunft. Will noch jemand etwas zu den beiden vorliegenden Vorschlägen sagen?
Lauren: Ich halte sie beide, Wasser und Melone, nicht für überwältigend. Unsere Lagerhäuser –
Jorun: Lagerhäuser ist gut gesagt! Du siehst das viel zu optimistisch. Lagerhalle! Das ist schon um einiges realistischer.
Lauren: Ja, unsere Lagerhalle – oder unser Keller, der nicht grösser ist als ein Raum, der wenig fasst, ist nicht dazu geeignet, derart sperriges Gut wie Wassermelonen langfristig aufzunehmen. Dies bedürfte einer Investition in die Infrastruktur, damit wir die Melonen länger lagern und frisch halten könnten, so dass sie über die täglichen Schwankungen im Handel hinaus zum Verkauf und für gewinnorientierten Handel taugten.
Jorun: Du sprichst mir aus der Seele. Du nimmst deine Verantwortung für die Logistik bei Senf und Seife ernst.
Lin: Das mit der Investition in den Keller ist wirklich ein guter Vorschlag. Dort hat es noch Raum. Den Ausbau müssen wir ins Auge fassen.
Choelia: Der Keller ist dunkel. Ich weiss nicht, ob ich mich dort hinab getraue. Eine gute Beleuchtung wäre angebracht.
Jorun: Wir könnten Scheinwerfer im Keller installieren. Aber auch diese werden dich nicht erleuchten.
Choelia: Du bist böse.
Jorun: Ich halte an meinem Vorschlag fest. Wasser ist ein günstiger Rohstoff. Wir müssen vom Niedrigpreis profitieren, solange er tief ist. Mit Wasser werten wir Senf und Seife auf. Wir müssen den Senf nicht gleich in Seifenschaum verwandeln, den unser Wasser gleich wieder wegspült. Wir müssen vielmehr klug vorgehen und heraus finden, wo der Mehrwert von Wasser bei Senf und Seife gewinnbringend zum Zuge kommen kann. Genau an diesem Punkt müssen wir zupacken und Geld investieren, das unseren Laden frisch hält. Geld, das den Eingang zu uns herein findet und auf diese Weise das Kapital erhöht.
Choelia: Also, ich habe das Gefühl, dass hier etwas viel von Wasser gesprochen wird. Ich habe einfach nicht die Beziehung zum Wasser, die mir erlauben würde, mich für Wasser zu erwärmen. Es bräuchte schon etwas Handfesteres.
Jorun: Altes Wasser in Weinschläuchen oder, wenn du es willst, umgekehrt.
Josselin: Das mit deinen Gefühlen ist uns allen bestens bekannt. Wenn aber das Wasser als warmes Duschwasser über deinen Körper fliessen würde, dann könntest du ganz bestimmt eine gute Beziehung zu diesem Wasser aufbauen, das Senf und Seife nützlich sein könnte. Aber angesichts dessen, dass du mit dem Wasser, das Jorun meint, nichts anzufangen weisst, kann ich deine Wortmeldung und Ideenlosigkeit nur mit der Bemerkung quittieren: Lasst an Choelia das Wasser abperlen, aber für Senf und Seife fruchtbar werden. Ich denke, wir müssen die Perle, die Jorun aus dem Meer gefischt hat, gut aufbewahren und darauf Sorge tragen, dass fremdes Wasser uns diese nicht wegspült.
Choelia: Willst du etwa einen Staudamm bauen?
Lauren: Ich sehe, auch heute kommen wir nicht weiter. Aber ich denke, dass wir das mit dem Wasser, auch wenn es nicht Wasser sein muss, im Auge behalten sollten. Der Vorschlag enthält als seine Perle die Idee, dass wir für die Zukunft wirklich etwas Neues aufbieten müssen, damit wir bestehen können.
Lin: Lauren, du hast sehr klug gesprochen. Gibt es sonst noch etwas zu vermelden, das ich wissen müsste, könnte, sollte?
Vania: Can wurde heute Morgen vom Krankenwagen geholt.
Lin: Hat er schlecht geschlafen?
Vania: Er ist zusammengebrochen.
Lin: Wer hat angerufen?
Vania: Die von nebenan.
Lin: Wie die von nebenan?
Vania: Die vom Büro nebenan.
Lin: Wie? Die von nebenan. Ist es hier passiert?
Vania: Ja, hier, heute Morgen.
Choelia: Es war schrecklich.
Lin: Du hast es gesehen?
Choelia: Ich war da.
Josselin: Als Choelia kam, war der Krankenwagen schon fast da.
Choelia: Ihr habt sehr gute Arbeit geleistet. Ich habe gesagt, dass ich es Lin sagen werde.
Lin: Was ist genau passiert.
Vania: Can war bereits da, als ich gemeinsam mit Manu eintraf. Er musste hier etwas erledigen, Ich richtete mich im Büro ein. Und dann begann Can auf einmal zu schnaufen. Immer fester. Er sackte zusammen und fiel zu Boden. Er war total verkrampft. Zum guten Glück kam Josselin herein. Zu Dritt haben wir versucht, Can so gut zu helfen, wie es ging. Niemand hier hat eine medizinische Ausbildung und wusste genau, was zu tun war. Wir haben seine Atemwege frei gehalten und ihn ruhig gehalten, so dass er sich vielleicht entkrampfte.
Lin: Wann war Choelia da?
