
Basels Intellekta trumpft nicht mit Herausragendem auf. Vielmehr zieht sich jene Intelligenz den Schleier der Nacht über das Gesicht. Wenigstens einmal im Jahr. An der Fasnacht. Zu deren Beginn dunkeln Volk und Behörde die Stadt am Rheinknie ab. Morgestraich heisst die Ausrede. Das verunmöglicht mir, dort ein Buch zu lesen, geschweige denn, es fertig zu lesen. Die Stadt ist in jener Nacht voll von Bratwürsten und Bier, Wein, Likör. Niemand schmeckt die Leckerbissen, niemand findet sie. Denn überall sind die Fenster und Türen verrammelt. Wer die Eingänge nicht kennt, der findet sie nicht und bleibt draussen.

Wie soll ich in einem derartigen Umfeld ein Buch zu Ende lesen? Mit gelingt solches. Ich habe aktuell einen Band vor mir liegen, der ausschliesslich leere Seiten enthält. Dies hat den Vorteil, dass ein solches Werk der Weltliteratur in Basel studiert werden kann und zwar in jener Nacht, in der die Fasnacht beginnt. Im Buch mit den leeren Seiten kann ich jedoch nicht, im Hinblick auf den Besuch der Stadt, in meiner vorberteitenden Lektüre bis zur zehntvorletzten Seite vordringen, in der Absicht, mir den Inhalt des Schlusses der Geschichte während der Basler Fasnacht einzuverleiben. Denn das Buch enthält weder Buchstaben noch Zeichnungen.
Wenn ich ein Buch mit leeren Seiten lesen will, so wie ich es vor mir habe, dann ist es sehr schwierig, sich darin zu orientieren, denn in dem Fall weiss ich auch nicht, wann ich in meiner Lektüre bis auf die zehntvorletzte Seite vorgedrungen bin. Denn den Blättern mangelt es an Seitenzahlen. Das Buch kommt den Basler Waggis entgegen. Diese traditionelle Figur an der Basler Fasnacht verfügt über eine ungeheuer grosse Nase. Sie verhindert, dass ein Buch, um darin zu lesen, überhaupt vor das Gesicht genommen werden kann. Während der ersten Nacht an der Fasnacht ist zudem der Gebrauch von Taschenlampen untersagt. Aus diesem Grund bringt es nichts, wenn ich mit dem nichtbedruckten Buch anreise: In jener Nacht, die Basel heilig ist, ist einfach nicht zu lesen. Basel erweckt dann den Eindruck, als ob dem Buchdruck dort seit Jahrhunderten nicht gehuldigt worden wäre.