
Auf der Suche nach einem Ort, wo sich ein Buch fertig lesen lässt, bin ich auf jenes Werk gestossen, das an Exaktheit nicht zu überbieten ist, heute aber nicht mehr aufgelegt wird; aus verschiedenen Gründen. Besagtes Buch nennt Landflecken, unendlich viele, quasi alle Städte und Dörfer, die es auf diesem Planeten gibt. Würden alle Kommunen aufgeführt, käme das Buch als rechter Brocken daher. Das Werk präsentierte sich derart umfangreich, dass es gar nicht aufgelegt werden könnte. Zudem vermag kein Menschen allein ein solches Konglomerat zu verfassen. Teamarbeit ist gefordert.
Dessen Umfang ist aber nicht der Grund, warum der Band nicht mehr in den Buchhandlungen vorliegt. Die Länge der Namen der Gemeinden tut auch nichts zur beängstigenden Grösse, welche das Werk annehmen könnte, würden alle Winkel, Siedlungen, Agglomerationen und Metropolen aufgezeichnet. Rom und Gasselterboerveenschemond glichen sich in der Länge aus, würden die beiden Örtlichkeiten genannt, und benötigten somit nicht mehr Raum auf dem Papier als Orte mit einer Nomralbuchstabenlänge wie Feutersoey und Marseille, die gemeinsam auch auf eine beachtenswerte Anzahl von Zeichen kommen.

Als zusätzliche Information enthält das genannte Werk die Fahrzeiten des halbprivaten und öffentlichen Verkehrs, der die Ortschaften verbindet. Die genauen Zahlenangaben unterstreichen den Wert, der dem Buch als präziser Informationsvermittler nachgesagt wird. Die Wirklichkeit sieht, nüchtern betrachtet, anders aus und relativiert die Exaktheit der aufgeführten Angaben. Die Verlässlichkeit der Zahlen und somit der Zeitangaben steht in keinem Verhältnis zur Stabilität der Buchstaben und Ortsnamen.
Im Kursbuch haben die Namen bestand, die Zahlen hingegen weisen die Zuverlässig der Börsenkurse auf, die konstant schwanken. Wer sich auf dem Bildschirm über die Börse informiert, merkt schnell, dass die Angaben ständig variieren. Genauso verhält es ich mit den Abfahrtszeiten der Züge. Börse und Kursbuch haben das Eine gemeinsam: Sie vermitteln einen präzisen Blick in die Vergangenheit, auf den Zeitraum, der zeigt, wie es sein sollte. Die Angaben, schnell überholt, taugen jedoch nicht mehr dazu, um in einem Buch veröffentlicht zu werden, sondern können nur noch als Zahlenmaterial für elektronische Informationsverbreitung verwendet werden. Geht es um die Gegenwart und die Zukunft, entpuppt sich beides als ein unstetes Jo-Jo-Spiel, das wankelmütig mit der Präzision umgeht.

Um dieses Spiel auszukosten, habe ich mich auf das Perron an einem Bahnhof begeben und auf einer Bank Platz genommen. Dort habe ich in Gedanken das Kursbuch fertig gelesen und gleichzeitig darauf geachtet, inwiefern die Fahrpläne nicht stimmen oder vielmehr eingehalten werden. Mit wenig Vertrauen in die Börse und eben solchem in das Buch legte ich schliesslich dieses zur Seite und betrachtete die Vögel, die vorbeizogen.

Ein Kommentar zu “Willkürliche Zeit”