Vania: Sie ist gekommen, als alles bereits in die Wege geleitet war und die Kollegen im Büro nebenan den Krankenwagen bereits gerufen hatten.
Lin: Das ist gut.
Choelia: Can hat gute Arbeit geleistet.
Jorun: Can leistet gute Arbeit. Du hast ihn offenbar bereits abgeschrieben.
Choelia: Was unterstehst du dir, mir zu sagen?
Lin: Nun, ich schlage vor, dass wir heute weiter arbeiten, wie wir es bereits getan haben. Wir werden dann sehen, wie es weiter geht.
Choelia: Ich habe noch keinen Anruf erhalten.
Lin: Wie ist der Bestellungseingang?
Josselin: Bei mir ist noch nichts eingetroffen. Wir müssen uns wirklich etwas einfallen lassen, was das Geschäft weiter bringt. Etwas, das wir neben dem Wasser und den Wassermelonen Senf und Seife beifügen können, etwas, das das Angebot ergänzt und erweitert.
Choelia: Wir vertrauen fest auf Senf und Seife. Das ist unser Geschäft. Das ist das Geschäft, das wir kennen.
Vania: Bei mir ist der Geschäftseingang auch negativ. Der Briefkasten war leer.
Lin: Es ist für uns einfach wichtig, dass es irgendeinen Bestellungseingang gibt. Wir liefern den Senf und auch die Seife dazu, das Wasser aber reichen wir nicht. Dieses könnte das Wenige wegspülen, das wir liefern. Das würde heissen: An Geld erreicht uns noch weniger, als uns bisher erreichte. Darum soll eine unserer Grundregeln heissen: Das Wasser liefern nicht. Sonst wird uns die Konkurrenz vorwerfen, wir lieferten das Wasser, um deren Produkte weg zu spülen, dies nur damit wir unsere besser verkaufen können. Nicht preisgünstiger. Aber besser.
Choelia: Senf lässt sich mit Wasser nur schlecht wegspülen. Darum liefern wir Senf. Damit dieser nicht vom Wasser weggespült wird, sollten wir den Verkauf von Seife einstellen, die es braucht, um die Flächen vom Senf rein zu halten.
Josselin: Was wir brauchen, sind nicht saubere Flächen, sondern etwas, das auf dem Teller ist, so dass wir unseren Senf beifügen können. Die Strategie für einen klug durchdachten Werbeauftritt bedingt dann, dass wir die Seife ins Spiel bringen, damit der Tisch wieder sauber wird und Senf von Neuem als Beilage für neu servierte Speisen bereitgestellt werden kann.
Lin: Das ist eine bestechende Idee. An diesem Vorschlag müssen wir weiter arbeiten. Ich muss sagen, das ist wirklich ein ausgezeichneter Vorschlag. Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen, wie man so sagt.
Choelia: Ja, das ist eine sehr gute Idee.
Josselin: Wir müssen die positive Interaktivität von Senf und Seife herausstreichen. Also nicht etwas, das sich gegenseitig abstösst, wie Senf und Seife es tun. Sondern etwas, das sich aus unserer Sicht bestens ergänzt, wie eben Senf und Seife. Senf dient dazu, die Speisen zu versüssen, nicht als Zuckerguss, aber im übertragenen Sinn als leckere Beilag zu Würsten. Seife dagegen dient dazu, den Teller von den Senfresten zu befreien, so dass der Senf auf den sauberen Tellern erneut zum Einsatz kommen kann. Das nennen wir den Kreislauf von Senf und Seife. So bringen wir unsere Produkte an unsere Kundschaft, an Frau und Mann.
Lin: Den Vorschlag müssen wir vertiefen.
Josselin: Ja, wir fügen ihm eine philosophische Note bei. Zum Beispiel: Wir sollten vom ewigen Kreislauf von Senf und Seife sprechen und mit diesem Slogan werben. Mit dem Bild vom ewigen Kreislauf stossen wir in einen Markt vor, den wir überhaupt noch nicht erschlossen haben, der sich noch gar nicht für Senf und Seife interessiert hat.
Jorun: Für alle, die es nicht gemerkt haben: Bei dieser ewigen Wiederkehr handelt es sich um ein Zitat eines berühmten Philosophen. Der ist aber schon längst über ein Jahrhundert tot. So besteht urheberrechtlich überhaupt keine Gefahr, wenn dieses rhetorische Element in unserem neuen Slogan einfliesst. Über diesen Fakt müssen wir sämtliche Mitarbeiter von Senf und Seife instruieren. Denn, wenn sich in Bezug zu Nietzsche ein Mitarbeiter blamiert, dann gereicht dies zum Schaden unseres ganzen Geschäftes.
Lin: Das ist eine gute Idee. Wir werden einen Kurs zu Nietzsche organisieren. Das ist ein guter Vorschlag und wir werden diesen umsetzen. Er dient der Entwicklung unseres Geschäfts. Und er beweist auch, dass wir für Innovationen absolut offen sind. Ich stelle fest: Der Morgen entwickelt sich vorzüglich. Wir haben gut gearbeitet. Ich schlage vor, dass wir zur wohlverdienten Pause schreiten.
Choelia: Ja, ich unterstütze den Vorschlag.
Vania: Was, jetzt ist bereits Pause.
Lauren (zu sich): Nun, wenn es heisst, jetzt ist Pause, dann muss gelten, was Lin sagt, auch wenn ich nicht verstehe, warum jetzt bereits Pause sein soll.
