Dschungel-City

Gravesend ist ein unbedeutender Ort. Wichtig ist er jedoch, weil dort die Themse in die Nordsee fliesst. Dahin habe ich mich begeben. Ich schaue flussaufwärts und auch flussabwärts. Schiffe fahren in beide Richtungen. Heute ist der Ort für die Touristinnen und Touristen herausgeputzt. Und sie kommen. Immerhin startet unten am Hafen eine der bekanntesten Erzählungen in englischer Sprache.

Der Ort verbindet Urwald und Grossstadt. Flussaufwärts führt der Fluss nach London. Flussabwärts ging es damals, wie Joseph Conrad in der Gestalt von Charlie Marlow in der Geschichte «Heart of Darkness» erzählt, aufs hohe Meer hinaus und hinüber nach Afrika. Im Kongodelta startete die Strafexpedition über den Strom durch den Urwald, um Kurtz habhaft zu werden. Die Themse führt hinauf in den Dschungel der Londoner Hochfinanz.

Der selbstherrliche Mr. Kurtz sass im Kongoleser Urwald. Auch heute ist er kein Unbekannter. Am Ufer der Themse sitzen nach wie vor solche Gestalten, die im Urwald der kolossalen Gebäude der Finanzenwelt hausen, sich in den Mittelpunkt ihres absoluten Seins stellen und ihr Unwesen treiben. Der Streamer, der sich den Congo-Strom in Zentralafrika hinaufkämpfte, könnte ebenso gut auf der Themse durch die Londoner City streifen und Skipper Marlow nach dem Gesuchten Ausschau halten. Gravesend steht nach wie vor für den Geruch jener Herzlosigkeit, welche Gestalten dazu bringt, wie Haie und nackt in ihrer Gier – im Schutz des Urwald-City – Geld zu scheffeln.

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