Lin: Ich denke, wir machen jetzt Pause.
(Alle ab, ausser Lin. Beim Weggehen Jorun zu Josselin:)
Jorun: Wir haben heute Morgen eine grossartige Leistung erbracht. Schmetterlingsflügelschlag hätte hier mehr Staub aufgewirbelt als all unsere nutzlosen Gedanken. Diese sind in nichts anders als Seifenschaum gedrungen. Falls man sie als Bündel zusammengefasst hätte, dann wäre dieses in den Staub geworfen worden, um dort vergessen zu werden.
Josselin: Sarkasmus bringt Senf nicht weiter als Seife. Die Pause ist nur ein Verschnaufen. Lin braucht dieses. Er muss aus der ganzen mündlichen Post, die ihn erreicht hat, herausfiltern, was er zu tun hat.
Jorun: Du sagst es.
(Beide weg.)
Lin: Can ist zusammengebrochen. Das ist nicht gut. Ich hatte ihn in der Hand. Was soll ich jetzt tun? Sollte er zurückkommen, kann ich ihn nicht mehr brauchen. Sein Zusammenbruch wirft ein schlechtes Licht auf mich. Ich könnte ihn aus Grossmut notfalls mit einer Nebenaufgabe beschäftigen. Seine Autorität ist angeschlagen. Das ist weiter nicht schlimm. Er ist angeschlagen. Das hat ihn zu Fall gebracht. Er ist schwach. Er wird mir nicht gefährlich werden. Ein Wort nur vor den Anderen von mir über seine Schwäche und er wird kuschen. Und begehrt er auf, dann weiss ich, dass ich ihn nieder kriege, weil er schwach ist. Er ist zusammengebrochen. Das ist das schlechteste Vorzeichen, um Macht zu gewinnen.
(Das Telefon läutet. Lin nimmt ab.)
Lin:
- Nein, nicht Seife und Senf. Aber Senf und Seife. Auf die richtige Reihenfolge kommt es an.
- Ganz richtig: Zuerst wird der Senf beigefügt und dann wird er mit Seife weggewaschen.
- Ja, ich weiss, das war ein Witz.
- Sicher, bei Senf und Seife lieben wir Witze.
- Nein, Senf und Seife ist kein erheiterndes Programm, sondern ein handfestes Produkt.
- Sicher, auch wenn die Seife zwischen den Fingern davonfliesst.
- Ja, sofern Wasser beigefügt wird.
- Sicher, Seife gewährt nicht genug Halt. Senf bildet bei uns kein Gegengewicht zu Seife, die wir ebenfalls in unserem Angebot führen. Es ergänzt sich beides auf wunderbare Weise. Senf gibt es nicht ohne Seife und Seife nicht ohne Senf. Das ist unser Geschäftsmodell und es hat sich bis heute bewährt.
- So werden wir es auch in Zukunft halten.
- Davon bin ich überzeugt.
- Das versteht sich von selbst.
- Das verstehe ich nicht.
- Warum rufen sie überhaupt an?
- Was, sie wollen nichts bestellen.
- Das war eine Umfrage?
- Dann habe ich meine Zeit mit ihnen vertan,
- Nichts für ungut. Es war mir ein Ehre, mich mit ihnen unterhalten zu können, zu dürfen, zu haben.
- (Lin hängt auf)
Lin: Das war wieder so ein überflüssiges Telefongespräch. Man wollte Senf und Seife auf den Arm nehmen. So etwas lasse ich mir nicht bieten. Man muss aber auf diese Telefonate immer antworten und dabei noch seriös bleiben. Denn man weiss nie, wer hinter dem Anruf steckt. Für mich wäre es natürlich angenehmer gewesen, wenn nicht alle in der Pause steckten. Dann hätte sich nämlich jemand anderes an diesem Telefonat die Finger verbrannt und ich hätte die Person aufgrund ihrer Antworten – in unserem Büro hört jeder mit – gerügt. Ganz sachlich und diskret, auch wenn Choelia den Anruf entgegen genommen hätte. Und nun stellt sich die Frage. Durch wen ersetze ich Can? Es muss kein Alleskönner sein. Ein solcher kann mir gefährlich werden. Diese Person muss schwach und erpressbar sein. So bleibe ich stark. Einen Pädophilen haben wir nicht bei Senf und Seife. Pornographie genügt nicht, um jemanden gefügig zu machen. Es muss eine andere Lösung her. Und die heisst Choelia. Sie hat ein Kind. Sie braucht den Job. Sie habe ich in der Hand. Es wird mir ein Leichtes werden, meine Herrschaftssituation zu wahren. Nur ein Wort bezüglich der Zukunft des Kinds und ihrer eigenen Anstellung und schon ist das Problem gelöst. Sie ist auch nicht die Hellste.
Ein Wort darf ich unter keinen Umständen in den Mund nehmen, ein Wort, das mich als Patriarchen ausweisen könnte. Freundlich bleiben, das ist mein Los. Ich denke, Choelia mit ihrem Kind ist die richtige Antwort auf den Zusammenbruch von Can. Sie wird mir in den Arsch kriechen, weil dieser mir gehört. Ich werde ihn ihr nicht verbieten. Will ich meine Macht erhalten, dann muss mein Arsch für viele weit offen sein. Dort soll sich jeder hinein schieben, der mir meine Macht nehmen will. Ich werde ihn zerdrücken. Ich habe die Macht in meinen Händen, meinen Arsch zu schliessen und jene zu zerquetschen, die in diesen hinein gekrochen sind. Ich habe das Geld. Senf und Seife wird auf dieser Grundlage weiter bestehen und mich als Direktor des Unternehmens nachhaltig mit Ansehen auszeichnen. Das nennt sich Nachhaltigkeit – nicht nur bei Senf und Seife.
Wir sind kein Geschäft, das besser ist, als andere. Aber wie die anderen Geschäfte will auch Senf und Seife weiter bestehen, auch wenn der Name nicht auf Fels und Eisen gebaut ist. Wasser höhlt den Felsen aus und macht Eisen rostig. Diese Wahrheit stimmt mich zuversichtlich. Auch wenn Can nicht mehr kann und ich einen Ersatz für ihn bestimmen muss. Aus Senf darf kein Rost werden, der mich zersetzt, und aus der Seife kein Fels, der nicht stärker ist als der Senf, den ich erzähle. Was doziere ich da über Senf und Seife, Fels und Eisen! Es geht um mich und nichts anderes. Damit Senf, Seife und ich weiterhin bestehen können, muss ich also jetzt diesen Entscheid fällen, so eisenhart, wie es notwendig ist.
Choelia, eine Sprosse die Karriereleiter hoch, das passt. Und Josselin? Er ist begabt, aber nicht erpressbar. Er ist gut, zu gut. Er könnte mir gefährlich werden. Jorun wäre auch eine Möglichkeit. Er ist witzig, frech und arrogant. Er nennt die Probleme beim Namen. Das könnte mich in Schwierigkeit bringen. Wen kann ich noch Revue passieren lassen? Lauren. Was ist mir ihr? Sie kennt sich im Geschäft aus und kann auch gut geschäften. Sie hat Übersicht, sie weiss, was wir zu tun haben, kennt die Wege, die dahin führen, wo das Geschäft florieren kann. Dennoch. Sie ist nicht eine Gefahr für das Geschäft, aber für mich. Das Sagen hier habe ich und drein reden lasse ich mir nicht, auch wenn ich im Fehler bin. Und darum kann Lauren nicht die Nachfolgerin von Can werden.
Was ist mit Vania? Sie tut brav ihre Arbeit. Sie könnte als Variante zu Choelia taugen. Aber, wie mache ich mir Vania gefügig. Sie ist hübsch. Ich könnte sie im sexuellen Bereich kompromittieren, was das auch heissen soll. Ihr etwa ein Kind anhängen.
So etwas könnte für mich zu einem bösen Rohrkrepierer werden. Wenn ich die Verantwortung für Senf und Seife weiterhin tragen will, dann muss ich absolut integer sein. Wenn ich mich mit Vania in irgendeine Affäre einlasse, kann mir dies zum Verhängnis werden. Meine Karriere will ich mir durch Vania nicht verderben lassen, die mich gegebenenfalls rückerpressen könnte. Darum die Finger weg von Vania auch als Nachfolgerin von Can. Habe ich Jorun bereits aus meiner Liste gestrichen? Sein flinkes Mundwerk könnte den Laden weiterbringen. Die Geschäftsleute lieben es, wenn sie mit jemandem gescheit parlieren können, der die Angebote gekonnt einseift. Jorun vermag das Gefühl zu vermitteln, er rede kompetent über das, worüber er spricht. Als sitze er nicht auf einem Bürohocker, sondern spreche aus reicher Erfahrung. Solche Auftritte lassen sich hervorragend in Geld ummünzen. Das ist exzellent für das Geschäft. Auch Senf und Seife würde es bekommen. Aber trotzdem: Jorun taugt ebenfalls nicht als Nachfolger Cans.
Im Zentrum des Geschäfts stehe ich. Und da hat es keinen Platz für zwei. Ich darf mich durch einen unbedachten Entscheid nicht von meinem Platz verdrängen lassen. Darum: Cans Nachfolge kann nur Choelia antreten. Sie hat ein Kind. Das trage ich als Pfand gegen Choelia in meinen Händen und merke mir: Das Kind nenne nie bei seinem Namen! In Grunde ist dies Ausdruck einer schweinischen Vorgehensweise. Was soll ich aber tun. Ich habe keine Alternative. Auch ich will überleben. Ich kann niemanden an meiner Seite haben, der mir einen Dolch in den Rücken stösst. Der Entscheid ist gefallen. Ich werde der Form halber noch ein paar Gespräche führen. Nur, mit wem? Ich habe das Sagen. Auch dieser Entscheid liegt bei mir. Ich überlege mir das mal in aller Ruhe. Jetzt ist einstweilen: Pause.
(Lin ab. Auftritt der drei Attentäter.)
Rauch: Er ist weg.
Ratte: Er war geschwätzig.
Risotto: Das ist die Gelegenheit.
Rauch: Der Moment.
Ratte: Die Ecke auszumessen,
Risotto: Wo der Whisky stehen soll.
Rauch: Grundsätzlich stellt sich die Frage:
Ratte: Muss es Whisky sein?
Risotto: Alkohol stinkt in jeder Form gleich.
Ratte: Muss also nicht Whisky sein.
Risotto: Was soll es dann sein?
Rauch: Flüssig, hat es geheissen.
Ratte: Alkohol fliesst jeden Rachen runter.
Risotto: Es darf auch etwas Anderes sein.
Ratte: Was soll den Rachen hinab?
Risotto: Das ist nicht die Frage.
Rauch: Wir müssen die Antwort haben.
Risotto: Sonst bleibt die Frage unbeantwortet.
Rauch: Aber hurtig, schnell, das sage ich euch
Ratte: Die Pause ist bald fertig.
Risotto: Nicht die unsere.
Ratte: Die ihrige.
Rauch: Sie kommen zurück.
Risotto: Dann sind wir weg.
Ratte: Sonst gerät der Streich zum Strich,
Rauch: Der durch unsere Rechnung zieht.
Ratte: Wir müssen gehen.
Risotto: Bevor es heisst:
Ratte: Ihr müsst gehen.
Rauch: Ist das ein Gehetze.
Risotto: Wir müssen den Anschlag planen.
Ratte: Vorsorge treffen.
Rauch: Auch wenn sie uns nicht Zeit lassen.
Risotto: Das ist eine grobe Angelegenheit
Ratte: Und der Whisky ist der Senf dazu.
Risotto: Da fehlt noch etwas, irgendetwas dazu.
Ratte: Ich würde sagen:
Risotto: Die Liebe.
Rauch: Wenn wir die verwenden, dann fahren wir gut.
Risotto: Liebe werden wir an dem Ort nie finden.
Rauch: Whisky bekanntlich auch nicht.
Risotto: Darum müssen wir ihn bringen.
Ratte: Liebe und Whisky, das gibt eine grosse Sache.
Risotto: Das weiss ich nicht recht.
Rauch: Den Whisky haben wir nicht.
Risotto: Die Liebe gibt es hier nicht.
Ratte: Da ist schwer Abhilfe zu leisten.
Rauch: Den Whisky bringen wir her.
Risotto: Die Liebe anderswo hin.
Ratte: Im Puff gibt es beides.
Rauch: Das bringen wir her.
Risotto: Die Seife wäscht’s weg.
Ratte: Wir senfen ihnen die Seife ein.
(Auftritt Choelia)
Choelia: Was macht ihr da?
Risotto: Wir ermessen den Raum.
Rauch: Wie aufgetragen.
Choelia: Wir arbeiten hier.
Ratte: Wir orten den Platz aus.
Choelia: Macht, dass ihr verschwindet, Deppen. Man wird euch noch sehen.
(Alle drei Attentäter weg.)
Choelia: Sie sind weg. (Blickt die Schachteln an.) Was machen wir nur mit diesen Schachteln. Das geht mich eigentlich nichts an. Dafür bin ich nicht zuständig. Lauren ist für die Logistik zuständig.
(Vania, Lauren, Josselin und Jorun treten auf.)
Jorun: Das war wirklich wieder eine gute Pause. Der Spass ist vorbei. Jetzt beginnt die harte Arbeit. Wir haben ein paar Schachteln stehen. Was machen wir damit? Zum Fenster hinaus. Das schafft Ordnung. Das hast du doch gern, Choelia, Ordnung?
Vania: Also bitte Jorun. Die Pause ist vorbei. Bleib ernst. Die Schachteln bleiben hier. Sie enthalten das Wesen unseres Unternehmens.
Jorun: Wesen ist gut! Seife, die sich leicht wegspülten lässt, und Senf, der sich überhaupt nicht als Stabilisator eignet.
Vania: Davon leben wir nun einmal. Das ist unser Brot. Sie liefern uns unseren Lohn.
Josselin: Ja, das schon. Aber die Schachteln, die hier herum stehen, bringen auf diese Weise keinen Mehrwert, der uns als Lohn dienen kann. Und nebenbei gesagt: Hat jemand von uns den Inhalt überhaupt überprüft? Wir wären schön mit Senf angeschmiert, wenn uns lediglich Seifenblasen geliefert worden wären.
Jorun: Du sollst nicht über Seifenblasen spotten. Diese zu verkaufen ist schliesslich unser Metier. Wir legen brav all unser Können in die Unmöglichkeit, diese Blasen unverdorben an den Mann zu bringen.
Josselin: Die eine oder andere zerplatzt, und dennoch besteht unser Geschäft.
Vania: Wie gesagt: Die Pause ist vorbei und damit auch das Gezänk. Konzentriert euch auf die Arbeit.
Jorun: Die Schachteln stehen nach wie vor da und niemand räumt sie weg. Das erweckt einen schlechten Eindruck auf jemanden, der unversehens hereintreten und sich als Kunde entpuppen könnte. Die Schachteln müssen weg.
Vania: Ja, nur wohin?
Choelia: Wie war es mit der letzten Lieferung?
Josselin: Die liegt schon etwas zurück.
Jorun: Soweit reicht unsere Erinnerung nicht. Ich denke etwas vor: Choelia sitzt etwas ab vom Geschehen. Ich denke, die Schachteln finden am besten hinter ihrem Rücken Platz. Niemandem, der zufällig vorbei kommt, wird es auffallen, dass sich dort unser Lager befindet.
(Auftritt Lin)
Lin: So, wie stehen die Geschäft?
Jorun: Diese Schachteln stehen uns im Weg.
Lin: Die müssen weg.
Choelia: Nein, nicht weg. Ich schlage vor, dass wir sie im hinteren Teil des Raums deponieren. Dort fallen sie nicht auf, wenn jemand herein kommt.
Lin: Ich verstehe nicht. Warum sollten sie nicht auffallen. Kunden, die kommen, sollen sehen, dass wir Ware haben. Senf und Seife muss nichts verstecken. Aber ich gebe dir, Choelia, recht: Herumstehende Schachteln passen nicht in das Bild eines geordneten Unternehmens. Sie sollten nicht mitten in unserem Geschäft stehen. Was denkt ihr: Sollen wir die Schachteln etwas zur Seite rücken? Links oder rechts? Josselin, du hast immer gute Ideen. Was denkst du?
Josselin: Zu den Schachteln fällt mir nichts anderes ein, als dass wir sie wegräumen sollten. Jetzt sieht das ganz danach aus, als würden wir uns um Ware nicht kümmern, die für die Kunden bestimmt ist. Und das macht einen ganz schlechten Eindruck.
(Die Klingel geht.)
Lin: Es kommt jemand. Jorun, schau mal nach, wer kommt.
(Jorun blickt in seinen Bildschirm.)
Jorun: Der Schlächter steht unten.
Lin: Auch das noch. Zuerst Can und nun auch noch er. Das wird heute noch heiter werden.
Jorun: Er kommt rauf.
Josselin: Die Schachteln müssen weg.
Lin: Lasst sie stehen. Es sieht dann aus, als hätten wir Betrieb.
Lauren: Es sieht hier schlecht aufgeräumt aus.
Vania: Als ob keine Ordnung wäre.
Jorun: Er ist ein guter Kunde. Dem müssen wir etwas vormachen.
Choelia: Die Ehre des Hauses steht auf dem Spiel.
Jorun: Da täuschst du dich. So weit abgesunken ist Senf und Seife noch nicht. Aber mit dem Abgang Cans bietet sich vielleicht die Möglichkeit, das Schiff mit seiner neuen Matrone ganz zu versenken.
Choelia: Untersteht dich, so etwas zu sagen! Wie könnte ich mir anmassen, kaum ist Can weg, seine Nachfolgerin zu werden.
Jorun: Ein sinkendes Schiff gestattet alle Varianten zu seiner Rettung. Ist der Kahn nur genug marode und geistig abgetakelt, dann nützen all diese jedoch nichts.
Josselin: Lomo steht vor der Tür. Er darf uns nicht versenken. Wir werden uns mal seine Wehklage anhören und dann schauen, was wir Kluges daraus machen.
Jorun: Mit der Menge, die er uns abnimmt, lässt sich kein Gewinn erwirtschaften. Er ist zudem geizig. Ich werde ihm als Botschaft lediglich überbringen: Fleisch will mit Senf gesättigt werden. Wer in diesem Haus eine andere Meinung vertritt, ist hier fehl am Platz. Senf gehört – wie Marmelade aufs Brot – direkt aufs Fleisch gestrichen. Das wird meine Botschaft sein. Sie wird ihn besänftigen. Er als grosser Fleischverkäufer braucht viel Senf.
Choelia: Senf ist keine Massenware, die sich wie eine Chemikalie in Fässern verkaufen lässt. Senf ist eine zarte Essenz, die sich nicht als Stückgut verkauft. Das musst du ihm sagen. Lieber weniger verkaufen, dafür besser liefern. Das ist meine Meinung.
Jorun: Wieder so einer deiner hohlen Werbesprüche. Mit so etwas kannst du ganz sicher nicht den Preis unserer Ware hoch jagen, damit dir am Ende des Monats doch dein Lohn ausgezahlt werden kann. Der Schlächter, der nun kommt, muss mit Handkuss begrüsst werden, damit er besser bezahlt, was er bei uns bezieht. Wenn wir ihn nicht küssen, das überlasse ich euch Frauen, und mit diesem Kuss seine Eitelkeit bürsten, dann wird er zum Darm, der uns ausstösst. Ihr versteht, was ich meine. Das Produkt, das ihr, sagt er aus seiner Sicht, verkauft, stinkt zum Himmel und der Preis, den ich zahle, sagt er, ist Senf und Seife nicht wert. Darum sage ich, also er: Streicht euch die Seife unter die Nase, damit nicht die Seife unser Lohn wird, die sich ganz einfach mit Wasser wegspülen lässt und eure pekuniäre Ernte nur aus einer Rente bestehen wird. Darum: Unsere Erwartungen an den Schlächter messen sich nur mit einem Stück Fleisch auf, das ungeniessbar ist, weil er es mit zu wenig Senf eingestrichen hat.
Vania: Der Schlächter kommt.
Lauren: Jorun, halt dich zurück. Wir erhalten Besuch.
Choelia: Er könnte wie alle über das Internet bestellen und bräuchte nicht hierher zu kommen. Er hält uns nur beim Arbeiten auf.
(Lomo Auftritt.)
Lomo: Warum wohl bin ich hier, ihr Leute? Hallo! Ist die Seife als Blase zerplatzt, bevor ihr sie an den Abguss heran brachtet, den sie reinigen soll? Lieber Freund Lin, das war ein schlechter literarischer Scherz, den ihr mir verzeiht, weil ich Humor habe.
Lin: Dir ist verziehen.
Lomo: Wir ihr wisst, rede ich gern. Und hier, bei euch, kann ich wundervoll Senf von mir lassen, weil ihr vom Fach seid. Euer Senf formt meine Seife zu einer Blase, die birst, sobald eure Antworten diese berühren. Aber in Sachen Senf und Seife seid ihr Fachleute. Ihr versteht darum, was ich meine. Darum erwächst mir bei all dem Geschwätz, das ich hier anbringe, kein Schaden. Weder für euch – nur für mich.
Lin: Komm auf den Punkt.
Lomo: Jetzt wird es ernst. Die Sache ist die: Den Senf, den ihr mir aufschwatzt, entspricht der Blase, die eure Seife aufbläht. Bei der Konsistenz eurer Produkte liegt eine Verwechslung vor. Merkt euch: Senf ist nicht Seife und Seife nicht Senf. Ein für alle Mal! Eine scharfe Trennung liegt zwischen Beidem vor. Aber was sage ich da! Dummkopf, der ich bin! Ihr seid ja vom Fach. Darum werdet ihr hier, klug wie ihr seid, verstehen, wenn ich euch sage: Das Fleisch, dass ich vertreibe, ist nichts anderes als seifengetriebene Wegwerfware. Das war schon wieder poetisch gesprochen, trifft den Kern der Sache aber mitten auf den Kopf. Konkret bedeutet das, dass niemand ein mit eurer Lösung eingeseiftes Fleisch haben will. Zum guten Glück verfügt das Angebot, das ich feil halte, auch noch über anderes Fleisch. Hätte ich nicht diese Reserve, ich wäre längst verlumpt.
Lin: Komm auf den Punkt.
Lomo: Ein Geschält soll zahlen, muss Gewinn abwerfen! Das wisst ihr so gut wie ich. Ihr wollt, dass ich zahle. Ich frage: wofür? Der Senf, den ihr mir geliefert habt, ist die Seife nicht wert, die ich weggespült habe. Denn der Senf war wie die Seife ohne Würze. Womit soll ich also mein Fleisch majorisieren? Ich schlage euch ein Tauschgeschäft vor: Ich gebe euch das Fleisch, ihr mir den Senf, der macht, dass ich euch mein Fleisch überlasse. Schlechten Gewissens natürlich nur verkaufe ich euch danach den Senf, mit welchem ihr anschliessend das euch gewordene Fleisch einschmieren könnt. Wie es euch gelingt, euren schlechten Senf zu verkaufen, so wird es euch auch gelingen, das durch euren Senf schlecht gewordene Fleisch zu verkaufen. Diese Fähigkeit spreche ich euch nicht ab. Im Gegenteil, gehe sogar davon aus, dass ihr euch zutraut, was ich euch zutraue. Das war schon wieder poetisch gesprochen. Ihr habt aber schon verstanden, was ich euch mitteilen will. Das sehe ich euch an.
Jorun: Wir lieben deine Poesie, Lomo.
Lomo: Ich weiss, die Poesie gibt euch die Hoffnung, dass ihr die Zeit zerredet, die uns zur Verfügung steht, und ich darum unverrichteter Dinge abziehen muss. Aber, macht euch nur keine Hoffnung: Ich bin kein Poet! Ich sage nur: Die letzte Lieferung war unter jeder Kanone, die Qualität derart platt gewalzt, als wäre wirklich eine schwere Kanone über diese hinweg gefahren. War das Pulver nicht wert, das ihr mir als Senf und Seife angepriesen habt. Die Kanone gab nur eine leichten Furz von sich statt eines stattlichen Knalls.
Lauren: Wir haben geliefert, was du bestellt hast, und in der besten Qualität. Du kannst uns mit Anschuldigungen eindecken, sie sind gegenstandslos.
Lomo: Ich erneuere meinen Vorschlag! Ich überlasse euch das Fleisch, das ich mit eurem Senf eingestrichen habe. Ihr könnt es mit eurer Seife reinwaschen, damit ihr einmal seht, wie Fleisch rein und ohne all euer Gewisch aussieht, aber wegen eures Produktes, das ich verwendet habe, derart nach Seife schmeckt, dass es kein Senf wegsteckt.
Jorun. Dieses grosszügige Angebot können wir nicht annehmen. Denn wir können Fleisch und Seife nicht gemeinsam lagern. Da würde unsere Seife verderben.
Lomo: Das, was du, um mit Lauren zu sprechen, als Qualität verkauft hast, ist seinen Preis nicht wert. Ein Hammelfleisch ist es, das in seiner Konsistenz dem Tier Gammel entspricht. Du kannst noch so viel Seife in deinen Senf stecken, wie du willst, er wird nicht besser durch meine Hirnrinnen quirlen. Eine derartige Gehirnwäsche geht über mich, ohne dass sie eine Spur hinterlässt. Du kannst noch lange versuchen, mich einzuseifen, meine Haut und Haltung werden hart bleiben. Du versteht, Lin, ich bin ein armer Poet, der Münzen, so klein sie auch sind, sorgfältig umdreht, damit das Geschäft, mein Geschäft blüht. Und meine Worte geben nur wieder, was ich mit meinem Lied dir über die Qualität deiner Senfseife zu verstehen gebe. Das war poetisch gesprochen. Sachlich geredet heisst meine Botschaft: Mein Fleisch entspricht nach seiner Behandlung in seiner Beschaffenheit dem Erzeugnis, das du mir als Senf verkauft hast, übernimmt, als ob es mit einem Parasiten behandelt worden wäre, dessen Minderwert, der dann von meinem hochwertigen Produkt nicht mehr abgestreift werden kann. Komm mir nun nur nicht mit der Bemerkung, ich hätte zu viel von dem Senf auf mein Fleisch gestrichen! Das käme dem Versuch gleich, mir den Mund einzuseifen, um die Wahrheit wegzuputzen. Darum frage ich dich, Lin, warum ich weiterhin bei dir einkaufen soll? Ich habe mich mit tausend Floskeln um deine Blossstellung herum manövriert. Jetzt ist es an dir. Klarheit zu schaffen und ehrlich zu reden.
Lin: Ich sehe. An unserer Lieferung hat dir etwas nicht gepasst. Uns ist ein Fehler unterlaufen. Das meinst du. Ich weiss nicht welcher. Wir haben dir nicht Seife als Senf geliefert.
Lomo: Die Seife hatte die Farbe von Senf.
Josselin: Wir führen keine Seife in unserem Angebot, die senffarben ist.
Lomo: Ah! Du bist auch hier. Jetzt hat dann der Chef die ganze Mannschaft gegen mich aufgeboten.
Lin: Der Chef führt die Verhandlung. So viel zu deiner Anmerkung. Zur Sache: Falls uns ein Fehler unterlaufen sein sollte, was ich natürlich aufgrund des Engagements, Sachverstandes und der Zuverlässigkeit meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter absolut in Abrede stellen kann, wird dir trotzdem der Senf, der dich derart in Rage gebracht hat, ersetzt.
Lomo: Und was ist mit dem Fleisch, das dein Senf eingeseift hat?
Jorun: Das mit dem Einseifen hast du schon einmal gesagt. Was hältst du von der folgenden Konstruktion, die ich dir jetzt vorbete: Der Senf hat mein Fleisch geschwächt. Jetzt kommt es ganz lahm und schwach daher, beraubt von seinem Saft. Nur noch Faser, die kein Senf mehr zum Leben erweckt. Mein Fleisch, nicht jenes, das ich an mir trage, sondern jenes, das ich in der Auslage habe und zum Gruss der Frauen hebe, vermag keinen Blick einer Schönen zu erregen. Statt Viagra habt ihr mir Mehl geliefert, was ohne Hefe gehoben, nur die Adern verstopft und mir darum zu grossem Leide gerät und am Körper niederhängt. So hätte deine Klage lauten müssen.
Lomo: Du willst wieder einmal mit deinen verfluchten Sprüchen von den Fakten ablenken und die Unfähigkeit deines Chefs decken.
Lin: Nur keine Aufregung. Das mit dem Senf kriegen wir hin.
Lomo: Nichts kriegst du! Ich muss für das Fleisch bezahlen, das ich weiter verkaufe. Geschäften, handeln nennt man das. Das sind zwei Wörter, die dir fremd sind. Dir und deinem aus einer Erbschaft hoch subventionierten Edelbetrieb, der sich Senf und Seife leistet und nichts Kräftiges anbietet, das sich auf ein gesundes Brot streichen lässt. Von dem, was du an den Kunden bringst, zahlt sich kein Lohn. Nicht einmal deiner. Wenn du wenigstens im Lotto gewonnen hättest! Dann hättest du auf anständige Weise den Preis des Lottozettels in deine Zukunft investiert. Und zwar hundert Mal fünf Batzen. Was wirklich nicht viel ist. Die einzige valable Investition in dein Geschäft ist der Same deines Vaters, den er in deine Mutter gespritzt hat. Und daraus schlägst du nur Senf und Seife. Luft! Luft müsste ich sagen. Ein Ballon, der zerplatzt. Weil in deinem Laden weniger rein kommt, als du hinein steckst. Deine Reserve an Erbschaft wird sich rascher abtragen, als du Senf und Seife nachschieben kannst. Denn für letzteres musst du zahlen. Und wo das Geld geht, fehlt es für den Ankauf von neuem Geld. Frau Investition verabschiedet sich. Ihr seid hier nichts anderes als ein reich eigensubventionierter Beamtenapparat. So ein Geschäft hat noch niemanden reich gemacht.
Lin: Senf und Seife läuft gut und das dank meines Geldes.
Lomo: Das nennt sich wirtschaftliche Inzucht und führt nur zu Zerfall und zum Wegwasch all eurer Seife inklusive der Senfs. Euch fehlt die Fingerfertigkeit des Geschäftens. Ihr übt euch in abgestandenen Selbstkosungen. Für mehr braucht es Geist. Der ist aber euch nicht mehr wert als die Seife, die ihr für Senf verkauft und als Blase zerplatzt. So, Platz da! Die offenen Rechnungen zahle ich nicht. Die müssen anders beglichen werden.
Lin: Wir haben geliefert. Du musst zahlen.
Lomo: Ich reklamiere innerhalb der gesetzten Frist. Nehmt meine Beschwerde als Anzahlung. Ich sage nur noch: Der Metzgermeister geht. Das Schlachthaus ist eröffnet.
(Lomo geht)
Jorun: Das war ein wuchtiger Abschied.
Vania: Die Rechnungen wird er zahlen müssen.
Lauren: Das ist klar. Womit wollen wir unsere Einkäufe bezahlen, wenn wir kein Geld von unseren Kunden erhalten. Die können mit uns nicht einfach machen, was sie wollen.
Choelia: Irgendwie wird er zahlen.
Josselin: Er hat irgendwie recht mit dem, was er sagt. Wir müssen uns vorsehen. Jede einzelne, jeder von uns, wie es mit der eigenen Zukunft weiter geht. Lins Erbe ist ein zerfallendes Fundament. Wir müssen uns überlegen, wie wir Senf und Seife gemeinsam in die Zukunft führen.
(Alle ab)
***